Finanzanlagen als Kooperation
Finanzanlagen als Kooperation
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Richtlinie Ethische Geldanlagen der Österreichischen Bischofskonferenz und der Ordensgemeinschaften Österreich
(Kurzname FinAnKo)
„Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.“ (Mt 6,33)
Diese Richtlinie richtet sich zunächst an alle Einrichtungen der römisch-katholischen Kirche in Österreich und zielt auf eine flächendeckende Verbindlichkeit für alle Diözesen, Ordensgemeinschaften, Pfarren und sonstigen kirchlichen Rechtsträgern. Sofern diese in Geldfragen einem Bischof unterstehen, ist die Richtlinie für sie verbindlich. Den österreichischen Ordensgemeinschaften wird von der Ordenskonferenz dringend nahegelegt, sie für ihren Bereich als verbindlich in Kraft zu setzen. Anderen InvestorInnen sowie den Finanzdienstleister und Finanzdienstleisterinnen ist die Richtlinie zur Orientierung und zur eigenen Reflexion empfohlen.
Inhalt
1. Der Gerechtigkeit den Vorrang geben. Theologisch-ethische Grundlegung
2. Die Wirtschaftlichkeit sichern. Ökonomische Grundlegung
2.1 Ziele und Wirkung der Geldanlage
2.2 Anlagerichtlinien und Finanzinstrumente
2.3 Zusammenarbeit mit Banken und Vermögensverwaltungen
3. Wirtschaft, die Mensch und Schöpfung dient. Zur Verbindung von Ökonomie und Ethik
4. Geschlossen auftreten. Zu Motivation und Verbindlichkeit dieser Richtlinie
5. Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Handlungsfelder für ethisches Investieren
6. Positionieren – Stimulieren – Transformieren. Prinzipien ethischer Investments
7. Ständige Kommission FinAnKo
Allgemeine Erläuterungen zu den Ausschlusskriterien
Erläuterungen zu den einzelnen Kriterien
Erläuterungen zu 6. Engagement
1. Der Gerechtigkeit den Vorrang geben.
Theologisch-ethische Grundlegung
Die Kirche hat durch Jesus Christus eine Sendung empfangen, die zahllose Aufgaben umfasst. Diese ruhen auf einer materiellen Basis - sei es um den Betrieb und Erhalt der Einrichtungen und Werke zu garantieren, sei es um die Pensions- und Versorgungsverpflichtungen für Priester und Ordensleute sicherzustellen. Die Kirche braucht also Geld und muss dieses dauerhaft zur Verfügung stellen können. Daher muss sie Vermögen erwerben, besitzen, verwalten und veräußern können. Dieses Vermögen ist kein Selbstzweck. Es soll jenen Aufgaben dienen, die Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern aufgetragen hat. Daher hält die Kirche an Geld und Besitz nicht ängstlich fest und hortet sie nicht, sondern setzt ihr Vermögen in aller Freiheit ein, um ihre Aufgaben zu verwirklichen. Die Höhe der Rücklagen und Veranlagungen von Geldern muss sich folglich an den Verpflichtungen orientieren, die die Kirche eingegangen ist. Zugleich ist kirchliches Vermögen immer zweckgebunden. Bei einem Wechsel der Anlageform ist daher die ursprüngliche Zweckwidmung zu beachten.
Die Anlage von Geld ist nicht ethisch neutral. "Das Kaufen ist nicht nur ein wirtschaftlicher Akt, sondern immer auch eine moralische Handlung." (Papst Franziskus, Enzyklika Laudato si Nr. 206, zitiert Papst Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate Nr. 66). Vermögen schafft nicht nur die ökonomische Grundlage für Institutionen und Menschen, sondern vermittelt auch Einfluss auf die Strukturen einer Gesellschaft. Weil man mit ihm etwas vermag, besteht die Verpflichtung, mit dieser Fähigkeit verantwortungsvoll umzugehen. Die Geldanlage ist ein wichtiger Hebel für die Steuerung wirtschaftlicher Prozesse und für systemische Veränderungen.
Wo immer die Kirche Geld anlegt, bejaht und unterstützt sie die Institutionen, denen sie das Geld für ihre Aktivitäten zur Verfügung stellt. Sie arbeitet mit ihnen zusammen. Damit wird sie mitverantwortlich für das, was diese Institutionen tun - wohl wissend, dass es nur in seltenen Fällen möglich sein wird, jede einzelne ihrer Aktivitäten uneingeschränkt gutzuheißen. Das ist der Kern der fast 500 Jahre alten moraltheologischen Lehre von der "cooperatio ad malum", der Mitwirkung zum Bösen. In der beginnenden Neuzeit und ihrer aufblühenden Wirtschaft versucht diese Lehre, Chancen und Grenzen der Kooperation aufzuzeigen und zu begründen. Ihre sehr lebensnahen Beispiele und die daraus entwickelten Kriterien sind bis heute ein hilfreicher Maßstab für die ethische Urteilsbildung. Während es im 16. und 17. Jahrhundert aber vorwiegend um die Kooperation zwischen einzelnen Menschen ging, steht heute vor allem die Frage nach der Kooperation von Institutionen im Raum: Wie weit kann und soll die Institution Kirche ihr Geld Staaten, Unternehmen und Projekten anvertrauen, wenn sie dies guten Gewissens tun will?
Die Lehre unterscheidet grundsätzlich zwischen formaler und materialer Kooperation. Eine formale Kooperation zum Bösen liegt vor, wenn die Geldanlage als implizite oder sogar explizite Zustimmung zu einem ethisch abzulehnenden Tun des investierten Unternehmens oder der öffentlichen Einrichtung verstanden werden muss. Hier geht es also vorrangig um die kommunikative Wirkung. Das Verbot der formalen Kooperation zum Bösen dient der Sicherung der eigenen Glaubwürdigkeit und Vorbildfunktion. Diese Überlegung steht im Wesentlichen hinter den Ausschlusskriterien, die daher unter der Überschrift "Positionieren" präsentiert werden (s.u. Kapitel 6.1). Die vorrangige Frage ist dabei nicht, ob das Investment die verwerfliche Haupthandlung effektiv fördert oder ermöglicht, sondern ob man es kommunikativ verantworten kann, mit dem Investieren in die verwerfliche Haupthandlung Geld zu verdienen.
Im Unterschied dazu geht es bei der materialen Kooperation um deren "physische" Wirkungen. Die Investition will ein ethisch gutes Ziel erreichen wie zum Beispiel die Erwirtschaftung einer Anlegerrendite zur Erfüllung kirchlicher Aufgaben und Verpflichtungen, hat aber negative "Nebenwirkungen" wie zum Beispiel die Produktion ökologisch und sozial schädlicher Produkte oder die Herstellung von Produkten auf ökologisch und sozial schädliche Weise. Prinzipiell ist die Erlaubtheit einer derartigen Kooperation denkbar. Weil sie aber zu einer verwerflichen Handlung in Beziehung steht, muss diese Beziehung eigens geprüft werden. Die klassische Lehre bestimmt dafür vor allem das Verhältnis zwischen dem intendierten Nutzen und dem nicht intendierten Schaden. Überwiegt der Nutzen den Schaden eindeutig, kann die materiale Kooperation legitim sein, andernfalls nicht. Dabei spielen Nähe, Unmittelbarkeit und Notwendigkeit der Investition eine Rolle: Je näher, unmittelbarer und notwendiger eine kirchliche Investition für eine investierte Institution ist (etwa im Falle einer Direktbeteiligung an einem Unternehmen oder einer Immobilie), umso gewichtiger müssen die guten Ziele sein, um negative Nebenwirkungen dieser Investition zu rechtfertigen. Im Rahmen ethischer Geldanlagen gibt es mehrere Strategien für einen solchen Schaden-Nutzen-Vergleich. Dazu gehören unter anderem der Best-in-Class-Ansatz, der das Schaden-Nutzen-Verhältnis in Relation zum Durchschnitt einer Branche setzt, und der Best-in-Progress-Ansatz, der Verbesserungen des Schaden-Nutzen-Verhältnisses als Bewertungsgrundlage heranzieht. In der Richtlinie werden solche Strategien unter der Überschrift "Stimulieren" diskutiert (s.u. Kapitel 6.2).
Die Ausführungen zur formalen Kooperation könnten den Eindruck erwecken, es ginge der Lehre von der Mitwirkung zum Bösen vorwiegend um die Verhinderung wirtschaftlicher Kooperationen. Das Gegenteil ist der Fall. Denn schon im 16. Jahrhundert sah man sehr klar, dass kein ökonomisches Handeln eine blütenweiße Weste ermöglicht. Irgendwo sind immer negative Nebenfolgen abzusehen. Es gilt, diese zu minimieren, sie lassen sich aber nie völlig ausschließen. Außerdem erkannte man, dass Kooperationen in der Mehrzahl der Fälle sogar "Kooperationen zum Guten" sind und wünschenswerte Wirkungen zeitigen. Genau darauf zielen die Regeln zur materialen Kooperation.
Über die klassische Lehre der Kooperation hinaus geht der dritte Schritt ethischer Investments, das "Transformieren" (s.u. Kapitel 6.3). Hier werden strategisch gezielt Möglichkeiten genutzt, Einfluss auf das Handeln eines wirtschaftlichen Akteurs auszuüben. Eine derartige Einflussnahme hat viele Voraussetzungen, die in der beginnenden Neuzeit noch nicht gegeben waren. Heute gewinnt sie jedoch zunehmend an Bedeutung.
Wer Geld anlegt, kann und soll Entwicklungen zum Guten initiieren und fördern. "Das Geld muss dienen und nicht regieren!" (Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium Nr. 58). Die hier vorgelegte Richtlinie bewegt sich ganz in der Linie der moraltheologischen Tradition, wenn sie eine Verbindung von Positiv- und Negativstrategien herstellt. Damit folgt sie der Einladung von Papst Franziskus, "nach einem anderen Verständnis von Wirtschaft und Fortschritt zu suchen" (Papst Franziskus, Enzyklika Laudato si Nr. 16).
2. Die Wirtschaftlichkeit sichern. Ökonomische Grundlegung
2.1 Ziele und Wirkung der Geldanlage
Kirchliches Vermögen ist zweckgebunden und dient der Erfüllung der vielfältigen kirchlichen Aufgaben. Es ist daher mit Blick auf diese Aufgaben anzulegen. Geht es um das Vorhalten von Liquidität zur Abdeckung bereits absehbarer Verbindlichkeiten, so beschränkt sich diese Teilnahme in der Regel auf Einlagen bei Banken. Geht es aber um den Aufbau von Rücklagen für weiter in der Zukunft liegende Verpflichtungen, so verlängert sich auch der Anlagehorizont und vergrößert sich die Anzahl geeigneter Strategien und Instrumente der Kapitalanlage. Die Kirche tritt dann als Anbieterin von Kapital am Finanzmarkt in Erscheinung. Diejenigen, die Kapital benötigen und nachfragen, können bei Banken Kredite oder am Kapitalmarkt Eigen- und Fremdkapital aufnehmen. Ein Staat oder ein Unternehmen begibt eine Anleihe, die von Anlegerinnen und Anlegern im Primärmarkt direkt oder indirekt beispielsweise über einen Investmentfonds gezeichnet wird. Oder ein Unternehmen, das sein Eigenkapital stärken will, macht eine Kapitalerhöhung, und die Anlegerinnen und Anleger erwerben die Aktien direkt oder indirekt. Damit fließen diesen Emittenten Mittel zu. In der Mehrzahl der Fälle sind Anlegerinnen und Anleger aber im Sekundärmarkt aktiv, wo bereits im Markt gehandelte Aktien und Anleihen gekauft und verkauft werden. In diesem Fall findet der Tausch Kapital gegen Aktie oder Anleihe nicht mehr mit dem Emittenten statt, sondern mit einem anderen Marktteilnehmer. Indirekt profitiert dennoch auch der Emittent von der Nachfrage, denn ein steigender Aktienkurs erhöht seinen Marktwert und damit die Chance, bei einer neuerlichen Emission einen höheren Ausgabekurs erzielen zu können. Dasselbe gilt für die Anleihe - eine starke Nachfrage lässt den Kurs steigen und die Rendite sinken, sodass bei einer neuerlichen Emission ein niedriger Zinssatz erzielt werden kann. Dazu kommen weitere Effekte wie etwa Auswirkungen auf das Image eines Unternehmens. Unternehmen, die wegen ihrer schlechten ökologischen oder sozialen Performance von Anlegerinnen und Anlegern gemieden werden, müssen sich diesbezüglich auch gegenüber anderen Stakeholdern - vor allem ihren Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - rechtfertigen. Das heißt, die Anlageentscheidung kann einen direkten oder indirekten Effekt beim Emittenten zur Folge haben. Die Kirche als Anlegerin kann damit Einfluss darauf nehmen, wie Unternehmen wirtschaften.
Wie jede andere Anlegerin steht die Kirche bei der Auswahl von Anlageinstrumenten vor der Herausforderung des "magischen Dreiecks" Rendite, Risiko und Liquidität und den damit verbundenen Zielkonflikten: Die Rendite soll zumindest den realen Werterhalt ermöglichen, das Risiko soll vertretbar und die rasche Verfügbarkeit des angelegten Kapitals gegeben sein. Bei der Auflösung solcher Zielkonflikte agiert die Kirche risikoavers, besteht das oberste Ziel der Kapitalanlage doch im Werterhalt des angelegten Kapitals. Hier unterscheidet sich die Kirche als Anlegerin nicht von vielen anderen Investierenden. Hingegen liegt ein Unterschied darin, dass die Kirche sich dessen bewusst ist, dass sie mit ihren Geldanlagen sowohl Zeichen setzen als auch Wirkungen entfalten kann. Dementsprechend will sie zu Verbesserungen in Gesellschaft und Umwelt beitragen. Die Ergänzung der rein finanzwirtschaftlichen Anlagegrundsätze durch jene einer ethisch-nachhaltigen Geldanlage zeichnet demnach kirchliche Geldanlagen aus. Mehr noch: Für die Kirche ist klar, dass die Erwirtschaftung einer finanziellen Rendite nicht zulasten von Mensch und Umwelt erfolgen darf. Dass eine prioritäre Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien nicht automatisch zu einer geringeren Rendite, einem erhöhten Risiko oder einer reduzierten Liquidität führt und damit die Wirtschaftlichkeit der ethisch-nachhaltigen Geldanlage gesichert ist, belegen mittlerweile zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen.
2.2 Anlagerichtlinien und Finanzinstrumente
§ 1284 des Codex Juris Canonici besagt, dass kirchliche Verwalterinnen und Verwalter ihr Amt mit der Sorgfalt eines guten Hausvaters zu führen haben. Weitere in diesem Paragrafen enthaltenen spezielle Vorschriften (wohlgeordnete Bücher, Rechenschaftsberichte, geordnete Dokumente usw.) legen nahe, dass die Verantwortlichen für die kirchliche Geldanlage so wie andere institutionelle Anlegerinnen auch Regeln festlegen sollten, nach denen diese Sorgfalt gelebt und abgesichert werden kann. Eine solche Richtlinie umfasst typischerweise folgende Punkte: Anlagestrategie, Anlageziele, Portfoliostruktur (z.B. zugelassene Anlageklassen, Instrumente und Beschränkungen), Risikomanagement und ethisch nachhaltige Kriterien.
In den meisten Fällen ist nicht das ausgewählte Veranlagungsinstrument per se ethisch vertretbar oder nicht, sondern es kommt darauf an, wofür es eingesetzt wird. Daher ist zuerst auf die ethische Qualifikation der Anlageobjekte abzustellen. Eigen- und Fremdkapitalbeteiligungen (v.a. Aktien und Anleihen) müssen nach den in dieser Richtlinie definierten ethischen Gesichtspunkten bewertet werden. Bei Publikums-Investmentfonds ist darauf zu achten, ob im Investmentprozess auf die gewünschten ethischen Kriterien geachtet wird. Vertretbar sind demnach nur Investitionen in Fonds, die in rechtlich verbindlichen Dokumenten (Fondsbestimmungen, Prospekt, wichtige Anlegerinformationen etc.) klare ethische Kriterien zusichern und deren Einhaltung nachvollziehbar machen. Aussagen, die lediglich werblicher oder unverbindlicher Natur sind, können nicht berücksichtigt werden. Fonds, die ein Gütesiegel tragen, haben sich zwar einem bestimmten Zertifizierungsprozess unterworfen, der aber nicht zwangsläufig all jene Kriterien erfüllt, die für die österreichische Kirche wesentlich sind.
Dies gilt auch für Indexprodukte. Der passive Investmentstil zielt darauf ab, breit gestreute standardisierte Portfolios ("Baskets" oder Indices) anstelle von bewusst ("aktiv") zusammengestellten Portfolios zu kaufen. Gegenüber Fonds dient diese Strategie sowohl der zusätzlichen Risikostreuung als auch der Kostenreduktion. Gängige Erscheinungsformen sind börsengehandelte Investmentfonds, Exchange Traded Funds (ETFs). Die Gewichtung von Indizes kann üblicherweise nicht vom einzelnen Investor beeinflusst werden. Daher ist darauf zu achten, dass im Index zumindest alle Ausschlusskriterien der Ethikrichtlinie umgesetzt sind. Andere Techniken, die den Gemeinnutzen einer Geldanlage steigern sollen (z.B. Positivkriterien, Best-in Class), sind bei Indexprodukten nur eingeschränkt anwendbar. Indexprodukte zur Absicherung gegenüber den Risiken einer Geldanlage können angewendet werden.
Neben der Beteiligung über Aktien und Anleihen können für Finanzinvestitionen auch andere Assetklassen in Frage kommen. Dazu zählt Mikrofinanz, hier sind Impact-First-Produkte vertrauenswürdiger Partner zu wählen. Weiters zählt dazu Private Equity. Diese Anlageklasse wird direkt oder als Fonds angeboten. Bei Zweiterem handelt es sich um Portfolios von Unternehmensbeteiligungen. Dies können Beteiligungen an Start-Ups ebenso umfassen wie an bereits bestehenden Unternehmen (Seed Capital, Venture Capital, Leveraged Buy Outs (LBOs) und Management Buy Outs (MBOs)). Anders als bei Aktien nimmt das Fondsmanagement bei Private Equity durch namhafte Beteiligungsanteile direkt Einfluss auf Finanzierung, Management und Strategie von Unternehmen. Ziel ist es, den Wert des Unternehmens in einem Zeitraum von üblicherweise 10 Jahren substanziell zu steigern und dieses abschließend zu veräußern. Wenn dieser direkte Einfluss nach verbindlich dokumentierten ethisch erwünschten Grundsätzen erfolgt, kann Private Equity dem Gemeinwohl manchmal sogar mehr nützen als der Erwerb von Aktien. Oft ist jedoch die Übernahme von Unternehmen durch Private Equity Fonds mit hohen Gebühren, einer deutlich höheren Verschuldung des übernommenen Unternehmens zugunsten der Private Equity-Investoren und dem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden (z.B. bei LBOs). Der Umgang mit Private Equity verlangt von den Anlegerinnen und Anlegern daher zusätzliche Qualifikation und Aufmerksamkeit, um Risiko, Ertrag und ethische Bewertung professionell einschätzen zu können.
Einen besonderen Platz als Geldanlage nehmen seit jeher die Edelmetalle ein, namentlich Gold. Die besondere Wertstabilität über sehr lange Zeiträume und in Zeiten der Geldentwertung oder politischer Krisen wird ebenso als Stabilitätsfaktor geschätzt wie die Transportierbarkeit in Krisensituationen. Die Gewinnung neuen Goldes ist jedoch mit enormen Schäden für die Umwelt sowie ausbeuterischen und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen verbunden. Daher sind Investitionen in Unternehmen und Projekte, die Goldabbau betreiben (z.B. Aktien oder Anleihen von Goldminen-Unternehmen), physisches Gold und Finanzinstrumente, die zu einer weiteren Nachfrage nach physischem Gold beitragen (z.B. mit physischem Gold gedeckte Schuldverschreibungen), abzulehnen. Eine Risikoabsicherung mittels an die Entwicklung des Goldpreises gekoppelter Finanzprodukte (z.B. nicht mit physischem Gold hinterlegte Derivate und Zertifikate) ist bei Vorliegen gewichtiger Gründe ebenso möglich wie die Beibehaltung von bereits existierenden Anlagen in physischem Gold. Analog verhält es sich mit anderen Edelmetallen.
2.3 Zusammenarbeit mit Banken und Vermögensverwaltungen
Bei der Auswahl von Banken und Vermögensverwaltungen sollten solche Häuser ausgewählt werden, die in ihrer eigenen Geschäftspolitik ethisch nachhaltigen Gesichtspunkten Rechnung tragen. Kirchliche Investierende sollten sich diesbezüglich ein genaueres Bild machen und in regelmäßigen Abständen abklären, in welcher Form die Anbieter dies sicherstellen (Richtlinien, Code of Conduct, Zertifizierungen, usw.).
3. Wirtschaft, die Mensch und Schöpfung dient.
Zur Verbindung von Ökonomie und Ethik
Um Geld für ihre vielfältigen Aufgaben bereitzustellen, hat die Kirche eine moralische Verantwortung, mit Geldanlagen eine angemessene Rendite zu erzielen. Die Finanzverantwortlichen stehen vor der Herausforderung, die ethischen Werte der Kirche mit den wirtschaftlichen Anforderungen ihrer materiellen Absicherung zu vereinen. Für den Finanzbereich bedeutet dies, das anerkannte "Dreieck der Kapitalanlage" mit den Anlagezielen Liquidität, Sicherheit und Rendite in eine ethisch-nachhaltige Wertorientierung einzubetten. Diese Verantwortung besteht nicht nur gegenüber den Eigentümerinnen und Eigentümern der Finanzmittel, , sondern auch gegenüber der Gesellschaft.
Als verantwortlich Investierende priorisiert die Kirche die christlichen Wertmaßstäbe und ist im Konfliktfall bereit, auf einen finanziellen Vorteil zu verzichten, wenn dies aus moralischer Sicht geboten ist. Zudem gibt es innerhalb des nach ethischen Kriterien festgelegten Anlageuniversums genügend Gestaltungsspielraum, um die ökonomisch notwendigen Ziele sicherzustellen.
4. Geschlossen auftreten.
Zu Motivation und Verbindlichkeit dieser Richtlinie
Die vorliegende Richtlinie sieht sich in Kontinuität mit der Tradition katholischer Ordensgemeinschaften, die seit den 1970er Jahren für ethische Geldanlagen eintreten und wesentlich zum Entstehen der ethisch-nachhaltigen Geldanlage beigetragen haben, und in Weiterentwicklung folgender Richtlinien bzw. Orientierungshilfen:
- der "Ethik-Richtlinien (Ziel-, Kriterienkatalog)" der Österreichischen Bischofskonferenz von 2006 und der 1. Auflage dieser Richtlinie von 2017,
- der Orientierungshilfe "Repères éthiques de gestion financière des biens d'Eglise" der Französischen Bischofskonferenz von 2007,
- der Zusammenstellung von Richtlinien und Orientierungshilfen "The Zug Guidelines to Faith-Consistent Investing" der Alliance of Religions and Conservation von 2017,
- der Leitlinien "La Chiesa Cattolica e la gestione delle risorse finanziarie con criteri etici di responsabilità sociale, ambientale e di governance" der Italienischen Bischofskonferenz von 2020,
- der Richtlinie "Socially Responsible Investment Guidelines" der US-amerikanischen Bischofskonferenz von 2021,
- der Orientierungshilfe für Finanzverantwortliche katholischer Einrichtungen in Deutschland "Ethisch-nachhaltig investieren" des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in der 2., aktualisierten Auflage von 2021 (1. Auflage von 2015).
- der Orientierungshilfe für katholische InvestorInnen "Mensuram Bonam" der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften von 2022,
- des "Leitfadens für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche" der Evangelischen Kirche in Deutschland in der 5., aktualisierten Auflage von 2023 (1. Auflage von 2011).
Die hier vorgelegte Richtlinie bezieht sich nur auf Finanzinvestitionen, nicht auf strategische Beteiligungen an Unternehmen oder den direkten Besitz von Immobilien oder Produktionsmitteln. Sie ist überall dort rechtlich bindend, wo sie von den jeweils zuständigen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in Kraft gesetzt worden sind. Dabei zielt sie auf eine flächendeckende Verbindlichkeit für alle Diözesen, Ordensgemeinschaften, Pfarren, kirchlichen Einrichtungen und sonstigen kirchlichen Rechtsträgern in Österreich.
Die einheitliche Umsetzung dieser Richtlinie in der gesamten katholischen Kirche in Österreich
- setzt das Wort Jesu um: "Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben." (Mt 6,33),
- bringt die Ernsthaftigkeit zum Ausdruck, mit der sich die Kirche dieser Thematik stellt,
- ist eine unerlässliche Bedingung für die Glaubwürdigkeit der Kirche auf dem Feld wirtschaftlicher Aktivitäten,
- kann auf andere institutionelle und private Anlegerinnen und Anleger vorbildhaft wirken,
- wird zur Meinungsbildung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beitragen,
- ermöglicht ein klareres Auftreten der Kirche gegenüber Investmentanbietern und ein effektiveres Engagement gegenüber Unternehmen,
- kann auf Grund der großen Zahl kirchlicher Anlegerinnen und Anlegern und der von ihnen veranlagten Vermögensmasse das Ziel menschen- und umweltgerechten Wirtschaftens leichter und rascher erreichen.
Daher appelliert diese Richtlinie an alle kirchlichen Rechtsträger, sich uneingeschränkt dem hier vorgezeichneten Reglement anzuschließen.
5. Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Handlungsfelder für ethisches Investieren
Ausdifferenzierung und Spezialisierung, wirtschaftliche Liberalisierung und Globalisierung haben wesentlich zum Wohlergehen vieler Menschen, Familien und Gesellschaften beigetragen. Sie haben aber auch viele gesellschaftliche Gruppen, manche Weltregionen sowie künftige Generationen benachteiligt und Raubbau an der Schöpfung gefördert. Die Handlungsfelder für ethische Investments lassen sich daher am besten mit den drei Leitworten des ökumenischen konziliaren Prozesses beschreiben, der 1983 auf der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver begann: Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung.
Zwischenmenschliche Gerechtigkeit ist in der biblischen Tradition jene Gestaltung der Gesellschaft, in der es auch den am schlechtesten Gestellten gut geht. Witwen und Waisen, Arme und Ausländerinnen und Ausländer, Frauen und Kinder zählt die Bibel ausdrücklich zu denen, auf die besonders geachtet werden muss. Die Menschenrechte der Moderne entfalten diesen Gedanken und geben ihm eine juristisch fassbare Gestalt. Damit sie verwirklicht werden können, braucht es gute "Governance" sowohl des Staates als auch der gesellschaftlichen Institutionen. Diesem Aspekt widmen die Richtlinien hohe Aufmerksamkeit.
Auch wenn der Zweite Weltkrieg viele Jahrzehnte zurückliegt, ist die Welt voll regionaler Konflikte. An vielen von ihnen sind die Industrieländer und ihre Unternehmen beteiligt. Frieden ist daher ein zweites zentrales Handlungsfeld ethischer Investments. Biblisch ist Friede dann verwirklicht, wenn alle Völker und Religionen ihre Waffen in zivile Geräte umschmieden, einem gemeinsamen Wallfahrtsziel zupilgern und miteinander auf das Rechte hören. Sie respektieren einander in der Vielfalt der Kulturen und Religionen, haben aber eine gemeinsame Ethik (Jes 2; Mi 4). Den Fragen von Rüstungsproduktion und Waffenhandel sowie dem Besitz von international geächteten Waffengattungen kommt daher für ethische Investments hohe Bedeutung zu.
Als dritte große Herausforderung hat sich in den 1970er Jahren die Bewahrung der Schöpfung herausgestellt. Schon die Bibel nahm wahr, dass der Mensch kein treuer Verwalter des Gartens ist, in den Gott ihn hineingesetzt hat (Gen 1-9). Umso mehr sehnt sie sich danach, dass der Mensch mit allen Geschöpfen in Eintracht zusammenlebt (Jes 11). Im 21. Jahrhundert stehen zwei globale ökologische Herausforderungen im Mittelpunkt: Der Schutz des Klimas und der Erhalt der Biodiversität (vgl. die beiden Konventionen der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro sowie die Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus 2015). Beide sind unabdingbar, beide bedeuten erhebliche Anstrengungen. Ethische Investments können ein wichtiges Instrument sein, um die nötigen wirtschaftlichen Transformationsprozesse in Gang zu setzen und voranzutreiben.
Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung sind drei Handlungsfelder mit vielfältigen Querverbindungen. Kriege sind eine der wichtigsten Ursachen der Umweltzerstörung. Diese ist ihrerseits eine Ungerechtigkeit - gegenüber Menschen, die in ökologisch verletzlichen Weltregionen leben, und gegenüber künftigen Generationen. Schließlich sind ungerechte Verhältnisse und gravierende Umweltprobleme die wichtigsten Treibmittel für kriegerische Konflikte. In der Verbindung der drei Felder entsteht also ein stimmiges Gesamtbild der großen ethischen Probleme der Menschheit.
6. Positionieren - Stimulieren - Transformieren.
Prinzipien ethischer Investments
Ethisches Investieren hat zum Ziel, über die ökonomischen Zwecke einer Geldanlage hinaus einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zu leisten. Es ist von daher immer schon auf Wirkung und Zeichensetzung angelegt. Die Möglichkeiten, mit denen man eine positive Wirkung der Geldanlage anstrebt, sind je nach Art des Investments sowie der jeweiligen Umstände unterschiedlich. Über die Jahre haben sich verschiedene Methoden und Instrumente entwickelt, deren bekannteste Ausschlusskriterien, Positivkriterien, Best in Class, Engagement und Stimmrechtsausübung (Voting) sind. In der Vergangenheit hat sich die Praxis etabliert, diese Methoden und Instrumente konkreten Kategorien wie zum Beispiel vermeiden - fördern - gestalten zuzuordnen. In diesem Verständnis wirken Ausschlusskriterien vermeidend, Positivkriterien fördernd und der Dialog mit Unternehmen (Engagement) gestaltend. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre erweist sich eine solche Eins-zu-eins-Zuordnung aber als schwierig. Denn es zeigt sich zunehmend, dass die für die Umsetzung der ethischen Geldanlage eingesetzten Methoden und Instrumente zwar schwerpunktmäßig einer bestimmten, insgesamt aber auch den jeweils anderen beiden Kategorien zugeordnet werden können. Ausschlusskriterien sind dementsprechend zwar schwerpunktmäßig der Kategorie des Vermeidens zuzuordnen, können aber auch verantwortliche und nachhaltige Wirtschaftsweisen befördern und für die Etablierung neuer Unternehmenskulturen einen Beitrag leisten. Positivkriterien bewirken schwerpunktmäßig, dass Kapital in nachhaltigere Unternehmen gelenkt wird, was aber im Gegenzug auch zur Folge hat, dass dasselbe Kapital nicht mehr für schädlichere Wirtschaftsweisen zur Verfügung steht und eine Transformationsrichtung vorgezeichnet wird. Der von Investierenden geführte aktive Dialog mit Unternehmen (Engagement und Voting) zielt zwar in erster Linie darauf ab, Managemententscheidungen zu beeinflussen und somit die Unternehmensentwicklung zu gestalten, hat aber im Fall des Misserfolgs - bei konsequenter Anwendung - auch den Kapitalabzug und damit einen Kapitalfluss hin zu vergleichsweise besseren Unternehmen zur Folge.
Angesichts dessen erscheint es zielführend, die vielfältigen Wirkungspotentiale der Methoden und Instrumente sichtbar zu machen und sie mit zentralen Motiven bzw. Grundstrategien ethischen Investierens zu kombinieren. Die drei hier neu formulierten Grundstrategien sind:
- Positionieren: Ethische Geldanlagen sollen verhindern, dass eine Investition als Zustimmung zu ethisch abzulehnenden Praktiken verstanden werden kann oder solche Praktiken sogar direkt ermöglicht. Positiv gesehen spannen sie einen klaren und gut sichtbaren Wertehorizont auf.
- Stimulieren: Ethische Geldanlagen zielen darauf ab, Unternehmen und Wirtschaftsakteure, andere Investierende oder die Öffentlichkeit insgesamt für sozial verantwortliche und ökologisch zukunftsfähige Wirtschaftsweisen zu motivieren und zu gewinnen.
- Transformieren: Schließlich wollen ethisch agierende Investierende aktiv und gezielt auf jene Institutionen Einfluss nehmen, in die sie Geld investieren. Auch für diese Zielsetzung gibt es eine Vielzahl an Methoden.
6.1 Positionieren
Zur Sicherung der eigenen Glaubwürdigkeit ist es für ethisch orientierte Investierende wichtig, sich gegenüber kontroversen, d.h. Gesellschaft und Umwelt schädigenden wirtschaftlichen Aktivitäten abzugrenzen. Bei dieser Abgrenzung geht es nicht nur darum, eine finanziell-ermöglichende Involvierung in solche Praktiken zu vermeiden, sondern vor allem um ein klares Statement, dass solche Aktivitäten aus moralischen Gründen abgelehnt werden und man nicht davon profitieren möchte. Investierende machen damit deutlich, wofür sie stehen oder nicht stehen. Eine solche Positionierung ist wichtig. Sie kritisiert jene, die mit ihren Aktivitäten Schaden anrichten, und solidarisiert sich mit jenen, die davon betroffen sind.
Eine Positionierung kann über verschiedene Methoden und Instrumente erfolgen und in unterschiedliche Richtungen wirken. Die primäre Methode ist die Anwendung von Ausschlusskriterien: Im Vordergrund steht dabei zwar die Absicht, unmoralische wirtschaftliche Aktivitäten und Praktiken nicht durch eine Kapitalbereitstellung zu ermöglichen. Aber gleichzeitig werden damit Werthaltungen kommuniziert und Wirtschaftspraktiken zur Diskussion gestellt. Neben Ausschlusskriterien eignen sich auch alle anderen Methoden und Instrumente für eine Positionierung. Auch mittels Positivkriterien, des Best in Class-Ansatzes oder eines Auftritts in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft können sich ethisch orientierte Investierende mit ihren Werten positionieren.
Um einer klaren Positionierung willen sind die Ausschlusskriterien des angefügten Katalogs grundsätzlich verbindlich. Anbieter, die ein Finanzprodukt als "FinAnKo-konform" bezeichnen, sind daran strikt gebunden. Kirchliche Investierende können hingegen in seltenen Einzelfällen und auf Grund sorgfältiger Abwägung beschließen, bei einem bestimmten Investment auf ein Ausschlusskriterium zu verzichten. Sie müssen dafür hochrangige ethische Gründe im Sinne des Stimulierens und/oder Transformierens geltend machen und diese in ihren Berichten über die Umsetzung der Richtlinie dokumentieren ("comply or explain"). Dabei sollen sie den Unterschied zwischen absoluten (prinzipiellen) und relativen (schwellenwertbezogenen) Ausschlusskriterien ebenso bedenken wie den Unterschied zwischen gegenwärtigen und vergangenen Verstößen eines Unternehmens oder Staats gegen ein Ausschlusskriterium.
6.2 Stimulieren
Das ethische Investieren zielt darauf ab, auf existierende Missstände hinzuweisen sowie erforderliche Veränderungen zur Behebung dieser Missstände zu initiieren und zu stimulieren - auch jenseits des Finanzmarktes. Ein solches Stimulieren kann sich an die Investitionsobjekte selbst richten (z.B. Unternehmen, Staaten), indem diese mit Missständen konfrontiert und zu Verbesserungen aufgefordert werden. Es kann sich aber auch an andere Akteure wie Marktteilnehmer, Öffentlichkeit oder Politik richten, indem diese aufgerufen werden, ebenfalls für Verbesserungen einzutreten - und zwar in ihrer je spezifischen Rolle als institutionelle oder private Investierende, Konsumentinnen und Konsumenten oder gesetzgebende Organe. Es geht darum, zu motivieren oder Druck aufzubauen, um sozial und ökologisch verantwortungsvolle wirtschaftliche Praktiken zu befördern.
Eine solche Stimulation hin zum Besseren kann darin bestehen, Kapitalströme zu lenken, Bewusstsein zu erzeugen oder deutlich zu machen, dass es Vorteile hat, sich zu verändern. Dies lässt sich primär durch wettbewerbliche Methoden ansteuern: Mit dem Best in Class-Ansatz werden die in ökologischer und sozialer Hinsicht besten Unternehmen einer Branche identifiziert, um anschließend ausschließlich in diese zu investieren. Dadurch werden jene Unternehmen, die nicht Best in Class sind, motiviert, sich in Bezug auf ihre ökologische und soziale Performance zu verbessern. Ebenso verhält es sich mit dem Best in Progress-Ansatz, bei dem jene Unternehmen identifiziert werden, die sich am besten in Richtung nachhaltiger Wirtschaftsweisen entwickeln. Eine solche Stimulierung lässt sich auch mit Ausschlusskriterien, Engagement oder Voting erreichen. Denn dabei werden nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch andere Akteure, die Öffentlichkeit und die Politik erreicht und jenes gesellschaftspolitische Klima ermöglicht, das für gelingende Veränderungsprozesse notwendig ist.
Damit Best in Class- und Best in Progress-Ansätze eine Wirkung entfalten können, müssen sie für Investierende ambitioniert und für Unternehmen herausfordernd ausgestaltet sein. Im Kontext dieser Richtlinie, die bereits umfangreiche Ausschlusskriterien formuliert, bedeutet das für relative Best in Class-Ansätze, dass die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen zumindest überdurchschnittlich zu sein hat, um als Best in Class gelten zu können. Bei absoluten Best in Class-Ansätzen muss die Rating- oder Score-Schwelle, die überschritten werden muss, um Best in Class zu sein, ebenfalls so angesetzt sein, dass mindestens die Hälfte der Unternehmen einer Branche nicht mehr investierbar ist.
Bei Best in Progress-Ansätzen müssen angemessene Beobachtungszeiträume angesetzt werden, um Ausreißer und Sondereffekte zu eliminieren. Um zu ermöglichen, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsperformance entschlossen und zügig verbessern, sollen zudem nur deutlich überdurchschnittliche Leistungen gewürdigt werden (z.B. die fünf Top-Performer in einer Branche).
Sowohl für Best in Class, als auch für Best in Progress-Ansätze ist darauf zu achten, dass nicht ausschließlich auf die Leistungen der Unternehmen im Management von Nachhaltigkeitsrisiken abgezielt wird (Outside in-Perspektive: "Wie beeinflussen ökologische und soziale Phänomene ein Unternehmen?"). Vielmehr ist für eine gelingende Transformation entscheidend, dass sich Unternehmen in Hinblick auf ihre gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen verbessern (Inside out-Perspektive: "Wie beeinflussen die Aktivitäten des Unternehmens Gesellschaft und Umwelt?"). Ratingansätze, die ausschließlich auf Risikomanagement fokussieren, sind nicht mit der Grundintention dieser Richtlinie vereinbar.
6.3 Transformieren
Es ist evident, dass gängige wirtschaftliche Strategien und Praktiken eine Ursache für viele ökologische und soziale Missstände sind. Um dies zu verändern, reicht es oft nicht aus, an einzelnen Stellschrauben zu drehen. Vielmehr erweist es sich mitunter als notwendig, Geschäftsmodelle und Wirtschaftspraktiken als Ganzes auf den Prüfstand zu stellen und Alternativen anzusteuern. Eine solche Transformation - wie etwa die Dekarbonisierung und Umstellung der Wirtschaft auf erneuerbare Energieformen - geschieht in der Regel nicht von heute auf morgen, sondern schrittweise. Transformation bedeutet in diesem Sinne eine Reduktion ökologisch und sozial nicht-nachhaltigen Wirtschaftens bei gleichzeitigem Ausbau nachhaltiger Wirtschaftsweisen. Damit dieser Prozess gelingt, kommt es neben politisch-regulatorischen Maßnahmen auch auf das Verhalten der Marktakteure an. Investierende können dabei eine wichtige Rolle einnehmen, indem sie ihre Gestaltungspotentiale am Kapitalmarkt nutzen.
Die Rolle ethisch orientierter Investierender besteht dann primär darin, Transformationsprozesse zu initiieren bzw. einzufordern, Mehrheiten zu organisieren und nicht nachhaltig agierende Unternehmen durch gezielte Investitionen in ihren Transformationsbemühungen zu unterstützen. Auch die Zusammenarbeit von Investierenden zum Zwecke gemeinsamer Aktivitäten (z.B. Divestment, Engagement, Voting) kann Transformationsprozesse unterstützen. Auch über Best in Progress-Ansätze, Green Bonds, Private Equity oder Projektfinanzierungen können Transformationsbemühungen von nicht nachhaltigen Unternehmen unterstützt und nicht nachhaltige Geschäftspraktiken schrittweise abgebaut werden, wenn diese Bemühungen ernst gemeint sind und einem verbindlichen und nachvollziehbaren Transformationspfad folgen. Derartige brown to green-Investments stehen unter besonderem Rechtfertigungsdruck und bedürfen einer präzisen Evaluierung der Transformationsfortschritte eines Unternehmens, muss es doch besonders darum gehen, Greenwashing und Greenwishing zu vermeiden.
Transformation kann von Investierenden auch über Engagement initiiert und vorangetrieben werden. Unter Engagement versteht man einerseits das Ausüben der Stimmrechte bei Aktiengesellschaften (Voting) und andererseits den Dialog mit Unternehmensvertretern und -vertreterinnen, um auf Missstände aufmerksam zu machen und Verbesserungen im Nachhaltigkeitsbereich zu erzielen (Engagement im engeren Sinne). Ersteres (Voting) ist für Investierende in der Regel nicht selbst oder nur eingeschränkt praktizierbar. Doch werden Stimmrechte immer öfter über spezialisierte Agenturen und/oder Kapitalanlagegesellschaften ausgeübt. Als Mindeststandard im Rahmen dieser Richtlinie gilt, dass kirchliche Investierende eine Ausübung der Stimmrechte zur Unterstützung von Transformationsmaßnahmen perspektivisch anstreben. Zweiteres (Engagement im engeren Sinne) kann ebenfalls über Finanzdienstleister organisiert und umgesetzt werden, wird aber teilweise auch von kirchlichen Investierenden selbst praktiziert. Im Rahmen dieser Richtlinie wird die Beteiligung an über Finanzdienstleister organisierten Unternehmensgesprächen für einige Investments als Mindeststandard festgelegt. Mögliche Qualitätskriterien sind im Anhang angeführt.
7. Ständige Kommission FinAnKo
Zur Begleitung der Anwendung dieser Richtlinie wurde die Ständige Kommission FinAnKo eingerichtet.
Die Ständige Kommission ist mit der Erfüllung folgender Aufgaben betraut:
- Ausarbeitung und Veröffentlichung von Interpretationen der Richtlinie
- Beobachtung der Anwendung der Richtlinie
- Sammlung und Diskussion der Fragen, die bei der Anwendung der Richtlinie auftreten
- Ausarbeitung von Empfehlungen für die Anpassung der Richtlinie
Die Bestellung der Mitglieder sowie die nähere Ausgestaltung der Kommission werden durch eine Geschäftsordnung geregelt, die von der Österreichischen Bischofskonferenz zu beschließen ist.
8. Schlussbestimmungen
Zur Umsetzung dieser Richtlinie gilt für die kirchlichen Investierenden der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Deshalb werden kleine Investierende Veranlagungen wählen oder Finanzprodukte verwenden, deren Manager und Managerinnen sich ausdrücklich zur Einhaltung dieser Richtlinie verpflichten. Große Investierende werden unter Einhaltung dieser Richtlinie eigenständiger und aktiver vorgehen.
Bischöfe, Ordensoberinnen und Ordensobere implementieren für ihren Zuständigkeitsbereich effektive Kontrollmechanismen zur Überprüfung und Einhaltung der Richtlinie.
Änderungen dieser Richtlinie sind in den Veranlagungen innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten umzusetzen.
Es ist von besonderem Wert, dass die katholische Kirche in Österreich mit einer Stimme spricht.
Anhang: Erläuterungen
Allgemeine Erläuterungen zu den Ausschlusskriterien
Die Liste der Ausschlusskriterien bezieht sich auf Aktivitäten bzw. Unterlassungen von Unternehmen und Staaten. Darüber hinaus werden im Text dieser Richtlinie auch andere Themen behandelt, die sich nicht für ein kirchliches Investment eignen (z.B. Gold oder davon abgeleitete Finanzprodukte). Insgesamt ist zu betonen, dass es nicht ausreicht, die Liste der Ausschlüsse zu befolgen, um FinAnKo-konform zu investieren. Die Richtlinie ist in ihrer Gesamtheit umzusetzen, d.h. in den drei Bereichen Positionieren, Stimulieren und Transformieren.
Bei der Umsetzung der Richtlinie insgesamt bzw. der Ausschlusskriterien im Speziellen kann es aufgrund unterschiedlicher Methodiken und uneinheitlicher inhaltlicher Abgrenzungen bei Finanzdienstleistern zu unterschiedlichen Lösungen kommen. Es gilt der Grundsatz, dass hierbei die bestmögliche Umsetzung im Sinne der Richtlinie anzustreben ist.
Die Ausschlusskriterien gelten gemäß Überschrift "bei Unternehmen auch für Mehrheitseigentümer, Zulieferer und Subunternehmer". Dies bedeutet den Ausschluss eines Unternehmens dann und nur dann, wenn eines der genannten Unternehmen die im Ausschlusskriterium inkriminierte Handlung praktiziert. Die Lieferung von "enabling technologies", also von Technik und Komponenten, die die inkriminierte Handlung ermöglichen, führt im Verständnis dieser Richtlinie nur dann zum Ausschluss, wenn dies im entsprechenden Kriterium ausdrücklich genannt wird.
Im Unterschied zur ersten Fassung dieser Richtlinie von 2017 verzichtet die zweite Fassung von 2024 darauf, Staaten von der Investierbarkeit auszuschließen, weil sie ein ethisch abzulehnendes Tun ihrer Bürgerinnen und Bürger erlauben, dulden oder straffrei stellen. Die auf Staaten und staatliche Institutionen bezogenen Ausschlusskriterien beschränken sich darauf, das konkrete Handeln oder Nichthandeln des Staats und seiner Institutionen selbst zu adressieren.
Erläuterungen zu den einzelnen Kriterien
Gerechtigkeit
Governance: Demokratie versus Autoritäre Regime - Menschenrechte - Rechtssystem/ Rechtsordnung - Korruption - Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung - Kontroversielle Geschäftspraktiken
Governance bezeichnet die Regierungs-, Amts- oder Unternehmensführung im Sinn von Strukturen. Governance misst sich also an einem funktionierenden Steuerungs- und Regelungssystem der betreffenden Institution im Dienst an Menschenwürde und Menschenrechten. Für die Beurteilung von Ländern, die weitestgehend demokratisch strukturiert sind, wird die Positivliste von Freedom House herangezogen. Diese dient zugleich zur Einstufung von Ländern, die dort als "nicht frei" bewertet werden, als nicht investierbar. Weiterhin gelten Länder als nicht investierbar, in denen schwere, dauerhafte und systematische Einschränkungen der Menschenrechte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen bekannt sind.
Korruption ist der Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Transparency International veröffentlicht jährlich einen Index, der das Ausmaß an Korruption im öffentlichen Sektor eines Landes wiedergibt, wie es von Geschäftsleuten sowie Expertinnen und Experten wahrgenommen wird (Corruption Perception Index). Länder, die in diesem Index einen Wert von weniger als 50 von 100 aufweisen, sind nicht investierbar. Ein in der Finanzwelt immer größeres Problem stellt die Geldwäsche und die Finanzierung des internationalen Terrorismus dar. Ein Staat, der die einschlägigen Standards der Financial Action Task Force (FATF) nicht in seine Gesetzgebung übernommen hat, und ein Unternehmen, das gravierend gegen diese Standards verstößt, sind daher nicht investierbar. Ebenso gelten Unternehmen als nicht investierbar, wenn sie der Korruption, der Daten- oder Bilanzfälschung oder des Betrugs überführt wurden - bis von unabhängigen Stellen ein Ende dieser Praxis bestätigt wird.
Globale Gerechtigkeit und Welternährung: Land-Grabbing - Lebensmittelspekulation - Privatisierung von Trinkwasser - Müllexporte - Vermarktung von Pharmaprodukten
Vielfach hat die Globalisierung zu wachsendem Wohlstand geführt. Doch gerade für die am wenigsten begünstigten Länder und Personen bringt sie auch schwere Nachteile mit sich - vor allem weil das internationale Regelwerk zu schwach ist und viele ethisch verwerfliche Praktiken nicht verbietet. Die schlimmsten dieser Praktiken führen daher zur Nichtinvestierbarkeit von Staaten und Unternehmen.
Als "Land Grabbing" wird der Erwerb großer Ländereien durch große Unternehmen oder fremde Staaten bezeichnet. Ziel ist entweder das Erreichen einer marktbeherrschenden Stellung oder die Spekulation mit dem Boden. Meist wird die eigene Größe als Machtfaktor ausgenutzt sowie kleinen Landwirtinnen und Landwirten der Zugang zu Ackerland verunmöglicht. In armen Ländern hat das Hunger und Verelendung zur Folge, in reichen Ländern ein beschleunigtes Sterben kleiner landwirtschaftlicher Betriebe.
Lebensmittelspekulation meint den Handel mit Derivaten auf Lebensmittel ohne die Absicht, diese Lebensmittel zu verarbeiten oder im realen Handel zu verkaufen. Eine solche Spekulation kann die Preise für Lebensmittel in Höhen treiben, die in ärmeren Ländern unerschwinglich sind, oder in Tiefen, die kleinbäuerliche Betriebe in den Ruin treiben. Ausgeschlossen werden daher auch Rohstoffzertifikate und Fonds, die solche Lebensmittelderivate im Korb enthalten.
Trinkwasser ist ein Gut, auf das alle Menschen tagtäglich existenziell angewiesen sind. Werden große Wasservorkommen (Oberflächen-, Grund- und Tiefenwasser) von privaten Unternehmen aufgekauft und dadurch eine regionale Monopolstellung erreicht, die den öffentlichen Zugang der Bevölkerung zu Wasser erheblich erschwert und verteuert, sind vor allem ärmere Menschen sowie Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in ihrer Existenz bedroht. Unternehmen, die von solcher großmaßstäbigen Privatisierung des Trinkwassers profitieren, sind von der Anlage daher ausgeschlossen.
Nicht zu unterschätzen ist die Problematik der Müllexporte. Wenn Müll aus reichen in arme Länder exportiert wird, wird er dort fast mit Sicherheit ohne Gesundheits- und Umweltauflagen entsorgt. Daher werden Unternehmen als nicht investierbar betrachtet, denen Verstöße gegen das Basler Übereinkommen "Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung" von 1989 nachgewiesen werden.
Verstöße gibt es auch im Bereich der Verbreitung pharmazeutischer Produkte. Aus dem Universum ausgeschlossen sind daher Unternehmen, die gegen den Code of Practice der International Federation of Pharmaceutical Manufacturers & Associations (IFPMA) verstoßen.
Arbeit: Arbeitsrechte - Arbeitsbedingungen - Kinderarbeit
Arbeit ist Ausdruck menschlicher Würde. Ziel muss es daher sein, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sich die menschliche Persönlichkeit entfalten kann. Staaten, in denen die Arbeitsgesetzgebung gravierende Mängel aufweist, sind daher nicht investierbar. Gleiches gilt für Unternehmen, die die fünf Grundprinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation ILO massiv verletzen oder akzeptieren, dass ihre Zulieferbetriebe das tun. Die fünf Prinzipien lauten:
- Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen
- Beseitigung der Zwangsarbeit
- Abschaffung der Kinderarbeit
- Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf
- Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit
Die ILO selbst gibt keine Definitionen für diese Kernbegriffe. Es wird also in der Verantwortung der ethischen Beratungsorganisationen stehen, hier sinnvolle Maßstäbe anzulegen.
Lebensschutz: Embryonale Stammzellenforschung - Abtreibung - Sterbehilfe - Todesstrafe
Das menschliche Leben genießt in unserer Werteordnung einen besonders hohen Schutz, weil es die Möglichkeitsbedingung jedes Menschen zum Erlangen höherer Güter ist und weil seine Missachtung zu gravierenden gesellschaftlichen Verwerfungen führen würde. Der starke, fast ausnahmslose Schutz menschlichen Lebens beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle als dem einzigen Zeitpunkt, der nicht auf einer willkürlichen Grenzziehung beruht, und endet erst mit dem Tod.
Das Prinzip des Lebensschutzes verbietet es, dass menschliche Embryonen zerstört und ihre Stammzellen zu Forschungs- oder Herstellungszwecken verwertet werden. Es verbietet ebenso Abtreibung (einschließlich der Herstellung und Verbreitung von Mitteln mit abtreibender Wirkung) und aktive Sterbehilfe sowie Beihilfe zum Suizid. Auch die Todesstrafe ist als Sanktionsmittel des modernen Staates abzulehnen. Unternehmen und Staaten, die eine oder mehrere dieser Praktiken vollziehen, sind daher nicht investierbar.
Sexualethik und Fortpflanzungsmedizin: Reproduktionsmedizin - Verhütungsmittel - Pornografie
Im Handlungsbereich Sexualität und Fortpflanzung gibt es ebenfalls eine Reihe von Praktiken, die die Kirche missbilligt. Sie stellen zwar keine Tötung von Menschen dar, weisen aber gravierende Gerechtigkeitsdefizite auf. Für Unternehmen, die diese Praktiken vollziehen, gibt es daher bei den meisten Kriterien keinen absoluten Ausschluss aus dem investierbaren Universum, wohl aber einen relativen, wenn der Umsatz mit diesen Praktiken eine niedrige, klar definierte Schwelle übersteigt.
In der Reproduktionsmedizin betrifft dies erstens Methoden, bei denen sogenannte "überzählige Embryonen" anfallen, die man später sterben lässt. Zweitens die sogenannte heterologe Befruchtung, bei der Samen- oder Eizelle nicht von dem Paar stammen, das sich ein Kind wünscht, was für die so gezeugten Kinder eine schwere psychische Belastung bei der Suche nach ihrer Identität bedeuten kann. Und drittens die sogenannte Leihmutterschaft, bei der eine andere Frau das Kind austrägt als jene, deren Kind es nach der Geburt sein soll. In diesem letzten Fall kommen zur massiv erschwerten Identitätssuche des Kindes die Ausbeutung des Körpers der Leihmutter und die hoch problematische Trennung von Mutter und Kind direkt nach der Geburt, obwohl während der neun Monate der Schwangerschaft zwischen den beiden eine innige Beziehung gewachsen ist.
Pornografie ist ebenfalls eine Ausbeutung des Körpers von Menschen sowie deren Verdinglichung durch Produzentinnen und Produzenten wie Konsumentinnen und Konsumenten. Für manche Handlungen im Zusammenhang mit Pornografie wird daher ein absoluter Ausschluss gesetzt, für manche ein Schwellenwert definiert. Besonders abzulehnen ist die Darstellung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder, weil sie das Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern missbraucht und Kinder schwerwiegend traumatisiert. Da sie jedoch in allen Ländern der Welt illegal ist, braucht es für sie kein eigenes Ausschlusskriterium.
Förderung von Suchtverhalten: Alkohol - Tabak - Glücksspiel
Sucht ist die Abhängigkeit von einer Substanz oder einem Verhalten. Der oder die Betroffene hat über sich selbst keine Kontrolle mehr. Die gesundheitlichen, sozialen und finanziellen Folgen sind oft dramatisch. Alkoholische Getränke, Tabak und Glücksspiel müssen nicht notwendig in eine Sucht führen. Ohne wirksame Präventivmaßnahmen ist dies aber oft der Fall. Deswegen sind bestimmte Unternehmen, die Suchtmittel anbieten, gar nicht, manche oberhalb eines Schwellenwerts des Umsatzanteils nicht investierbar.
Frieden
Krieg und Rüstung: Rüstungsbudget - Waffen - Rüstungsgüter
Auch demokratische Staaten brauchen Mittel zur eigenen Verteidigung. Weisen sie jedoch ein relativ hohes Rüstungsbudget auf, dann wird das jedenfalls bei wohlhabenden Ländern als Drohpotenzial verstanden werden, das andere Länder zum Aufrüsten animiert. Deswegen wird nur in Staaten investiert, deren Verteidigungsbudget unterhalb eines bestimmten Anteils am Bruttoinlandsprodukt liegt.
Unternehmen, die international geächtete (d. h. in Übereinkommen als verboten definierte) Waffen herstellen oder vertreiben, und Staaten, die solche Waffen besitzen, sind nicht investierbar. Dazu zählen atomare, biologische und chemische Waffen, aber auch Antipersonenminen und Streumunition. Unternehmen, die andere Waffen oder Rüstungsgüter herstellen oder vertreiben, sind oberhalb einer niedrigen Schwelle des Anteils solcher Güter am Gesamtumsatz nicht investierbar. Rüstungsgüter sind jene Güter, die vorrangig oder ausschließlich einer militärischen Verwendung dienen. Das sind weit mehr Güter als nur Waffen.
Individuelle Gewalt: Gewaltverherrlichende oder -verharmlosende Medien
Real oder virtuell wirklichkeitsnah dargestellte Tötungshandlungen oder Grausamkeiten gehen oft damit einher, die dargestellte Gewalt zu verherrlichen oder zu verharmlosen. Außerdem wird oft die Würde der dargestellten Personen verletzt. Viele dieser Darstellungen unterliegen dem Jugendschutz, in manchen Ländern sind sie strafbar. Unternehmen, die derartige Computerspiele oder andere damit vergleichbare Medien produzieren, sind in jedem Fall nicht investierbar, Händler ab einer bestimmten Schwelle des Umsatzes.
Bewahrung der Schöpfung
Die wichtigsten globalen Ziele: Biodiversität - Klimaschutz
Seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro hat sich die Völkergemeinschaft darauf verständigt, den Erhalt der Biodiversität und Klimaschutz als zwei gleichrangige, absolut prioritäre Ziele politischen Handelns anzuerkennen. Nicht investierbar sind daher Staaten, die die einschlägigen Folgeabkommen nicht ratifiziert haben. Für den Klimaschutz ist dies gegenwärtig das Paris-Protokoll der 21. Vertragsstaatenkonferenz 2015, für den Schutz der Biodiversität sind es das Cartagena-Protokoll der 1. Außerordentlichen Vertragsstaatenkonferenz 2003 und das Nagoya-Protokoll der 10. Vertragsstaatenkonferenz 2010.
Ein bedeutender Faktor des globalen Treibhauseffekts liegt in der Förderung und Verbrennung fossiler Energierohstoffe. Noch können wir nicht ganz auf sie verzichten. Doch sollen Schritte zu ihrer Reduktion, zur sogenannten "Dekarbonisierung" unterstützt, und Schritte zu ihrer weiteren Verlängerung nicht unterstützt werden. Daher sind Unternehmen, die Erdgas oder Erdöl oder Kohle fördern, nicht investierbar. Unternehmen, die fossile Energieträger zur Stromerzeugung nutzen, sind nicht investierbar, wenn die Umsatzerlöse aus diesen Aktivitäten einen bestimmten Anteil am Gesamtumsatz überschreiten.
Landwirtschaft: Biozide - Grüne Gentechnik
Die industrialisierte Landwirtschaft bringt Praktiken mit sich, die für die Umweltmedien Boden, Wasser und Luft, für die Ökosysteme und ihre Artenvielfalt und mitunter sogar für die Gesundheit der Nutztiere und des Menschen eine große Gefährdung darstellen. Außerdem begünstigen diese Praktiken gerade auch auf Grund der Patente die Verdrängung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft, die jedoch nach Überzeugung der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung UNCTAD der Schlüssel zur Bekämpfung des Welthungers ist. Das betrifft einerseits den Einsatz von Bioziden, andererseits die Nutzung der meisten gentechnisch veränderten Organismen (wobei einzelne GVO auch einen ökosozialen Nutzen bringen können). Unternehmen, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als "extrem oder hoch gefährlich" eingestufte Biozide herstellen oder vertreiben, sind nicht investierbar, wenn die Umsatzerlöse aus diesen Aktivitäten einen bestimmten Anteil am Gesamtumsatz überschreiten. Das Gleiche gilt für Unternehmen, die gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere für die landwirtschaftliche Nutzung herstellen oder Lizenzen auf diesbezügliche Patente vergeben, und für Unternehmen, die Lebens- und Futtermittel (und Rohstoffe dafür) aus gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren anbauen, verarbeiten oder vertreiben. Dabei verstehen wir unter "gentechnisch verändert" unabhängig von rechtlichen Regelungen sowohl die alten, transgenetischen, als auch die neuen, cisgenetischen Methoden des Gentransfers von einem Organismus in einen anderen.
Ökologische Einzelprobleme: Chemische Stoffe - Atomenergie - Kontroversielles Umweltverhalten
Bestimmte chemische Stoffe bedeuten eine große Gefährdung für Mensch und Umwelt. Unternehmen, die von der Europäischen Union verbotene chemische Stoffe herstellen oder vertreiben, sind nicht investierbar, wenn die Umsatzerlöse aus diesen Aktivitäten einen bestimmten Anteil am Gesamtumsatz überschreiten.
Die zivile Nutzung der Kernkraft ist nach den Ereignissen von Fukushima nicht mehr verantwortbar. Zu groß sind die Risiken eines größten anzunehmenden Unfalls (GAU) während des Betriebs der Kraftwerke. Außerdem bürdet die Endlagerung des atomaren Mülls künftigen Generationen eine Last auf, deren Tragweite nicht einmal im Ansatz abzuschätzen ist. Unternehmen, die Kernkraftwerke betreiben oder durch Produkte und Serviceleistungen für und von Atomkraftwerke/n Umsätze erzielen, sind nicht investierbar, wenn die Umsatzerlöse aus diesen Aktivitäten einen bestimmten Anteil am Gesamtumsatz überschreiten.
Staaten und Unternehmen, die Umweltgesetze oder allgemein anerkannte ökologische Mindeststandards bzw. Verhaltensregeln massiv missachten oder die Großprojekte (z.B. Pipelines, Minen, Staudämme) betreiben, die eine besonders schädliche Wirkung auf die Ökosysteme in der Region haben, sind nicht investierbar. Banken, die solche Großprojekte zu mindestens 20 % mitfinanzieren, sind nicht investierbar.
Tiere: Tierhaltung - Tierversuche
Tiere sind Mitgeschöpfe des Menschen und verdienen eine gerechte Behandlung. Wenn der Mensch sie nutzt, übernimmt er eine besondere Verantwortung für ihr Wohlergehen. Intensivtierhaltung oder Massentierhaltung bezeichnet eine stark technisierte Form der Tierhaltung, in der viele Tiere auf engem Raum gehalten werden und deren Zahl nicht an die Größe der zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Nutzflächen angepasst ist. Massentierhaltung schadet den Tieren, aber auch dem Ökosystem und dem Klima. Unternehmen, die Massentierhaltung bzw. -transporte oder Pelztierhaltung betreiben (inkl. Zuchtbetriebe), sind daher nicht investierbar.
Zur Prüfung der gesundheitlichen Verträglichkeit von chemischen Stoffen und Medikamenten sind Tierversuche trotz begrenzter Aussagekraft häufig die bestmögliche Methode. Da die Wissenschaft derzeit noch keine ausreichenden Alternativmethoden gefunden hat, wird sie in mittlerer Sicht auf Tierversuche angewiesen bleiben. Weil diese den Tieren aber meistens einen Schaden zufügen, müssen sie auf das absolut notwendige Mindestmaß begrenzt werden. Unternehmen, die Produkte herstellen, für die gesetzlich nicht vorgeschriebene Tests an Tieren durchgeführt wurden, sind daher nicht investierbar.
Erläuterungen zu 6. Engagement
Im Punkt 6. ist mehrfach der Begriff "Engagement" im Sinne von Dialogen mit Unternehmen angeführt. Derartige Unternehmensdialoge unterliegen jedoch ebenfalls bestimmten Qualitätskriterien, um Greenwashing zu vermeiden. Beispiele hierfür sind:
- Engagement-Richtlinie: Entweder der Investor, der Finanzdienstleister oder das Finanzprodukt verfügen über eine Engagement-Richtlinie (Policy). In dieser ist der Ablauf von Engagement-Aktivitäten beschrieben.
- Engagement-Ziele: Die mit dem Engagement verfolgen Ziele werden klar formuliert.
- Zeitliche Befristung von Engagement-Aktivitäten: Es ist ein Zeitpunkt zu definieren, bis zu welchem die Engagement-Ziele zu erreichen sind.
- Eskalationsstufen samt Exit-Strategie: Für den Fall, dass Engagement-Aktivitäten erfolglos bleiben, ist die weitere Vorgehensweise festzulegen. Dies können Eskalationsstufen (z.B. die Mobilisierung der Öffentlichkeit) oder ein Divestment sein.
- Über die Engagement-Aktivitäten wird transparent kommuniziert.
Stand Jänner 2024