Kommentar zur Kirchenstatistik
Pastoral alarmierende Demutsübung
Kommentar zur Kirchenstatistik
Pastoral alarmierende Demutsübung
Ein STAND.PUNKT von Prof. Johann Pock
Kirchenstatistiken stellen seit vielen Jahren eine Demutsübung der Katholischen Kirche in Österreich dar. Und kaum eine andere Organisation macht in solcher Regelmäßigkeit auch negative Trends öffentlich. Denn fast alle Zahlen zeigen eine langsame, aber stetige Verkleinerung der Römisch-Katholischen Kirche. Gleichzeitig sagt diese Statistik sehr wenig aus über das, was an konkreter seelsorglicher Arbeit geschieht, weshalb es gut ist, hinter die Zahlen zu blicken.
Denn die Faktoren für die Änderung sind vielfältig: Einerseits sind es natürlich Kirchenaustritte aus unterschiedlichen Gründen; hier spielen in den letzten Jahren sicher die Missbrauchsfälle und ihr Umgang damit eine große Rolle, aber auch Haltungen der Kirche in Fragen von Sexualmoral etc.
Eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielen aber demographische Faktoren – also die Veränderungen in der Bevölkerung durch mehr Todesfälle als Geburten; durch Zuzug und Wegzug bzw. Migration.
Die relativen Zahlen, ein Rückgang von 1,6%, scheinen nicht so alarmierend zu sein; in absoluten Zahlen ist es immerhin aber doch eine Kleinstadt von ca. 72.000 Personen (was die siebentgrößte Stadt in Österreich wäre, nach Klagenfurt).
Der massive Rückgang bei den Sakramentenspendungen ist sicherlich pandemiebedingt. Zu befürchten ist jedoch, dass viele dieser verschobenen Taufen und Trauungen (da war es ja nur mehr 1/3 der Vorjahreszahl) nicht mehr nachgeholt werden. Dass weiterhin die Kirche in ihrer Kompetenz des rituellen Begleitens am Lebensende bzw. beim Begräbnis angefragt ist, zeigt das hohe Vertrauen der Menschen in diesen Dienst. Ich sehe daher den Ausfall von vielen rituellen Begleitungen der Menschen in den vergangenen Jahren im Umfeld von Geburt und Lebenswenden als sehr dramatisch an im Blick auf die Akzeptanz kirchlicher Kompetenz zur Lebensbegleitung in den kommenden Jahren.
Prof. Johann Pock, Universität Wien
Sehr erfreulich ist, dass sich seit einigen Jahren in der Statistik nun auch die hauptamtlichen Laien in der Seelsorge finden. Ihre Zahl hat in den letzten Jahren stetig zugenommen, mit doppelt so vielen Frauen wie Männern. Dass Laien nun nicht mehr nur unter dem Aspekt der Kirchenmitgliedschaft statistisch aufscheinen, sondern auch in ihren vielfältigen Leitungs- und Seelsorgeaufgaben, verändert auf Dauer auch die Wahrnehmung der Kirche.
So wichtig für eine Organisation solche Zahlen sind, so trügerisch kann jedoch auch der Blick darauf sein, da sie nicht das konkrete kirchliche Handeln und die seelsorgliche Situation abbilden. Eine große Anzahl von Priestern garantiert noch nicht eine lebendige Kirche oder gelingende Seelsorge. Und es sollte auch kein „Ranking“ von Diözesen oder Bischöfen sein, bei wem jetzt die Zahlen besser oder schlechter sind.
Zugleich können vor Ort, in den Diözesen, durch eine solche Statistik sehr wohl Anstöße gegeben werden, die eigenen seelsorglichen Schwerpunkte und Strukturen immer wieder hinterfragen zu lassen und entsprechend der veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auch die eigenen Strukturen und Handlungsweisen zu verändern.
Prof. Dr. Johann Pock lehrt Praktische Theologie und ist Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
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