Lebenskunst
26.11. | 07:05 | Ö1
LEBENSKUNST – Begegnungen am Sonntagmorgen, 26. November 2023, 7.05-8.00, Ö1
Hoffnungsansage ins Chaos hinein – Bibelessay zu Ezechiel 34, 11-12.15-17a
Vom Ende der Zeit ist in katholischen Gottesdiensten am 26. November die Rede, endet doch an diesem Sonntag das Kirchenjahr, übrigens auch das evangelische. Am Sonntag darauf beginnt für beide Kirchen hierzulande die Adventzeit auf Weihnachten zu und damit ein neues Kirchenjahr. Der „letzte Sonntag“ wird katholischerseits als „Christkönigssonntag“ bezeichnet, was unter anderem die Hoffnung auf die spirituelle Herrschaft eines „guten Königs“ ausdrücken soll. Schon im alttestamentlichen Buch Daniel ist vom „Menschensohn“ die Rede, einer übermenschlich-himmlischen Gestalt, die am Ende der Zeit über die Welt herrscht. Das Neue Testament nimmt diese Vorstellung auf, und so heißt es im Matthäus-Evangelium: „Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm (…), werden alle Völker vor ihm versammelt werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet.“ Der Bibelabschnitt gipfelt in der Aussage, dass die Schafe, also „die Gerechten“, den Hungrigen zu essen, den Durstigen zu trinken gegeben haben, die Fremden aufgenommen, die Nackten gekleidet, die Kranken und Gefangenen besucht haben. Ebenso ist eine Passage aus dem alttestamentlichen Ezechielbuch vorgesehen – ein Buch, das von der Aussicht auf Gerechtigkeit, Frieden und Ganzheit erzählt und das Bild eines „guten Hirten“ entwirft. Gedanken dazu von der katholischen Theologin, Seelsorgerin und Podcasterin Ines Schaberger.
Wenn sich die Dimension der Ewigkeit öffnet – Motive einer Hebamme und Ordensfrau
Eine Geburt ist nichts Selbstverständliches, keine „g´mahte Wies´n“, wie die gebürtige Oberösterreicherin Schwester Barbara Brunner es ausdrückt. Für sie als Hebamme ist es ein Begleiten, Anleiten, Durchführen und Durchtragen der Frauen durch die oft langen Stunden. „Manchmal verlieren die Frauen fast den Mut, sehen das Licht nicht am Ende des Tunnels und dann ist es unsere Aufgabe, dieses Licht wieder sichtbar zu machen“, erzählt die 57-Jährige. Seit 35 Jahren übt sie ihren Beruf aus, seit vielen Jahren im Krankenhaus St. Josef, einem Ordenskrankenhaus der Salvatorianerinnen in Wien. Sie selbst gehört der „Gemeinschaft der Schwestern Jesu“ an, trägt keinen Schleier über der Kurzhaarfrisur, aber ein Kreuz am Herzen. „Der liebe Gott hat mich gefunden, nicht ich ihn“, sagt sie rückblickend und erzählt vom Ringen – bis zur Entscheidung. Mit 22 Jahren ist sie in den erst 1981 in Klagenfurt gegründeten katholischen Orden eingetreten, dessen Spiritualität auf Ignatius von Loyola zurückgeht. Am größten ist für sie die Freude, dabei sein zu dürfen, wenn sich zu Beginn des Lebens „Leib und Seele zu einem neuen Menschen zusammenfügen“, da „öffnet sich die Dimension der Ewigkeit“. Maria Harmer mit einem Porträt der Hebamme und Ordensfrau.
In seinem Element – Leben mit einem autistischen Sohn
Die 53-jährige Betriebswirtin und Mutter zweier Söhne, Birgit Kubik aus Enns, hat zehn Jahre lang die Selbsthilfegruppe „Eltern mit behinderten Kindern“ geleitet. Die Behinderung ihres 19-jährigen Sohnes Max wird „Autismus“ und „ADHS“ genannt. Nun hat Birgit Kubik ein Buch geschrieben, das anderen Eltern von Kindern mit Behinderungen vermitteln soll, dass sie in ihrer Situation nicht allein sind. Die Autorin erzählt darin vom langsamen Anerkennen des Andersseins, von Diagnosen, Therapien, Meilensteinen in Max' Entwicklung, Glücksmomenten des Familienlebens, kreativen Lösungen und lustigen oder berührenden Episoden. Sie verschweigt aber auch nicht, wie anstrengend das ständige Verfügbarsein ist, wie wichtig ein funktionierendes soziales Netzwerk. Und wie notwendig es ist zu lernen, kostbaren Freiraum auch bewusst zu genießen. Das ist nun öfter möglich, weil Max seit Kurzem viel Zeit in einer vollbetreuten Wohngemeinschaft in Linz verbringt. Maria Harmer hat Birgit Kubik kurz vor dem „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen“ in ihrem behindertengerechten Haus in Enns besucht.
Birgit Kubik: In seinem Element. Der ganz normal-verrückte Alltag mit unserem autistischen Sohn. Authentische Erfahrungen aus dem Leben mit einem behinderten Kind (Tyrolia)
Das denkende Herz der Baracke – Zum 80. Todestag von Etty Hillesum
Eine, die ihr Leben in einer Intensität lebte, die ihresgleichen sucht, war die Intellektuelle Etty Hillesum. Vor 80 Jahren wurde sie ihrer jüdischen Herkunft wegen im KZ Ausschwitz ermordet, da war sie 29. Als ob sie im Tiefsten gewusst hätte, dass ihr nur eine knappe Zeitspanne beschieden war, schreibt Etty Hillesum in ihrem Tagebuch: „Ich habe den Vorrat eines ganzen Lebens in wenigen Monaten verbraucht.“ Ihr Werk ist voller Schattierungen: Um Männer, mit denen sie Verhältnisse hatte, geht es etwa, um ihr Auseinandersetzen mit der Frauenfrage, um ein Streben nach einem Leben, das sich gegen Hass wehrt. „Das denkende Herz der Baracke“ wollte sie sein, und „Chronistin ihrer Zeit“ werden. Die studierte Juristin und angehende Schriftstellerin Etty Hillesum hat das Schreiben ihrer Tagebücher als Therapie angelegt. Daraus geworden ist das Zeugnis einer spirituellen Entwicklung und Gottsuche in dunkelster Zeit; ein Dokument philosophischer Lebenskunst, Mystik des Alltags und Ethik des Mitleidens. Am 16. März 2023 sind sämtliche ihrer Schriften erstmals auf Deutsch erschienen. Aus den knapp 1.000 Seiten hat Regisseur Johannes Neuhauser eine Szenische Lesung „destilliert“ und das Werk Etty Hillesums mit Musik von Leonard Cohen verwoben. Lisa Ganglbaur hat die Szenische Lesung mit Bettina Buchholz und Rudi Müllehner in der Tribüne Linz besucht.
https://www.tribuene-linz.at/etty-hillesum-leonard-cohen
Redaktion & Moderation: Doris Appel