mein STAND.PUNKT
Halloween versus Allerheiligen?
mein STAND.PUNKT
Halloween versus Allerheiligen?
Ein STAND.PUNKT von Dompfarrer Toni Faber
Am Vorabend von Allerheiligen ist die Innenstadt von schaurig kostümierten Gestalten bevölkert und die Lokale sind zum Bersten voll mit feucht-fröhlich-feiernden Menschen. Ist uns unser so schönes christliches Fest Allerheiligen einfach entglitten und weggenommen worden? Hat es sich in blinden Klamauk und angetrunkenes Gejohle verwandelt?
Feiert man Allerheiligen und Allerseelen im Stephansdom mit – gestaltet mit festlicher Kirchenmusik und unzähligen Gläubigen – hat man diesen Eindruck nicht. Jedes Jahr packt mich das wuchtige "Dies irae" aus Mozarts Requiem aufs Neue:
Eindrücklich werden wir an unsere Sterblichkeit erinnert, an die richtend-aufrichtende Gegenwart Gottes am Ende unserer Tage und an seine überragende Tat der Barmherzigkeit, durch seine liebende Hingabe am Kreuz all unser Versagen zu tilgen.
Allerheiligen ist das Fest menschlicher Größe in Verbindung mit göttlichen Kräften. Hat man früher Heiligenbiografien unmenschlich perfekt gezeichnet, nimmt man heute die Unfähigkeiten, Zweifel und Fehltritte der Heiliggesprochenen mindestens genauso ernst. Denn kein Mensch auf Erden ist sünden- und fehlerlos. Die Lebensgeschichten Heiliger sind Ermutigungen für unser eigenes Leben: Auch wir können ein endgültig gelingendes Leben führen! Wir können immer wieder neu beginnen! Es ist gut, sich des eigenen Endes bewusst zu sein, um dem Leben Sinn und Ausrichtung zu geben.
Carpe diem! Wenn ich die maskierten Menschen sehe, angetrunkenen Gestalten begegne, einfach die Menge an "Halloween"-Partygänger auf mich wirken lasse, komme ich zum Nachdenken: Vielleicht ist all das ein Hilfsmittel für die Menschen, die Angst vor dem Tod haben, die sich nur auf diese Weise mit der Sterblichkeit ihres eigenen Lebens und des Lebens ihrer Lieben auseinander setzen können. Mag sein, dass die Jagd nach dem Lebensglück manchmal dieses extreme Ventil braucht, um das, was sich in der Tiefe der Seele meldet, überdecken zu können. Manche können sich diesen Fragen nie stellen, manche früher, manche später.
Es liegt auch an uns, Wert und Größe menschlichen Lebens bewusst zu machen. Und natürlich selbst zu leben. Denke an das Ende und nutze (deshalb) den Tag: Memento mori, carpe diem!
Die Freude am Leben geht immer auch einher mit dem Wissen um Schmerz, Leid und Tod. Doch bleibt uns der Blick in den Himmel, zu dem wir an Allerheiligen eingeladen sind.
Gestärkt von dieser Hoffnung nach Gelingen und göttlicher Stärkung fällt uns an Allerseelen auch die Hoffnung auf ein trostvolles Ende des menschlichen Lebens leichter.
Toni Faber ist seit 1999 Dompfarrer der Dompfarre St. Stephan.
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