Lebenskunst
5.11. | 07:05 | Ö1
LEBENSKUNST – Begegnungen am Sonntagmorgen, 5. November 2023, 7.05-8.00
Verpflichtung zur Liebe – Bibelessay zum 1. Johannesbrief
Der 1. Johannesbrief im Neuen Testament der Bibel, verfasst gegen Ende des ersten, Anfang des zweiten Jahrhunderts, erscheint der evangelischen Theologin und Religionspsychologin Susanne Heine durchaus aktuell: „Damals im 1. Jahrhundert, als der Brief die Runde gemacht hat, ist keine gute Zeit gewesen im reichen römischen Imperium, in dem ein Menschenleben nicht viel gezählt hat. Sehr aktuell, wenn ich die Bilder der Kriege und Gräueltaten heute mitansehen muss.“ Eine Passage aus dem Brief ist für evangelische Gottesdienste am kommenden Sonntag, dem 5. November, vorgesehen. Den Briefschluss, „dass wir dem Tag des letzten Gerichts mit Zuversicht entgegensehen, dem einzig gerechten Gericht“, empfindet Susanne Heine als Trost: „Denn was könnten ich und du, wir Menschen ohne politische Macht schon tun gegen das Dunkle in dieser Welt? Nur das: keine Worte des Hasses, sondern der Zuwendung und Taten der Hilfe.“
Religiöse Sprache ist Poesie – Erinnerung an Huub Oosterhuis (1.11.1933 – 9.4.2023)
Huub Oosterhuis, Theologe und eine Zeit seines Lebens auch Jesuit, gilt als großer Erneuerer religiöser Sprache und Liturgie. Am Allerheiligentag hätte er seinen 90. Geburtstag gefeiert. Obwohl Niederländer, der auf Niederländisch geschrieben hat, ist sein Einfluss im deutschen Sprachraum bis heute wirkmächtig: Oosterhuis-Lieder finden sich auch im deutschsprachigen katholischen Kirchenliederbuch „Gotteslob“. Otto Friedrich, Journalist und stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Furche“, hat Texte und Lieder von Huub Oosterhuis Ende der 1970er Jahre in der Ka-tholischen Hochschulgemeinde Wien kennengelernt. Eine „Hochburg“ der religiösen Sprache und Poesie ist die Gemeinde rund um die Wiener Ruprechtskirche. In den Litur-gien von St. Ruprecht, die Otto Friedrich seit vielen Jahren mitgestaltet, werden Lieder und Texte von Oosterhuis in jedem Gottesdienst gesungen und gebetet.
Von Traum und Trauma – Gedanken der Historikerin Shoshana Duizend-Jensen
85 Jahre nach den Novemberpogromen von 1938 ist in der Nacht auf den 1. November 2023 ein Brand in der Zeremonienhalle des jüdischen Teils des Wiener Zentralfriedhofs gelegt worden, an Außenmauern wurden Hakenkreuze gesprayt. Ein Zeichen mehr dafür, wie wesentlich und notwendig Erinnern, Gedenken und Mahnen gerade in Tagen wie diesen sind. Angesichts des von der Terrororganisation Hamas ausgelösten Kriegs im Nahen Osten und antisemitischer Vorfälle und Überfälle in ganz Europa hat die religiöse Jüdin und Historikerin Shoshana Duizend-Jensen sehr persönliche Gedanken in einem Radioessay veröffentlicht: „Ich weiß nicht, wann und wie der Krieg im Nahen Osten endet. Aber ich hoffe und bete darum, dass die positiven, demokratischen und liberalen Kräfte wieder überhand nehmen. Und dass eine friedliche Koexistenz von Israelis und Palästinensern kein Traum bleibt.“
Bananenbaum, Bodhibaum und Bambus – Spaziergang durch „Buddhas Garten“
Der Oberösterreicher Gernot Polland ist nicht nur Grafiker und Buddhist, er praktiziert auch Zen und japanischen Teeweg. Und er hat sich mit Pflanzen auseinandergesetzt, die im Buddhismus von Bedeutung sind. Der Bananenbaum etwa „hat die Bedeutung, dass der Stamm innen hohl ist. Er hat keinen Kern, genauso wie die Dinge keinen ewigen inhärenten Kern haben, sondern sich dauernd verändern, entstehen und vergehen.“ Der in einem schlammigen Gewässer emporwachsende Lotus wiederum „symbolisiert die Reinheit in einer unreinen Welt. Die Lotuspflanze wächst aus dem Stamm und bleibt rein und weiß. Das Wasser perlt von ihren Blättern ab – so wie die Unreinheiten der Welt vom Meditierenden abperlen. Das heißt, man kann von dieser Welt sein, aber nicht in dieser Welt.“ Gundi Lamprecht ist mit Gernot Polland durch den Botanischen Garten in Wien spaziert und hat dabei „Buddhas Pflanzenwelt“ kennengelernt.
Redaktion & Moderation: Doris Appel