mein STAND.PUNKT
Ich konsumiere,
also bin ich...!?
mein STAND.PUNKT
Ich konsumiere,
also bin ich...!?
Ein STAND.PUNKT von Petra Steinmair-Pösel
"Mit der traditionellen Aufstellung des Weihnachtsbaums am Rockefeller-Center in New York hat die Weihnachtszeit begonnen" – hieß es am vergangenen Sonntag in den Abend-Hauptnachrichten des österreichischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Ein Grund, sich zu wundern? Immerhin dauert es noch drei Wochen, bis die Advents(!)zeit beginnt – und auf die Weihnachtszeit müssen wir noch ganze sechs Wochen warten.
Ein Besuch in einem beliebigen Supermarkt erzeugt jedoch ähnliche Gefühle wie die Nachrichtenmeldung: Nikoläuse, Adventkalender, Weihnachtsdeko drängen bereits seit Wochen zum Kaufen und Konsumieren und in den Fußgängerzonen werden die ersten Christkindlmärkte aufgebaut: Oh du Fröhliche?
Ist nicht die Frage erlaubt, was es auf sich hat, wenn das Fest der Menschwerdung Gottes (und des Menschen) zu einem reinen Fest des Konsums verarmt?
Verstehen Sie mich nicht falsch:
Ich will niemandem den fröhlichen Abend mit lieben Menschen unter stimmungsvollen Lichtern bei einer Tasse Glühwein verderben. Der moralisch erhobene Zeigefinger hat an dieser Stelle nichts verloren! Aber vielleicht ist die Frage erlaubt, was es auf sich hat, wenn das Fest der Menschwerdung Gottes (und des Menschen) zu einem reinen Fest des Konsums verarmt? Wenn Menschen sich vor dem Weihnachtsabend fürchten, weil sie schon davor ahnen, dass die Realität doch meist hinter den hochstilisierten Erwartungen des scheinbar käuflichen Glücks zurückbleibt?
Liege ich falsch, wenn ich hinter dem alljährlichen Weihnachtswahnsinn das viel zu selten in Frage gestellte, unausgesprochene Dogma unserer Zeit aufblitzen sehe: Consumo ergo sum – ich konsumiere, also bin ich.
Unsere Autorin: Dr. Petra Steinmair-Pösel |
Wenn ich Mensch bin, wenn und insofern ich kaufe und konsumiere, erzeugt das eine Menge Stress: Kann ich mit den anderen mithalten bei den Geschenken für meine Kinder, meine/n Partner/in, die Bekannten und Freunde? Und: Bekomme ich selbst genug? – Denn davon hängt ja ab, wo ich im sozialen Gefüge verortet bin!
Conspicuous consumption, Geltungskonsum, nennt man jenes öffentliche Verhalten, das über die Demonstration der eigenen ökonomischen Möglichkeiten einen bestimmten Status zu erreichen oder zu sichern sucht. Eine Dynamik mit letztlich verheerenden Konsequenzen: Denn ein "Genug" kann es bei Statusgütern nie geben, es ist ein ständiger Wettlauf nach dem Anderen, dem Neueren, dem Besseren. Die Kosten dafür werden nicht selten externalisiert: Unser extrem ressourcenverbrauchender Lebensstil geht zu Lasten der Umwelt und auf Kosten derer, die von ökologischer Degradation und ausbeutenden Produktionsweisen am direktesten betroffen sind.
Statt kostspieliger Präsente verschenken sie kostbare Zeit, also Präsenz, und liebevoll Selbstgemachtes – und entdecken dadurch eine ganz neue Qualität des Lebens.
Immer mehr Menschen spüren heute, dass dieser Weg nicht zum erhofften himmlischen Glück, sondern in die ganz reale, irdische Hölle führt: in die Hölle des sozialen Unfriedens, in die Hölle von Klima- und Ressourcenkriegen, in die Hölle der Leere des eigenen, durch Güter und Dienstleistungen nie ganz zufriedenzustellenden Herzens. Deshalb spüren sie neu der Frage nach, was Menschwerdung und Menschsein wirklich bedeuten. Statt kostspieliger Präsente verschenken sie kostbare Zeit, also Präsenz, und liebevoll Selbstgemachtes – und entdecken dadurch eine ganz neue Qualität des Lebens.
"Mehr Sein als Haben" könnte das Leitmotiv einer bewusst anders gestalteten Vorweihnachtszeit sein. Wer es versucht, dem wird am Ende vielleicht sogar eine Ahnung dessen geschenkt, was die Engel damals verkündeten: "… und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“.
Dr. Petra Steinmair-Pösel ist Sozialethikerin. Sie leitet das Institut für Religionspädagogische Bildung (IRPB) an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Edith Stein in Feldkirch.
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