Orientierung
12.11. | 12:30 | ORF 2
Dunkles Erbe: Die Wurzeln des Antisemitismus
Pro-palästinensische Demonstrationen und Kommentare auf Social Media zeigen: Antisemitische Ideen sind auch hierzulande erschreckend weit verbreitet, nicht nur im rechten Spektrum, sondern auch bei linken Aktivisten. Selbst manch christliche Initiative lässt eine eindeutige Abgrenzung davon vermissen – und das hat eine lange Tradition. Die Kirchenväter der Spätantike warfen den Juden vor, „Gottesmörder“ zu sein, zu weiträumigen Massakern an Juden kam es im Mittelalter. Auch in islamischen Ländern gab es religiös motivierte Pogrome – lange vor dem Nahost-Konflikt. Dass der kirchliche Antijudaismus zum mörderischen Antisemitismus des Holocaust führte, ist in der Forschung unbestritten. Erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden judenfeindliche Formeln aus der katholischen Liturgie getilgt. Die evangelischen Konfessionen folgten mit eigenen Erklärungen. Immer wieder distanzieren sich kirchliche Würdenträger, vom Papst über Bischöfe bis hin zu evangelischen Superintendenten, von jeder Form des Antisemitismus. Doch wieso sind antijüdische Mentalitäten offenbar bei einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung immer noch virulent? Peter Beringer mit einem historischen Rückblick.
Dazu eine Live-Schaltung zum deutschen Antisemitismus-Experten Michael Blume.
Leben in Angst: Übergriffe auf Juden in Frankreich
Auch in Frankreich nehmen antisemitische Vorfälle drastisch zu. Über tausend wurden seit dem Angriff der Hamas auf Israel gemeldet. Das sind in nur einem Monat doppelt so viele wie im gesamten letzten Jahr. In Frankreich ist die größte jüdische Gemeinschaft Europas zu Hause, viele von ihnen leben zurzeit in Angst. Ein Kontext, in dem Initiativen gegen Antisemitismus und Rassismus immer wichtiger werden. Eine davon ist „Salam, Shalom, Salut“ von SOS Racisme, die sich in den von arabischen Migranten bewohnten Banlieues für Aufklärung einsetzt. Doch auch diese Arbeit ist derzeit kaum möglich, berichtet Frankreich-Korrespondentin Leonie Heitz.
Jüdische Identität: Etty und Leonard im Dialog
Etty Hillesum und Leonard Cohen haben einander nie kennengelernt, ihre Lyrik ist aber intensiv vom Holocaust beeinflusst. Die aus den Niederlanden stammende jüdische Intellektuelle Hillesum wurde mit 29 Jahren im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet, der 1934 geborene kanadische Singer-Songwriter hat sich zeitlebens mit der Shoa beschäftigt. Beide vereint eine tiefe Spiritualität, zugleich die Entdeckung einer freien Erotik sowie der Einsatz für eine gerechtere Welt. Die szenische Lesung in der Tribüne Linz verbindet das Werk der jüdischen Autorin Hillesum mit den Liedern und Gedichten des jüdischen Sängers Cohen. Anlass ist der 80. Todestag von Etty Hillesum, die am 30. 11. 1943 in Auschwitz ermordet worden ist. Lisa Ganglbauer berichtet über zwei Künstler und ihr Ringen mit ihrer jüdischen Identität.
Moderation: Sandra Szabo
Sendungsverantwortung: Eva Maria Kaiser