mein STAND.PUNKT
Neuer Bischof
Zukunft säen | sehen
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Ein STAND.PUNKT von Prof. Roman A. Siebenrock
Er wollte sich nicht vor Mikrophone und Kameras im Land vorstellen, sondern zuerst mit dem Volk Gottes im Gebet zusammenkommen. Eine schlichte Feier im überfüllten Dom, alle in den Kirchenbänken, auch die Diözesanleitung und der kommende Bischof; - dann forderte er alle Teilnehmende auf, nach vorne zu kommen, ihm und untereinander die Hände aufzulegen und gemeinsam um den Heiligen Geist zu bitten. Da geriet die ‚barocke Kirche‘, die ja architektonisch Hierarchie baute, durcheinander. Viel war vom Heiligen Geist, von der Freude des Evangeliums und von Aufbrechen die Rede. Der spontane Beifall an mehreren Stellen war Ausdruck ehrlicher Freude und froher Erwartung.
Er wollte sich nicht vor Mikrophone und Kameras im Land vorstellen, sondern zuerst mit dem Volk Gottes im Gebet zusammenkommen.
Was erwartet aber den kommenden Bischof in Tirol sonst noch? Wohl nichts völlig Anderes als er in Graz erlebte und so kreativ gestaltete. Eine weltanschaulich plurale, kirchenskeptische und mit all den bekannten Einstellungen zu Kirche, Glaube und Religion geprägte Gesellschaft ebenso, wie traditionelle Bräuche, viele engagierte christliche Gruppen und die bekannten innerkirchlichen Differenzen, ja Grabenkämpfe. Und bei dem schon notorischen Priestermangel inszenieren viele sich selbst als eigener Bischof, nicht nur in Tirol. Und so mancher hofft auf die Zeit nach Papst Franziskus.
Prof. Dr. Roman A. Siebenrock lehrt an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck und ist Institutsleiter für Systematische Theologie. |
Die Besonderheit der Tiroler Situation scheint mir in der starken, ja einmaligen Verwicklung von Tradition und gegenwärtige Lebensrealität zu liegen.
Zwei Aspekte scheinen mir dafür besonders charakteristisch zu sein. Die traditionellen kirchlichen und politischen Inszenierungen dienten der oft mythologisch anmutenden Selbstvergewisserung einer homogenen katholischen Gesellschaft, die es heute schon längst nicht mehr gibt. Diese Selbstvergewisserung war und ist aber (zu) oft „rückwärts“ gedacht. Die Rede vom „Heiligen Land Tirol“ symbolisiert, wenn auch nur noch ironisiert, diese Bewegung. Sollte man diese Traditionen einfach abschaffen, wie oft empfohlen wird? Ich halte davon nichts. Was würde denn an deren Stelle treten; die üblichen farblosen Allerweltsformen öffentlicher Auftritte der durchgestylten Marketingwelt?
Auch liegt in diesen typisch Tiroler Traditionen eine anhaltende Quelle für soziales Engagement und Zusammenhalt.
Deshalb müssten die landesüblichen Feierlichkeiten, wie z.B. das Landesgelöbnis, schon längst auf die Pluralität dieser Gesellschaft hin geöffnet werden. Hier müsste sich die katholische Kirche klar positionieren; als wirklich katholisch; - nach vorne denken und mit ihrer Kreativität beispielhaft Pluralität und Gemeinsamkeit zu verbinden suchen.
Ansätze gibt es im Land, vielleicht hat bislang ein ‚Künstler‘ gefehlt.
Doch genau hier steht ihr die eigene Tradition im Wege. Als traditioneller religiöser Platzhirsch werden die Veränderungen der letzten Jahrzehnte im Tiefenbewusstsein als Kränkung empfunden, die zu jenem frommen Zynismus führt, der sich im den Wort ausdrückt: Der letzte macht das Licht aus. Als Platzhirsch, und darin liegt das eigentliche Problem, hat die Tiroler Kirche in der Vergangenheit nie werben müssen, aus Schwäche allein auf den Geist und das Wort vertrauen, eine Kultur der unvoreingenommenen Gastfreundschaft, die für alle Menschen offen ist, entwickeln. Sie war zu lang moralische Disziplinierungsanstalt. Sie war hoch missionarisch in anderen Ländern, im Land lebte sie von der Obrigkeit. Deshalb sind auch die vielen spirituellen Aufbrüche des letzten Jahrhunderts in ihrer Offenheit und Freiheit nie wirklich im Land angekommen.
Es gibt leider keine Orte wirklich spiritueller Ausstrahlungskraft; die Stifte stecken noch immer in der Pfarrei-Falle von Joseph II. und bieten deshalb keine wirkliche Alternative zur üblichen Pastoral. Dazu kommt, dass die Reklerikalisierung unserer Kirche vor Papst Franziskus die alten Muster neu verstärkte. Es gibt keine wirklichen Experimente alternativer Gemeindeleitung, ja Gemeindebildung.
Wie überall wird Gemeinde und Kirche von den verbliebenen Priestern her gedacht; oft gegen ihren Wunsch, weil damit das geistliche Profil des Amtes aufgerieben wird.
„Aufbrechen“ – das war das Motto anlässlich der 50-Jahr-Feier der Diözese. Mir scheint, dass nur der Heilige Geist via Rom unser Versprechen von damals ernst genommen hat.
Mit Hermann Glettler ist nun einer der spirituellen Aufbrüche des Jahrhunderts aus der Hauptstadt der Laizität, Paris, in Tirol angekommen.
Johannes Rauchenberger hat den Pfarrer aus Graz als wirklich katholisch beschrieben, als entgrenzend und aufschließend. „Katholisch“ das hieße einladend, bunt und verwirrend vielfältig, weil die Kirche alle Sprachen der Menschen lernen muss, innerhalb und außerhalb der Mauern. Auch die Kirche in Tirol ist schon längst multinational. Das wird ein toller Lernprozess, weil viele Menschen Kirche hier in ihrem Leben vor allem als eingrenzend und herrschaftlich erfahren haben. „Ich mach dich noch katholisch“, das war ja eine ziemlich gefährliche Drohung.
Glettler war entscheidend beteiligt am Motto der 800-Jahrfeier der Diözese Graz-Seckau: „Zukunft säen“. Die Kirche müsse ihre Zukunft sehen, meint er. Zukunft sehen und säen: welch eine Herausforderung, welch ein Projekt, ganz biblisch, ganz aus dem Herzen von Papst Franziskus! Das wird uns gut tun. Er wird uns gut tun. Allen im Lande!
Prof. Dr. Roman A. Siebenrock lehrt an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck und ist Leiter des Instituts für Systematische Theologie.
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