König mit Dornenkrone
Zur theologiepolitischen Dimension des Christkönigfestes
König mit Dornenkrone
Zur theologiepolitischen Dimension des Christkönigfestes
Ein STAND.PUNKT von Jan-Heiner Tück
Anders als der profane Kalender, der die Tage des Jahres nach Wochen und Monaten ordnet, wird das Kirchenjahr durch heilsgeschichtliche Perioden rhythmisiert. Die leere und homogene Zeit wird so inhaltlich gefüllt: Der Advent orchestriert das vielstimmige Warten auf die Ankunft des Erlösers, Weihnachten feiert die Geburt des Sohnes im Stall von Bethlehem, die Passions- und Osterzeit kreist um die Memoria von Kreuz und Auferstehung. Das Pfingstfest steht im Zeichen der Ausgießung des Heiligen Geistes, es nimmt die babylonische Sprachverwirrung zurück.
Am Ende des Kirchenjahrs aber wird in eher düsteren Farben die Gerichtspredigt Jesu aufgerufen, bevor es in das leuchtende Finale des Christkönigsfests einmündet. Dieses ragt etwas fremd in unser demokratisches Zeitalter hinein, in der die Rede vom Himmelsfürsten einen royalistischen Beigeschmack hat. Schaut man näher hin und betrachtet die historische Entstehung des Festes, wird es politisch und theologisch interessant.
Nach dem Untergang der Monarchien im Ersten Weltkrieg wollte Papst Pius XI. (1922-1939) ein öffentliches Zeichen der Hoffnung setzen und führte mit seiner Enzyklika „Quas Primas“ am 11. Dezember 1925 das Hochfest Christkönig ein. In das Sinnvakuum der Nachkriegssituation sollte die Erinnerung an den Friedenskönig für Familien, die Gesellschaft, aber auch die Politik orientierende Kraft entfalten. Das Datum der Einführung des Festes fällt mit dem 1600-Jahr-Jubiläum des Ökumenischen Konzils von Nicäa zusammen, das im Jahr 325 die Gottheit des Sohnes gegen Arius definiert. Im Bekenntnis heißt es über Christus: „Seines Reiches wird kein Ende sein“.
Die Einführung des Christkönigfestes durch Pius XI. hat den Verdacht provoziert, der Papst wolle mit seiner Enzyklika eine anti-moderne Theokratie befördern. Tatsächlich ging es nicht nur um die geistliche Herrschaft Christi über die Herzen der Gläubigen, es sollte ein öffentlicher Orientierungsanspruch der Kirche angemeldet werden. Politisch aber war die Haltung der katholischen Kirche zur parlamentarischen Demokratie bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts schwankend bis ablehnend. Nicht wenige kirchliche Würdenträger und Theologen sympathisierten offen mit einem katholischen Staat und redeten abschätzig über das „dekadente Parteiengezänk“ in der Weimarer Republik. Krisendiagnosen beschworen die Gefahr des Individualismus, der Säkularisierung, ja des Nihilismus und malten in düsteren Farben den Zerfall der Werte an die Wand. Auch Pius XI. warnt in seiner Enzyklika vor der „Pest des Laizismus“ und betrachtet die Kirche als belagerte Zitadelle. Im liturgischen Formular wird darum gebeten, dass „alle Familien der Völker“ sich dem Reich Christi beugen mögen. Die theologiepolitisch weitreichende Bitte wurde inzwischen geändert, die Absage an jede Form von Rassismus, die im Motiv der einen Menschheitsfamilie liegt, ist allerdings nach wie vor aktuell. Sie sollte auch heute gegen die Renaissance ethnischer Denkweisen in Stellung gebracht werden.
Überhaupt ist bemerkenswert, dass das Fest ab den 1930er Jahren eine ganz andere, theologiepolitische Wirkung entfaltete. Denn zwischen den beiden Weltkriegen reiften die politischen Ideologien heran. In der Weimarer Republik, aber auch in Italien und Spanien bildeten sich unterschiedliche Formen des Faschismus aus. Auf den Trümmern des russischen Zarenreichs errichtete der Sowjetkommunismus ein totalitäres Regime. Gegen diese Versuche, ein „Reich Gottes ohne Gott“ (Hans Maier) zu errichten, setzte der öffentliche Kult der katholischen Kirche einen Kontrapunkt und rückte Christus, den wahren König, ins Zentrum. Die Frömmigkeit wurde zur Quelle des Widerstandes gegen den totalen Staat. Nach dem so genannten Anschluss Österreichs an das Dritte Reich demonstrierte die Katholische Jugend ihre Absage an Hitler, indem sie im Oktober 1938 bei einer Andacht im Wiener Stephansdom „Christus ist unser Führer“ skandierte.
Der Theologe Erik Peterson, der mit dem Staatsrechtler Carl Schmitt eine viel beachtete Debatte um den Begriff der politischen Theologie führte, hat unter dem Titel „Christus Imperator“ einen Aufsatz publiziert, der die ideologiekritische Dimension des Christusbekenntnisses herausstellt. Wenn die Kirche ihren Glauben an die Herrschaft Christi im öffentlichen Kult bekennt, dann konstituiert sie eine „Gegenöffentlichkeit zum Führerkult“ (Christian Stoll). Man kann Petersons christozentrische Krisentheologie, die sich dezidiert gegen die NS-Ideologie richtet, als theologischen Kommentar zum Christkönigsfest lesen.
Gleichwohl steht das Christkönigsfest bis heute unter Verdacht, kirchlichen Triumphalismus zu befördern und die Niedrigkeit Christi zu vergessen. Mit elitärem Dünkel hatte schon Carl Schmitt in seiner Verfassungslehre notiert, dass in der Öffentlichkeit „Worte wie Größe, Hoheit, Majestät, Ruhm, Würde und Ehre“ Platz haben, „etwas Minderwertiges oder Wertloses, etwas Niedriges“ aber nicht repräsentiert werden könne. Gegen eine solche politische Theologie der Glorifizierung von Macht steht biblisch die subversive Erhöhung des Erniedrigten und Geschmähten. Im Magnificat heißt es: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen – Deposuit potentes de sede et exaltavit humiles.“ (Lk 1,52) Die klassischen Kategorien des Königtums – Macht, Hoheit und Glanz – werden hier gerade durchkreuzt.
Im Passionsbericht des Johannes-Evangeliums wird berichtet, dass der römische Statthalter Pilatus beim Verhör Jesus fragt: „Bist du der König der Juden?“ Dieser antwortet: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier.“ (Joh 18,36) Die politischen Erwartungen der Zeloten, Jesus werde die römische Besatzungsmacht mit Gewalt beseitigen, werden von ihm nicht befriedigt. Die Soldaten flechten daraufhin eine Dornenkrone und legen Jesus einen Purpurmantel um. Das ist eine gezielte Persiflage der königlichen Insignien. Sie spotten: „Heil dir, König der Juden!“ (Joh 19,3) und schlagen ihm ins Gesicht. Darauf stellt Pilatus den entstellten König dem Volk vor und spricht: „Ecce homo – seht, was für ein Mensch!“ (Joh 19,5) Auf die nochmalige Frage, ob er der König der Juden sei, antwortet Jesus, er sei gekommen, Zeugnis für die Wahrheit abzulegen. In der Passion aber stirbt der Zeuge für diese Wahrheit. Gerade so leuchtet in seinem Leiden die in dieser Welt immer wieder verdrängte, verfolgte und mit Füßen getretene Wahrheit auf. Über dem Schandpfahl des Kreuzes lässt Pilatus auf hebräisch, lateinisch und griechisch die Anschrift anbringen: „Jesus von Nazareth, der König der Juden.“ (Joh 19,19)
Paulus an die Korinther (1 Kor 2,8) |
Ohne Erniedrigung keine Erhöhung – das ist die Pointe der poetischen Theologie, die Paulus in seinem Hymnus im Brief an die Philipper aufgreift (vgl. Phil 2,6-11). Der Sohn hält nicht an göttlichen Privilegien fest. Wie der König, der sich als Bettler verkleidet, um bei den Menschen zu sein, geht er den Weg der Erniedrigung bis in den Abgrund des Kreuzes. Weil er den Weg bis ins Äußerste in Entsprechung zum Willen des Vaters geht, wird er, wie es im Hymnus heißt, von Gott „übererhöht“ und mit dem „Namen über alle Namen“ ausgezeichnet. Der im Griechischen einzigartige Begriff der „Übererhöhung“ feiert die Inthronisation des Gekreuzigten. Man kann darin mit Eckhard Nordhofen ein Paradebeispiel für „die anarchische Kraft des Monotheismus“ sehen. Die Erhöhung des Ohnmächtigen relativiert die Machthaber dieser Welt und weist ihre Strategien der Selbsterhöhung in die Schranken. Der erhöhte Kyrios aber, vor dem alle Welt ihr Knie beugen soll, ist bleibend gezeichnet von den Wundmalen der Passion, Zeichen seiner bis ins Äußerste gehenden Liebe.
Der König mit Dornenkrone wird zum Emblem, in dem sich die Opfer von Verfolgung wiedererkennen können. Er steht für die Würde der Entwürdigten. Die Kirche, die am Christkönigsfest der Erhöhung des Gekreuzigten gedenkt, steht in der Pflicht, sich an die Seite der Erniedrigten zu stellen. In ihrem Antlitz leuchtet die königliche Würde Christi. Auch heute.
Prof. Dr. Jan-Heiner Tück lehrt Dogmatik und Dogmengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
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