mein STAND.PUNKT
Gemeinsam am Tisch des Herrn?
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Gemeinsam am Tisch des Herrn?
Ein STAND.PUNKT von Prof. Jan-Heiner Tück
Seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen, die einen gemeinsamen Kommunionempfang für konfessionsverbindende Ehen fordern. Neben Theologen und dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, haben sich auch Bischöfe wie Kardinal Reinhard Marx und Bischof Franz-Josef Bode in dieser Angelegenheit zu Wort gemeldet.
In Deutschland, dem Land der Reformation, leben statistisch deutlich mehr Paare in konfessionsverschiedenen Ehen als in Österreich oder anderen Ländern. Insofern ist es gewiss begrüßenswert, im Nachgang zum Reformationsgedenken verstärkt darüber nachzudenken, betroffenen Paaren den gemeinsamen Zugang zum Tisch des Herrn zu ermöglichen. Ob allerdings eine allgemeine Lizenz der richtige Weg ist, darf bezweifelt werden. Besser wäre ein Weg der sorgfältigen Unterscheidung und einzelfallbezogenen Prüfung.
1.
Das Jahr 2017 ist ein symbolkräftiges Datum, um einen solchen Vorstoß zu lancieren. Zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands ist die Erinnerung an Martin Luthers Ablasskritik und die Reformation ohne konfessionalistische oder polemische Zwischentöne begangen worden. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, haben die ökumenische Verbundenheit in der medialen Öffentlichkeit wiederholt sichtbar zum Ausdruck gebracht.
So nimmt es nicht Wunder, dass schon länger ein öffentliches Erwartungsinteresse besteht, dass es in der Ökumene zwischen den beiden großen Kirchen in Deutschland greifbare Fortschritte geben solle. Allerdings sind gesellschaftlicher Erwartungsdruck und ökumenische Ungeduld nicht schon automatisch gute theologische Ratgeber. Neue Schritte im Bereich der ökumenischen Verständigung müssen sorgfältig bedacht werden, wenn sie nicht zu neuen Rissen führen sollen.
Es ist gewiss begrüßenswert, im Nachgang zum Reformationsgedenken verstärkt darüber nachzudenken, betroffenen Paaren den gemeinsamen Zugang zum Tisch des Herrn zu ermöglichen. Ob allerdings eine allgemeine Lizenz der richtige Weg ist, darf bezweifelt werden. Besser wäre ein Weg der sorgfältigen Unterscheidung und einzelfallbezogenen Prüfung.
2.
Überdies – und das ist ein zweiter Punkt – wäre die katholische Kirche in Deutschland schlecht beraten, wenn sie in der Frage des gemeinsamen Kommunionempfangs für konfessionsverschiedene Ehepaare einen Sonderweg einschlüge und es versäumen würde, sich mit den zuständigen universalkirchlichen Instanzen – konkret: dem Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen – abzustimmen.
Zwar hat Papst Franziskus in seinem Schreiben Evangelii Gaudium eine "heilsame Dezentralisierung" (EG 16) eingeleitet und den nationalen Bischofskonferenzen mehr Gestaltungskompetenzen eingeräumt (vgl. EG 32), das könnte die Grundlage für einen wohlüberlegten Vorstoß der Deutschen Bischofskonferenz sein, der gerade auf die spezifischen pastoralen Erfordernisse einer von der Reformation des 16. Jahrhunderts besonders betroffenen Ortskirche abheben würde. Gleichwohl betrifft die Frage nach der Kommunion für Nichtkatholiken in konfessionsverschiedenen Ehen nicht nur die Kirche in Deutschland, sondern mehr oder weniger alle Ortskirchen in der Communio der katholischen Weltkirche.
3.
Drittens gerät leicht aus dem Blick, dass schon das Verständnis der Ehe ökumenische Fragen aufwirft. Nach Luther ist die Ehe bekanntlich ein "weltlich Ding" – eine res politica –, und auch die Schweizer Reformatoren Zwingli und Calvin haben bestritten, dass die Ehe ein Sakrament ist (vgl. Institutio [1559] IV, 19, 34–37). So wird man auch heute nicht ohne weiteres davon ausgehen können, dass gläubige Nichtkatholiken in konfessionsverschiedenen Ehen schon automatisch das katholische Verständnis der Ehe als Sakrament teilen. Allerdings besteht Einigkeit darin, dass das menschliche Ja der Eheleute zueinander rückbezogen und getragen ist von Gottes unverbrüchlichem Ja und dass die Liebe zwischen Mann und Frau ein Zeichen für den Bund zwischen Christus und der Kirche ist (vgl. Eph 5,21–32).
Für die Diskussion um den gemeinsamen Kommunionempfang konfessionsverschiedener Ehen noch wichtiger aber ist der eucharistietheologische Hinweis, dass das Verständnis des Herrenmahls im Spektrum der Reformationskirchen keineswegs überall gleich ist. Anglikaner und Lutheraner sind mit dem Glauben an die Realpräsenz Jesu Christi in, mit und unter den Gestalten von Brot und Wein gewiss näher am katholischen Eucharistieverständnis als reformierte Christen in der Tradition Zwinglis oder Calvins, die Brot und Wein eher als verdeutlichende Zeichen für die Gegenwart Christi im Wort der Verkündigung deuten.
Zur Erinnerung: Beim Marburger Religionsgespräch 1529 zwischen Luther und Zwingli ist die Einheit der Reformation gerade an der Abendmahlsfrage zerbrochen. Zwingli hat die Einsetzungsworte symbolisch gedeutet: Hoc significat corpus meum und die Gegenwart der menschlichen Natur Christi in den Elementen von Brot und Wein bestritten, während der Wittenberger Reformator entschieden am est der verba testamenti festgehalten und die Realpräsenz Christi im Abendmahl unter Rückgriff auf die Ubiquitätslehre verteidigt hat. Dieser Riss im reformatorischen Christentum ist erst Jahrhunderte später durch die Leuenberger Konkordie 1973 geheilt worden.
Die faktische Pluralität von Interpretationen des Herrenmahls, die es im vielseitigen Spektrum des reformatorischen Christentums bis heute gibt, gerät leicht aus dem Blick, wenn eine generelle Öffnung für nichtkatholische Partner in konfessions-verbindenden Ehen angezielt und gefordert wird.
Die Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft zwischen lutherischen und reformierten (und anderen reformatorischen Kirchen) konnte wiederhergestellt werden – nach wie vor bestehende Bekenntnisdifferenzen aber hat man mit Blick auf den gewonnenen Grundkonsens und die gewandelten modernen Lebens- und Denkformen relativiert. Die faktische Pluralität von Interpretationen des Herrenmahls, die es im vielseitigen Spektrum des reformatorischen Christentums bis heute gibt, gerät leicht aus dem Blick, wenn eine generelle Öffnung für nichtkatholische Partner in konfessionsverbindenden Ehen angezielt und gefordert wird.
Dabei ist unbestritten, dass es in konfessionsverschiedenen Ehen große Gemeinsamkeiten gibt, die den Glauben, die Taufe, das Gebet und das tägliche Ringen um einen christlichen Lebensstil betreffen. Dennoch wäre es wohl eine kontrafaktische Unterstellung, davon auszugehen, dass alle nichtkatholischen Partner in einer konfessionsverbindenden Ehe automatisch schon das katholische Eucharistieverständnis teilen. Ist dies nicht der Fall, dann würde mit einem gemeinsamen Kommunionempfang eine Eintracht simuliert, die nicht oder allenfalls ansatzweise besteht, weshalb die Mahnung zur Ehrlichkeit in der Ökumene zwar unbequem, aber ein gutes Quäntchen Berechtigung hat.
Prof. Jan-Heiner Tück, Universität Wien
4.
Damit bin ich – viertens – bei einer gewissen Tendenz, die Eucharistie vermehrt als soziales Ereignis zu verstehen. Die Warnung von Hansjürgen Verweyen, dass die Eucharistiefeier mancherorts zu einem "Gemeindepicknick" degeneriere, ist gewiss übertrieben. Andererseits trifft es doch wohl zu, dass die begrüßenswerte Wiederentdeckung des Mahl- und Gemeinschaftscharakters bei vielen Gläubigen dazu geführt hat, die Eucharistie primär in soziologischen Kategorien zu begreifen und vor allem nach Zugehörigkeit und Ausschluss von der Gemeinschaft zu fragen.
Gewiss hat die Kommunion schon von der lateinischen Wortbedeutung her zentral mit Gemeinschaft zu tun, aber diese reicht über die zwischenmenschliche Ebene hinaus eben doch hinaus in eine theologische Tiefendimension. Die Kommunion ist ja zunächst und vor allem Gabe Jesu Christi, des auferweckten Gekreuzigten selbst, der in den gewandelten Gaben von Brot und Wein seine Gegenwart schenkt. Wie aber steht es um dieses Gespür für das Mysterium der verborgenen Präsenz Jesu Christi? Die Teilnahme an der Kommunion ist ja kein gewöhnliches Essen, wie Paulus im ersten Brief an die Korinther sagt (1 Kor 11,28). Der Apostel fügt die Mahnung hinzu, jeder möge sich prüfen, ob er bereit sei, zum Tisch des Herrn hinzuzutreten.
Eine generelle Öffnung der Eucharistie für Nichtkatholiken in konfessionsverbindenden Ehen könnte die eucharistische Unterscheidungskultur schwächen, wenn der problematische Eindruck entstünde: Es ist letztlich nicht so wichtig, was einer glaubt, wichtiger ist, dass er am gemeinsamen Ritual teilnimmt und als Glied in die Gemeinde integriert wird.
Diese Frage ist gewiss unbequem. Sie richtet sich an jeden, der kommunizieren möchte – unabhängig davon, ob er katholisch ist oder nicht. Um Gedankenlosigkeit und mangelnde Vorbereitung beim Kommunionempfang zu vermeiden, kann eine Kultur der Unterscheidung und persönlichen Selbstprüfung hilfreich sein; sie sollte aber nicht zu einem neuem Rigorismus führen, der die Frage der persönlichen Disposition oder Würdigkeit so forciert, dass erneut pathologische Skrupel befördert werden. Eine generelle Öffnung der Eucharistie für Nichtkatholiken in konfessionsverbindenden Ehen aber könnte die eucharistische Unterscheidungskultur schwächen, wenn der problematische Eindruck entstünde: Es ist letztlich nicht so wichtig, was einer glaubt, wichtiger ist, dass er am gemeinsamen Ritual teilnimmt und als Glied in die Gemeinde integriert wird.
5.
Für einen Weg der Prüfung und Unterscheidung sollte daher fünftens ein klares Kriterium angeführt werden. Der Empfang der eucharistischen Gaben ist ja nie nur ein Geschehen, das den Einzelnen betrifft, er berührt die gesamte Glaubens- und Kirchengemeinschaft und hat eine ekklesiale Dimension. Daher sollte die Entscheidung über einen Kommunionempfang nicht allein der persönlichen Gewissensentscheidung des nichtkatholischen Partners in einer konfessionsverschiedenen Ehe überlassen bleiben, sondern rückgebunden sein an ein Gespräch mit einem qualifizierten Seelsorger oder Priester.
Christoph Kardinal Schönborn hat in diesem Zusammenhang eine hilfreiche Faustregel an die Hand gegeben: "Wer bei der Kommunion das Amen zum Leib Christi sagen will, der muss auch das Amen zum Hochgebet sprechen können, auch als nichtkatholischer Christ." Das eucharistische Hochgebet aber umfasst neben Anamnese und Epiklese das Gebet für den Papst, den Ortsbischof und die Gemeinschaft der Bischöfe, die Erwähnung der Gottesmutter, der Apostel, Märtyrer und Heiligen und schließlich die Fürbitte für die Verstorbenen.
Wer über das gemeinsame Glaubensbekenntnis hinaus als Nichtkatholik das eucharistische Hochgebet innerlich mitbeten kann, dem sollte das Tor zur Kommuniongemeinschaft nicht verschlossen werden! Diese Faustregel kann natürlich als subtile Vereinnahmungsstrategie missverstanden und als Relikt der Rückkehrökumene denunziert werden – und in der Tat fordert sie ein hohes Maß an Übereinstimmung. Aber diese Forderung entspricht der Grundüberzeugung, dass die Eucharistie sichtbarer Ausdruck der vollen Kirchengemeinschaft ist, die nach dem II. Vatikanischen Konzil an die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und des kirchlichen Leitungsdienstes gebunden ist (vgl. LG 14).
6.
Sechstens darf daran erinnert werden, dass die Tür zur Kommuniongemeinschaft für Nichtkatholiken nicht grundsätzlich verschlossen, sondern bereits einen kleinen Spalt weit geöffnet ist. Schon das Ökumenische Direktorium von 1993 hat davon gesprochen, dass für die Gatten einer bekenntnisverschiedenen Ehe die gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie "im Ausnahmefalle" erfolgen kann (vgl. ÖD 160, vgl. CIC 1983, can. 844 § 4). Zwar sind diese Ausnahmefälle restriktiv geregelt und entweder an das Kriterium der Todesgefahr (periculum mortis) oder der schweren Notlage (gravis necessitas) gebunden, aber immerhin es gibt sie.
An die Figur der "schweren geistlichen Notlage" ließe sich anknüpfen, um eine einzelfallbezogene Lösung der Frage nach dem gemeinsamen Kommunionempfang von konfessionsverschiedenen Paaren weiter auszugestalten.
Auch Papst Johannes Paul II. hat in seiner Ökumene Enzyklika Ut unum sint von 1995 von bestimmten Einzelfällen gesprochen. Wenn der sehnliche Wunsch, die frei geäußerte Bitte und die Übereinstimmung im Glauben zusammenkommen, könne nichtkatholischen Christen die Eucharistie auch dann gespendet werden, wenn sie "noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen" (UUS 95). In seiner Enzyklika Ecclesia de Eucharistia von 2003 hat er Interkommunion und Interzelebration mit den aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften noch einmal klar abgelehnt, da hier das Kriterium für Eucharistiegemeinschaft – die volle Glaubens- und Kirchengemeinschaft – nicht erfüllt sei.
Zugleich hat er aber für Einzelpersonen unter bestimmten Umständen – nämlich dann, wenn eine schwere geistliche Notlage (gravis spiritualis necessitas) vorliegt – die Teilnahme an der Kommunion in Aussicht gestellt (EdE 45). An diese Figur der "schweren geistlichen Notlage" ließe sich anknüpfen, um eine einzelfallbezogene Lösung der Frage nach dem gemeinsamen Kommunionempfang von konfessionsverschiedenen Paaren weiter auszugestalten.
Papst Franziskus hat sich bei seinem Besuch in der lutherisch-evangelischen Kirche in Rom im November 2015 genau auf dieser Linie geäußert, als er einem betroffenen Paar sagte: "Ich werde nie wagen, eine Erlaubnis zu geben, das zu tun, weil das nicht meine Kompetenz ist." Zugleich hat er den Weg einer Vertiefung im gemeinsamen Glauben angeraten: "Eine Taufe, ein Herr, ein Glauben. Sprecht mit dem Herrn und geht weiter. Mehr wage ich nicht zu sagen." Diese Ermutigung sollte man ebenso ernstnehmen wie die deutliche Zurückhaltung des Papstes gegenüber einer allgemeinen, durch die kirchliche Autorität verbürgten Lösung.
Es wäre bedauerlich, wenn die ökumenische Verständigung in der Frage des gemeinsamen Kommunionempfangs für konfessionsverschiedene Ehen auf eine theologische Subtraktionsstrategie hinausliefe, die mit der Besinnung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ein Proprium des katholischen Eucharistieverständnisses ausblenden würde.
7.
Schließlich – siebtens – wäre es bedauerlich, wenn die ökumenische Verständigung in der Frage des gemeinsamen Kommunionempfangs für konfessionsverschiedene Ehen auf eine theologische Subtraktionsstrategie hinausliefe, die mit der Besinnung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ein Proprium des katholischen Eucharistieverständnisses ausblenden würde: das dankbare Staunen und die stille Freude über die verborgene Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie, das ruhige Innehalten und die Anbetung vor dem Allerheiligsten, wie es poetisch verdichtet im Hymnus Adoro te devote zum Ausdruck kommt.
Die Praxis der eucharistischen Anbetung mag in den Gemeinden in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen sein. Sie ist aber eine nicht zu unterschätzende Quelle der Erneuerung des Glaubens für neue geistliche Gemeinschaften und Bewegungen. Auch caritative Orden wie die Missionaries of Charity in der Spur von Mutter Teresa beziehen gerade aus dem Verweilen vor dem Allerheiligsten ihre Kraft für den Dienst an den Ärmsten der Armen.
Man sollte daher die kontemplative Eucharistiespiritualität nicht einfach als obsolet gewordene Tabernakelfrömmigkeit beiseiteschieben. Gerade in Zeiten einer beschleunigten Lebenswelt kann das betrachtende Verweilen vor dem Allerheiligsten eine wohltuende Unterbrechung sein. Kein Geringerer als Karl Rahner hat noch im Alter bemerkt, dass dem Christentum der Zukunft etwas Wesentliches fehlen würde, wenn die Betrachtung vor dem Allerheiligsten abgeschafft würde.
Prof. Dr. Jan-Heiner Tück lehrt Dogmatik und Dogmengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
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