Lebenskunst
8./10.12. | 07:05 | Ö1
1. LEBENSKUNST – Begegnungen am Feiertag, 8. Dezember 2023 (Mariä Empfängnis), 7.05-8.00, Ö1
Aus dem Leben einer abenteuerlichen Frau – Bibelessay zu Lukas 1, 26-34
Wenn in der katholischen Kirche am 8. Dezember der Feiertag Mariä Empfängnis begangen wird, dann feiert man eine Frau, die von Beginn an, von ihrer Empfängnis an, ohne Schuld war und geblieben ist: die Mutter des Messias Jesus, Maria von Nazareth. Trotzdem ist in der katholischen Leseordnung für diesen Tag jene Bibelstelle im Lukasevangelium vorgesehen, die von der Empfängnis Jesu erzählt. Eine Bibelstelle freilich, die die 1985 geborene Theologin und baptistische Pastorin Mira Ungewitter besonders mag. Sie setzt sich für eine liberale und progressive Kirche ein, ist Mitglied im feministischen Frauennetzwerk Sorority und hat jüngst ein Buch mit dem Titel „Gott ist Feministin“ geschrieben, erschienen bei Herder. Darin zu lesen: Für Sex, Lust und selbstbewusste Frauen ist sehr wohl Platz in der Bibel und auch in den kirchlichen Gemeinschaften. Als mutige und abenteuerliche Frau versteht sie Maria von Nazareth, die Gabriel (übersetzt: Kraft Gottes) die Tür öffnet: „Ich mag die Idee der mutigen, der abenteuerlichen Maria. Und verzeihen Sie mir meine saloppe Art, aber ich mag auch den Gedanken, dass der große Heilsplan Gottes, mit dem er selbst zum Menschen wird, mit einer ungeplanten Teenager-Schwangerschaft beginnt.“
Mira Ungewitter: Gott ist Feministin. Mein Leben mit Eva, Maria und Lady Gaga (Herder)
„Eine Kirche voller Frauen“ – 40 gemalte Zeuginnen im Sacre Coeur Pressbaum
„Die Frau schweige in der Kirche“: Dieses berühmte Wort des Apostels Paulus, wenngleich womöglich nur an eine einzige besonders redselige Frau gerichtet, scheint über Jahrhunderte die Haltung der Kirchen den Frauen gegenüber bestimmt zu haben – nicht zuletzt auch in der römisch-katholischen. Andererseits wird in vielen Communities, egal welcher Konfession, das Gemeindeleben von Frauen getragen; und die meisten Gottesdienstbesucher sind Besucherinnen.
In Pressbaum, vor den Toren Wiens, hat Markus Veinfurter eine „Kirche voller Frauen“ der besonderen Art besucht: In der ehemaligen Klosterkirche des „Sacre Coeur“ sind 40 Heilige abgebildet – allesamt Frauen.
„Woher wir kommen und wohin wir wachsen können“ – Rituale im Dezember
„Geschichte und Geschichten lehren uns, woher wir kommen, wer wir sind und wohin wir wachsen können“, sagt Michael Lippka-Zotti. Der Kommunikationstrainer, Sozialarbeiter sowie Lebens- und Sterbebegleiter spricht in einer fünfteiligen Reihe von Brigitte Krautgartner über Rituale am Ende des Jahres, einer Zeit, in der Neues geboren wird. Der vorweihnachtliche Advent ist eine besondere Zeit der Bräuche, Traditionen und Rituale. Manche entdecken sie neu für sich – etwa das Räuchern – andere führen das fort, was sie von ihren Eltern und Großeltern gelernt haben. Und genau darum geht es in dieser Ausgabe, um das eigene Eingebunden-Sein in die Geschichte, um Identität und um Vorfahrinnen und Vorfahren, die in einem übertragenen Sinn zu beschützenden Begleiterinnen und Begleitern werden können.
2. Teil: Über Mütter, Ahninnen und Heilige
Ein goldenes Blatt vom Bodhi-Baum – Zu Besuch bei der jungen Buddhistin Freya Sophie Schell
Der 8. Dezember ist nicht nur ein Advent-Feiertag, der Maria, der Mutter des „Christkinds“ Jesus gewidmet ist, der Tag spielt als „Bodhi-Tag“ auch eine bedeutsame Rolle im Buddhismus: Dieser „Erleuchtungstag“ erinnert an das Erwachen des indischen Prinzen Siddharta Gautama unter dem sogenannten Bodhi-Baum in Bodhgaya, Nordindien, und sein Werden zum Buddha, auch Buddha Shakyamuni genannt. Ein goldenes Blatt, das ein Blatt des Bodhi-Baums symbolisiert, hängt an der Deckenlampe in der kleinen, feinen Wohnung von Freya Sophie Schell. Die 19-Jährige studiert in Wien Biologie und Botanik, engagiert sich in der Buddhistischen Jugend der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft ÖBR – und bei Fridays for Future sowie Religions for Future. Maria Harmer hat sie besucht.
Moderation: Martin Gross, Redaktion: Doris Appel
2. LEBENSKUNST – Begegnungen am Sonntagmorgen, 10. Dezember 2023, 7.05-8.00, Ö1
Tröstet mein Volk – Bibelessay zu Jesaja 40, 1-5.9-11
Sie mögen zu den schönsten Versen der Bibel gehören, die Verse aus dem Prophetenbuch Jesaja, wenn es da etwa heißt „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott“. Tröstende und stärkende Passagen aus diesem Buch, das sich im Ersten oder Alten Testament findet, sind für die katholischen Advent-Gottesdienste vorgesehen. Sie sind auch Ausgangspunkt der Gedanken des katholischen Theologen und Präsidenten des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Martin Jäggle, zum zweiten Adventsonntag und zum Internationalen Tag der Menschenrechte. Vor 75 Jahren, am 10. Dezember 1948, wurde die Resolution der Generalversammlung der UNO mit dem Titel „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ im Pariser Palais de Chaillot verkündet.
Roma Sam – Die Roma-Seelsorgerin Manuela Horvath
Sie war zehn Jahre alt, als zwei ihrer Cousins ermordet wurden – beim Rohrbomben-Anschlag auf Roma und Romnija im burgenländischen Oberwart. In jenen Tagen im Februar 1995 endete ihre unbeschwerte Kindheit unweit der Oberwarter Romasiedlung. Heute ist Manuela Horvath Leiterin der Roma-Pastoral der katholischen Diözese Eisenstadt. Ihre Hauptaufgabe ist die Seelsorge und die Unterstützung von Menschen ihrer Volksgruppe: Vor 30 Jahren, am 16. Dezember 1993, wurden Roma und Sinti als autochthone Volksgruppe in Österreich anerkannt. Ein Meilenstein, unterstreicht Manuela Horvath. Die quirlige Romni organisiert auch das Kirchenjahr für Mitglieder ihrer Volksgruppe, betreut Kinder- und Jugendgruppen, plant die jährliche Wallfahrt nach Mariazell und kümmert sich gemeinsam mit anderen Roma-Organisationen um Gedenkinitiativen für die Opfer des Nationalsozialismus. „Roma sam“, „Wir sind Roma“, sagt Manuela Horvath selbstbewusst, der Einsatz gegen Vorurteile und Diskriminierung ist ihr ein besonders wichtiges Anliegen. Maria Harmer hat die Seelsorgerin in Oberwart besucht.
Sich befreien und neu werden – Rituale im Dezember
So beschaulich die Musik rund um Weihnachten klingt, so geschäftig geht es im Alltag oft zu. Da werden Geschenke gekauft, besondere Lebensmittel besorgt oder vorbestellt. Da wird gebacken und – natürlich – geputzt. Nicht nur wegen der Besuche von Verwandten oder Freundinnen und Freunden zu den Feiertagen soll alles blitzblank sein. Viele tun es, „weil es sich so gehört“, weil man es so gelernt hat – weil es so etwas wie ein adventliches Ritual ist, alles schön sauber und rein zu machen. So fasst es der Sozialarbeiter und Kommunikationstrainer Michael Lippka-Zotti zusammen. Er ist auch in der 3. Ausgabe der Reihe von Brigitte Krautgartner über Rituale rund um Weihnachten zu hören, in der es um äußere und innere Reinigung geht.
3. Teil: Über Reinigung und Reinheit, über das sich Befreien und neu Werden
Von der Kraft der Erinnerung – Katharina Lederer, Vizepräsidentin von Or Chadasch
Kerzen anzünden, in die Dunkelheit hinein. Dieser Brauch erfreut sich besonders in der Zeit der kurzen Tage und langen Nächte großer Beliebtheit; mag das warme, milde Kerzenlicht doch auch stärken und trösten. Während am Adventkranz die zweite Kerze brennt, ist es in diesem Jahr am 10. Dezember die dritte Kerze am Chanukka-Leuchter. Das hebräische Wort Chanukka bedeutet Tempelweihfest und erinnert an die Wiedereinweihung des großen Tempels in Jerusalem vor fast 2.200 Jahren. Syrische Truppen hatten den Tempel geschändet – und die sogenannten Makkabäer, allen voran Judas Makkabäus, vertrieben die „Hellenisten“ und stellten die Reinheit des Tempels wieder her. Dabei geschah ein Wunder: Das kleine Kännchen Öl, mit dessen Hilfe der Tempelleuchter erleuchtet werden sollte, reichte acht Tage lang, solange, bis man neues geweihtes Öl herbeigeschafft hatte. Im Gedenken daran werden zu Chanukka acht Tage lang an einem Leuchter, der sogenannten Chanukkia, Kerzen gezündet. Auch dieses Fest soll daran erinnern, dass Wunder möglich sind und Licht und Freude in dunkle Wintertage bringen. Maria Harmer hat sich bei Katharina Lederer, der 1961 in Prag geborenen Vizepräsidentin von Or Chadasch in Wien, nach den Chanukka-Erinnerungen ihrer Kindheit erkundigt und sich von ihr durch die Synagoge der liberalen jüdischen Gemeinde in Wien-Leopoldstadt führen lassen.
Redaktion & Moderation: Doris Appel