Lebenskunst
29.12./1.1. | 07:05 | Ö1
LEBENSKUNST – Begegnungen am Sonntagmorgen, 29. Dezember 2024, 7.05-8.00, Ö1
Die Welt heilen
Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch – Aspekte der Bibel
(Matthäusevangelium 2, 13-23)
Friedrich Hölderlin hat in seinem großen Gedicht „Patmos“ diese oft zitierten Worte geprägt. Maria Katharina Moser, Theologin, evangelische Pfarrerin und Direktorin der evangelischen Hilfs- und Sozialorganisation „Diakonie Österreich“, will auf sie vertrauen. Mit Recht, möchte man hinzufügen. 2024 waren es 150 Jahre, dass die „Diakonie Österreich“ hilft. Und wenn am Sonntag, 29. Dezember, in evangelischen Gottesdiensten die Erzählung aus dem Matthäusevangelium über die Flucht der Familie mit dem kleinen Jesuskind vor dem Kindermord in Bethlehem zu hören ist, steigen Gedanken und Erinnerungen in Maria Katharina Moser auf: „Wenn ich diese Geschichte lese, höre ich das Geschrei und Wehklagen von Rahel, der Stamm-Mutter Israels, die um ihre Kinder weint. Ich höre das Wehklagen hunderttausender Mütter in Israel heute, in Gaza, in der Ukraine, im Sudan. (…) Ich höre das Weinen – und gleichzeitig freue ich mich über jedes Kind, das gerettet wird. Freue mich über jeden Menschen, der in Sicherheit ist.“ Die Mitarbeitenden der Diakonie setzen sich dafür ein.
Karl-Heinz Rathke – Eine „Wanze im Bett der Kirche“
Den Beschluss, „nach Afrika zu gehen“, hat er schon mit 17 Jahren gefasst – um das Unheil, das von Europa aus über den gesamten Kontinent hereingebrochen ist, wenigstens ein kleines Stück weit wiedergutzumachen, wie er sagt. Die Bezeichnung „Missionar“ lehnt der evangelische Pfarrer Karl-Heinz Rathke daher für sich grundsätzlich ab. Sein Hauptanliegen war die Ausbildung junger Menschen und die Erwachsenenbildung. Sein besonderes Engagement galt dabei den Menschen am Rande der Kirche – oft schon allein geografisch: in abgelegenen Wäldern. Zum Abschied aus Kamerun bekam er daher ein Kompliment der besonderen Art von einem Mitbruder auf den Weg: „Du warst immer eine Wanze im Bett der Kirche, die uns immer wieder wach gebissen hat.“ Im neuen Jahr 2025 wird er sein 93. Lebensjahr vollenden. Markus Veinfurter hat Karl-Heinz Rathke, der jetzt in einem kleinen Dorf bei Ried im Innkreis wohnt, besucht und ihn unter anderem gefragt, wie denn in Kamerun und Ghana Weihnachten und Neujahr gefeiert wird.
Die Welt heilen – Ein Nachruf auf den US-amerikanischen Rabbiner Michael Lerner
Auch er war ein Kämpfer für Menschen und ihre Rechte. Am 28. August dieses Jahres verstarb der bekannte US-amerikanische Rabbiner und Friedensaktivist Michael Lerner im Alter von 81 Jahren. Seit der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre hatte er immer wieder seine Stimme gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung erhoben. Michael Lerner prägte während vieler Jahrzehnte die öffentliche Diskussion in den USA und arbeitete in verschiedenen sozialen Bewegungen mit. Alexander Behr, der ihn zu Gesprächen getroffen hatte, erinnert an ihn und seine Vision von einer gerechten Welt.
Gehörlos und Sängerin – Die Musikerin Laura Korhonen über die Kraft der Musik
Musik hat im Leben der gebürtigen Finnin immer eine zentrale Rolle gespielt. In Ihrer Heimat hat sie Geige und Klavier sowie Gesang studiert und so die Grundlage für eine einschlägige Karriere gelegt. Doch dann der unvorhergesehene Schicksalsschlag: Die junge Frau hat ihr Gehör verloren. Einen Plan B für ihr Leben wollte Laura Korhonen indes nicht in Betracht ziehen. Und so hat sie sich mit Hilfe medizinischer Maßnahmen und eines disziplinierten Trainings den Zugang zur Musik zurückerobert. Heute ist sie Sängerin der von ihr mitbegründeten Band Satuo. Brigitte Krautgartner hat mit Laura Korhonen über die Kraft der Musik gesprochen, zu der sie einen sehr besonderen Zugang hat. Und weil im Zentrum der Ö1-Sendungen für „LICHT INS DUNKEL“ dieses Mal das Thema „Inklusion im Kulturbetrieb“ liegt, soll zudem mit diesem Beitrag an die Möglichkeit der Unterstützung erinnert werden. Spenden werden auch nach Weihnachten noch entgegengenommen.
https://oe1.orf.at/lichtinsdunkel
Moderation: Martin Gross
Redaktion: Doris Appel
LEBENSKUNST – Begegnungen am Feiertag, 1. Jänner 2025, 7.05 – 8.00, Ö1
Zwischen Chaos und Kosmos
Im Herzen bewegen – Aspekte der Bibel
(Lukas 2, 16-21)
Mitten in der Weihnachtszeit liegt der Neujahrstag. Am achten Tag nach dem „Heiligen Abend“ und der „Heiligen Nacht“, in der laut biblischer Überlieferung Jesus von Nazareth auf die Welt gekommen ist, und fünf Tage vor dem Dreikönigstag ist 1. Jänner. In der Westkirche gilt der 1.1. als Oktavtag von Weihnachten, manche Kirchen gedenken an diesem Tag der Beschneidung des jüdischen Buben Jesus, und in der katholischen Kirche ist dieser Tag – neben dem Weltfrieden – besonders der Mutter von Jesus gewidmet: der als heilig verehrten Maria aus Nazareth. Auch sie eine Jüdin, „behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“, heißt es in verschiedenen Bibelübersetzungen in Zusammenhang mit dem Geschehen rund um die Geburt ihres Babys. In der derzeit für katholische Gottesdienste üblichen Übersetzung ist zu lesen: „Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen.“ Der Neujahrstag, der 1. Jänner, „markiert den Moment, in dem der Jude Jesus Teil des Bundes Gottes mit seinem Volk Israel wird“, so bringt es der Psychotherapeut und katholische Bischof Benno Elbs von der Diözese Feldkirch in Vorarlberg auf den Punkt. „Und es drückt sich darin die Verheißung aus, die Jesus durch sein Leben erfüllt: Dass Gott sein Volk rettet und letztlich der ganzen Menschheit Frieden bringt.“
Klagen und Triumphieren – „Maria bewegt“
Ein Blick ins Neue Jahr 2025: „Maria bewegt“ wird das Motto der Internationalen Barocktage in Stift Melk rund um Pfingsten (8./9. Juni) sein. Das Festival steht ganz im Zeichen der Weiblichkeit, wie es heißt, und spannt den Bogen von religiöser Spiritualität über Frauen in der Barockmusik bis hin zu aktuellen Themen. Künstlerischer Leiter ist der deutsch-kanadische Tenor Michael Schade, dessen Vertrag bis 2030 verlängert wurde. Der Zugang zum Marien-Motto des demnächst 60-Jährigen ist ein sehr persönlicher und hat auch mit Marias Mutter Anna zu tun. So hat Maria Harmer ihn in „seiner“ Kirche, der St. Ulrich-Kirche im siebenten Bezirk Wiens, im Angesicht mehrerer Mariendarstellungen getroffen und mit ihm über die biblische „Powerfrau“, wie er sie nennt, der laut katholischem Dogma von ihrer Empfängnis an „unbefleckten“ Maria gesprochen. „Unbefleckt“, das bedeutet für Michael Schade unter anderem „unvoreingenommen zuhören können“.
Bruder Sonne, Schwester Mond, Mutter Erde – 800 Jahre Sonnengesang
Umweltschutz, manche verwenden das Wort Schöpfungsverantwortung, wird auch eines der so bedeutsamen wie notwendigen Themen 2025 sein. Und schon vor genau 800 Jahren ist die Schöpfung Inhalt eines Gesangs geworden, der zur Weltliteratur zählt. Die Sonne und der Mond, auf Italienisch Bruder Sonne und Schwester Mond, auch Bruder Wind, Schwester Wasser, Bruder Feuer und Mutter Erde werden darin gepriesen; selbst Schwester – oder je nach Sprache – Bruder Tod. „Cantico delle Creature“, das „Loblied der Geschöpfe“, wird der Text darum auch genannt. Im deutschen Sprachraum ist er unter der Bezeichnung „Sonnengesang“ bekannt. Es ist das bekannteste Gebet von Franziskus, des Franz von Assisi. Der wurde 1181 in Assisi, im mittelitalienischen Umbrien, als Sohn reicher Tuchhändler geboren, wählte allerdings bewusst ein Leben in Armut und soll selbst mit wilden Tieren kommuniziert haben. Bereits zwei Jahre nach seinem Tod 1226 wurde der Gründer des Ordens der „Minderen Brüder“, aus denen u.a. die „Franziskaner“ hervorgingen, von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Und am 4. Oktober, einen Tag nach seinem Todestag am 3. Oktober, wird nun nicht nur sein Namenstag, sondern auch der Welttierschutztag begangen. 1980 ernannte Papst Johannes Paul II. Franz von Assisi zudem zum Schutzherrn von Umwelt und Ökologie – und Kardinal Jorge Bergoglio nahm seinen Namen an, als er 2013 zum Papst gewählt wurde. 800 Jahre nach der Entstehung des „Sonnengesangs“ hat Maria Harmer bei Pater Fritz Wenigwieser, dem Provinzial der Franziskaner in Österreich, nachgefragt, warum dieser Text und sein Schöpfer auch heute noch Menschen berühren.
Zwischen Chaos und Kosmos – Das Heilige Jahr 2025 in Rom
Es ist kein außerordentliches, sondern ein sogenanntes ordentliches Heiliges Jahr, das alle 25 Jahre stattfindet: Mit der Öffnung der Heiligen Pforte der Petersbasilika im Vatikan in der Nacht des 24. Dezember beginnt das Heilige Jahr 2025 in Rom. Es steht unter dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“ und greift damit ein zentrales Thema von Papst Franziskus auf. Dieser hat in dem Zusammenhang die Bedeutung Roms als Stadt der Apostel Petrus und Paulus betont und die Rolle der Kirche als eine Tür, die Heilsames eröffnen kann – und soll. Mit rund 45 Millionen Besucherinnen und Besuchern, darunter auch Pilgerinnen und Pilger, wird für 2025 in Rom gerechnet. Der Autor und Übersetzer Herbert Maurer meint: „Wir haben die Wahl: zwischen Chaos und Kosmos.“
Redaktion & Moderation: Doris Appel