mein STAND.PUNKT zur NR-Wahl
Wir brauchen keine politischen Erlöser!
mein STAND.PUNKT zur NR-Wahl
Wir brauchen keine politischen Erlöser!
Ein STAND.PUNKT von Mag. Josef Pumberger
"Ich weiß nicht, wen ich diesmal wählen soll" – dieser Ausdruck einer gewissen Ratlosigkeit ist im Blick auf den 15. Oktober auch unter Christinnen und Christen vermehrt zu hören. Ein Phänomen, das der Theologe Paul Zulehner jüngst mit den Worten beschrieben hat: "Nicht wenige Christen werden politisch heimatlos."
In dieser Situation könnte ja vielleicht ein Blick in die Bibel helfen, genauer ein Blick auf die Lesungen aus der Heiligen Schrift, die am Wahlsonntag in den Gottesdiensten zu hören sein werden. Die katholische Leseordnung bietet da etwa an eine Stelle aus dem Propheten Jesaja (Jes 25,6-8a): Gott wird
auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen, mit besten, erlesenen Weinen. Er zerreißt auf diesem Berg die Hülle, die alle Nationen verhüllt, und die Decke, die alle Völker bedeckt. Er beseitigt den Tod für immer. Gott, der Herr, wischt die Tränen ab von jedem Gesicht.
Klingt ja fast wie eine Wahlrede, nur besser. Die Verse beschreiben und versprechen eine paradiesische Endzeit, die Gott allen bereithält. Ganz so dick tragen unsere Parteien nicht auf, aber wer Partei- und Wahlprogramme liest, dem wird auch fast alles versprochen. Da aber die meisten Wahlberechtigten solche Programme nicht lesen, müssen im Wahlkampf griffige Slogans her. Leider fallen diese, literarisch wie inhaltlich betrachtet, selten so eindrücklich und überzeugend aus wie die oben zitierten Bibelverse.
Unser Autor: Mag. Josef Pumberger, Generalsekretär der Katholischen Aktion Österreich
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Einige Beispiele:
"Holen Sie sich, was Ihnen zusteht"
... warum eigentlich selber holen, warum keine Gratiszustellung?
"Fairness, Freiheit, Fortschritt"
... aber nur für Österreicher; Gott erscheint da wesentlich großzügiger
"Zusammen. Neue Wege gehen"
... liest sich wie eine Einladung zu einem Wandertag; Mittelmeer- und Balkanroute allerdings ausgeschlossen
"Sei ein Mann, wähl eine Frau"
... gilt nur für die Wahlzelle, nicht für Sexualität und Partnerschaft
"Ja, es geht!"
... klingt eher nach Erleichterung denn nach Euphorie.
Diese Slogans sind harmlos, aber ein – leider viel zu oft wirksames – Mittel in Wahlkämpfen ist das Aufmalen eines einzigen Sündenbocks, dessen Beseitigung – so das Versprechen - das Land "erlösen" wird. Zur Auswahl stehen: Liberalismus, Kapitalismus, Sozialismus, Religion, überbordende Bürokratie oder Steuerlast, Demokratie, die EU, freier Handel, Dieselautos und einiges mehr.
Von der Erklärung gegenwärtiger Krisen durch ein einziges Phänomen ist es nicht weit zur Hetze gegen einzelne Menschengruppen (Zuwanderer, Juden, Muslime, Schwarzafrikaner u.a.). Spätestens hier müssten bei jedem Christen, jeder Christin die Alarmglocken schrillen – und die Wahl mancher Parteien bzw. Personen sollte ihnen von vorneherein unmöglich erscheinen.
Der christliche Glaube kennt nicht nur die Visionen vom endzeitlichen Paradies, er kennt auch die Grundlagen einer menschlichen und gerechten Gesellschaft hier und jetzt; und er verbietet, das eine mit dem anderen zu vertauschen. Die Erlösung liegt nicht in unseren Händen. Die vollkommene Gesellschaft wird es auf Erden nicht geben, auch eine Partei oder ein politischer Messias werden sie nicht bewerkstelligen. Jeder solche Versuch endet in Gewalt, Terror und Tod. Der Islamismus ist dafür das jüngste, aber nur eines von vielen Beispielen.
Damit zurück zur Frage, wen man wählen kann oder soll: Spätestens am Tag nach der Nationalratswahl werden uns die Mühen der Ebene der Tagespolitik wieder einholen. Dann ist es wieder vorbei mit den einfachen Lösungen und den schnellen Erfolgen. Verhandlungen, Rücksicht auf und Abwägen von Interessen, Kompromisse übernehmen wieder das Ruder. Der Blick in die politische Gegenwart mancher Länder – Russland, Türkei, USA, Ungarn, Polen etc. - lehrt, dass dies nicht das Schlechteste sein muss. Vor der Kulisse machthungriger Autokraten kann man sich PolitikerInnen, die die Langmut für das Ringen um Lösungen haben, die reden und verhandeln und den Ausgleich suchen, tatsächlich wünschen.
Um zu verhindern, dass anstelle eines redlichen Ausgleichs phantasie- und prinzipienlose Klientelpolitik tritt, braucht es Bürger und zivilgesellschaftliche Einrichtungen, die die Politik kritisch begleiten. Kirchliche und kirchennahe Organisationen, unter ihnen die Katholische Aktion, sehen darin eine ihrer wichtigen Aufgaben. Dieses Engagement ist nicht minder wichtig wie die Entscheidung in der Wahlzelle.
Mag. Josef Pumberger ist Generalsekretär der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ)
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