mein STAND.PUNKT
Der Geist weht
wo Sie will...
mein STAND.PUNKT
Der Geist weht
wo Sie will...
Ein STAND.PUNKT von Dr. Georg Plank
Wer in der deutschsprachigen Kirchenwelt zu viel vom Heiligen Geist redet, wird schnell in die charismatisch/evangelikale Schublade gesteckt. Die Abwehr pfingstlerischer Formen von Kirche lässt viele übersehen, dass die Ausgießung des Heiligen Geistes nicht nur am Beginn von Kirche relevant war, sondern durch ihre ganze Geschichte und Gegenwart jene Energie Gottes benennt, die Kirche im Sinne Jesu Christi überhaupt ermöglicht. "Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?", fragt Paulus die Korinther, nachdem er intensiv ausgeführt hat, dass die Verkündigung des Gottesreichs nur durch den Geist möglich ist, der "alles ergründet, auch die Tiefen Gottes".
Die stiefmütterliche Behandlung des Pfingstfestes und die Vernachlässigung der dritten Person des dreieinen Gottes korreliert mit konkreten Formen von Innovationsverweigerung, die ich in diesem Stand.Punkt benennen möchte.
Diktatur des Mittelmaßes
Vor Jahren hat der Chef eines bedeutenden Beratungsunternehmens auf die Frage, was kirchliche Organisationen von Privatunternehmen unterscheide, drei Punkte benannt: 1. Die Kirche leiste sich schlechte Führungskräfte, 2. sie habe eine hohe Misstrauenskultur und 3. sie gebe sich vorschnell mit Mittelmaß zufrieden.
Wie jede Generaldiagnostik mag auch diese Einschätzung im Einzelfall unfair sein, aber sie deckt sich mit meiner Beobachtung, dass exzellentes Verhalten eher Neid und Missgunst auslöst als den Impuls, selber besser werden zu wollen. Ich nehme unglaublich viele handwerkliche Fehler und qualitativ unverzeihliche Defizite wahr, die ohne Folgen bleiben. Niemand sagt etwas, weil man ja keinen verletzen möchte. Niemand bietet Unterstützung zur Verbesserung an, weil man kann ja eh nichts machen. Wirklich guten Leuten wird Perfektionismus oder Selbstdarstellung unterstellt, weil so das eigene Mittelmaß nicht in Frage gestellt wird.
Geisterfüllte Menschen freuen sich über die Erfolge von anderen. Sie wissen, dass "weder der etwas ist, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen lässt." (1 Kor 3,7) und dass "beide am gleichen Werk arbeiten". Sie wissen, dass die Verkündigung des Reiches Gottes durch Wort und noch bedeutender, durch Taten, unseren besten Einsatz verdient. Daher streben sie nach Exzellenz, denn "jeder erhält seinen besonderen Lohn, je nach der Mühe, die er aufgewendet hat." (1 Kor 3,9)
Vom Behaupten zum Erleben
Dass Ideal und Wirklichkeit auseinanderklaffen, ist unvermeidbar. Entscheidend ist, wie ehrlich man mit solchen Diskrepanzen umgeht. Alle Pfarren behaupten: "Wir sind offen für alle, bei uns ist jeder willkommen!" In vielen Pastoralplänen heißt es: "Wir gehen vom Leben der Menschen aus".
Überall wird gepredigt: "Christen sind gegen jegliche Diskriminierung". Wer mit gebildeten jungen Frauen, mit UnternehmerInnen, mit homosexuellen Menschen, mit jugendlich Suchenden oder mit Unterprivilegierten redet, erntet mit solchen Behauptungen ein müdes Lächeln oder offene Aggression. Denn das gebetsmühlenartig wiederholte Behaupten und moralinsaure Appellieren deckt sich nicht mit den Erfahrungen vieler Menschen.
Der Geist Gottes verwandelt Behauptungskultur in eine Erlebniskultur. Menschen erfahren am eigenen Leib, dass sie getröstet und befreit werden, dass sie die Begegnung mit geistbewegten Menschen stärkt und ihnen Orientierung gibt. Sie erleben heute, was Menschen aus allen Gegenden und Milieus damals erlebten, als sie mit Jesus in Berührung kamen.
Kultur vor Struktur
Mein aktueller Forschungsschwerpunkt sind "neue Organisationen". Wie können Organisationen jeglicher Couleur angesichts zunehmender Komplexität so gestaltet werden, dass sie Herausforderungen möglichst gut begegnen können? Wie können Strukturen ihre Botschaft und ihre "mission" glaubhaft verkörpern statt sie zu konterkarieren? Wie kann die individuelle lebenslange Entwicklung von Menschen mit dem Konzept einer "lernenden Organisation" Hand in Hand gehen? Es ist faszinierend, was sich in diesem Bereich weltweit tut! Richtig geraten: vorrangig in weltlichen Bereichen, ob non-profit oder unternehmerisch.
Meine Empfehlung angesichts aktueller Strukturentwicklungsprozesse ist, sich vorrangig mit der Frage der Kultur zu beschäftigen. Was sollen Menschen erleben, die mit Kirche – egal an welchem Handlungsort – in Berührung kommen? Was kennzeichnet eine solche Kultur und wie kann sie aufgebaut und gestützt werden? Wo gibt es konterproduktives Verhalten, Gewohnheiten oder Regelungen, die geändert werden müssen.
Ich erlebe bei der Lektüre dieser neuen Ansätze, in der Begegnung mit innovativen Firmen und bei einschlägigen Konferenzen oft intensiv den Geist, der für mich der Heilige ist – oft viel intensiver als bei kirchlichen Veranstaltungen. Der Geist weht, wo sie will.
Dr. Georg Plank ist Pastoraltheologe und Gründer des Instituts für Pastoralinnovation (www.pastoralinnovation.at)
|