mein STAND.PUNKT
Mehr Leidenschaft
für die Schöpfung!
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Ein STAND.PUNKT von Dr. Michael Rosenberger
Etwas mehr als zwei Jahre sind vergangen, seit Papst Franziskus die Enzyklika "Laudato si" veröffentlicht hat. Zeit, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Was hat die Enzyklika in Österreich bewirkt?
In einer ersten Phase gab es einen breiten Schwung von Vorträgen und Bildungsveranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Arbeitshilfen. Das Interesse war groß, weil hier zum ersten Mal eine Enzyklika in einer Sprache geschrieben wurde, die durchschnittlich gebildete Menschen verstehen können.
In einer zweiten Phase bemühen sich die österreichischen Diözesen darum, die Impulse von "Laudato si" in strukturelle Veränderungen zu übersetzen. Das Handeln der Kirche selbst soll schöpfungsverträglicher gestaltet werden. Vor allem drei Ziele werden dabei verfolgt:
Unser Autor: Prof. Michael Rosenberger |
Umwelt-Leitlinien zu formulieren, an denen sich das gesamte Handeln der Diözese ausrichtet.
Eine Klima- und Energiestrategie zu entwickeln, die zu deutlich messbaren Reduktionen des Energieverbrauchs und der klimarelevanten Emissionen führt.
Und eine ökosoziale Beschaffungsordnung zu etablieren, die den Konsum der Diözese nach ökologischen und sozialen Kriterien gestaltet.
Noch sind nicht alle Prozesse abgeschlossen, aber sie sind zumindest in den meisten Diözesen auf dem Weg. Freilich müssen sie am Ende daran gemessen werden, was sich tatsächlich ändert.
Eines aber vermisse ich noch fast zur Gänze – nämlich die Einlösung dessen, was für Papst Franziskus das eigentliche Ziel seiner Enzyklika ist. Dazu schreibt er:
„Das Ziel ist … das, was der Welt widerfährt, schmerzlich zur Kenntnis zu nehmen, zu wagen, es in persönliches Leiden zu verwandeln“ (LS 19) und „eine Leidenschaft für den Umweltschutz zu fördern.“ (LS 216) Diese Leidenschaft erlebe ich in der Kirche nach "Laudato si" ebenso wenig wie vorher.
Ein Beispiel: In diesem Sommer gab es in österreichischen Kirchenzeitungen eine leidenschaftliche Leserbriefdebatte über die Kommunionspendung in Wortgottesdiensten. Das ist einerseits erfreulich, weil es zeigt, dass vielen Menschen die Eucharistie am Herzen liegt. Andererseits ist es eine höchst egozentrische Debatte: Man diskutiert über das eigene Leiden, nicht über das anderer. Wann haben wir in der Kirche je eine vergleichbare Debatte über eines der großen Umweltprobleme gehabt?
Hier fehlt uns die Leidenschaft. An der Kirchenbasis genauso wie an der Spitze.
Unsere Schwester und Mutter Erde "schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr … zufügen" (LS 2), "mit einer Klage, die von uns einen Kurswechsel verlangt." (LS 53) Es ist an der Zeit, dass wir uns anstecken lassen von der Leidenschaft des Papstes für die geschundene Schöpfung.
Dr. Michael Rosenberger ist ein römisch-katholischer Priester und Professor der Moraltheologie an der Katholischen Privatuniversität Linz.
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