Lebenskunst
15.8.| 07:05 | Ö1
LEBENSKUNST – Begegnungen am Feiertag, 15. August 2023, 7.05-8.00, Ö1
Eine Frau, umgeben von Sonne, Mond und Sternen – Bibelessay zu Offenbarung 11, 19a; 12, 1–6a.10ab
Eine kosmisch ausgestattete Frau ist Inhalt jenes Bibeltextes, der am Feiertag „Mariä Himmelfahrt“, traditionell auch „Hoher Frauentag“ genannt, in katholischen Gottesdiensten vorgesehen ist. Für viele eindeutig, versinnbildlicht sie Maria, die Mutter des als Christus verehrten Jesus. Der Text stammt aus der „Offenbarung des Johannes“, der sogenannten „Apokalypse“, einer um das Jahr 70 verfassten Trostschrift für verfolgte Christengemeinden Kleinasiens und ist hochdramatisch: Die Frau wird während ihrer Niederkunft von einem gefährlichen Drachen bedroht, der darauf lauert, ihren zur Herrschaft über die Völker bestimmten Sohn zu fressen. Doch sie zertritt den Drachen, der für das Böse steht. Und genau so hat Maria sich, verschmolzen mit der Erscheinung der sternenumkränzten apokalyptischen Frau, in unzähligen Gemälden und Skulpturen der katholischen Ikonografie und Frömmigkeit eingeschrieben, kommentiert die katholische Theologin, Psychologin und Humanbiologin Ingrid Fischer den Bibelabschnitt – und fügt hinzu: „Manchmal würde ich dieses Mädchen aus Israel gerne mit leisem Zweifel fragen, ob sie sich darin wiederfindet, so erhaben über ihre Geschlechtsgenossinnen? Nein, ich sehe Maria in diesem Text der Offenbarung als Versprechen an alle Frauen, die in U-Bahnstationen und Bunkern, schutzlos in Todesangst gebären, die vor den Drachen in Menschengestalt über Meere und in Wüsten fliehen und deren Kinder grausame Tode sterben. Ein Versprechen auch an alle, die dem Bösen zum Trotz Gutes zur Welt bringen (…).“
Maria auf evangelisch – Gedanken einer Religionspsychologin
Wenn auch weniger bekannt, so können nicht nur katholische, sondern auch evangelische Christinnen und Christen durchaus viel mit der „Heiligen Maria“ anfangen. Martin Luther selbst hat die biblische Maria hoch geachtet und formuliert, mit dem Magnificat erweise sie „ihr Doktorat und ihre Meisterschaft und lehrt, wie man sich gegen Gott halten soll“. In diesem Lobpreis der schwangeren Maria, der im Lukasevangelium überliefert wird, heißt es: „Großes hat der Mächtige an mir getan (…). Zerstreut hat er, die hochmütig sind in ihren Herzen, Mächtige hat er vom Thron gestürzt und Niedrige erhöht. Hungrige hat er gesättigt mit Gutem und Reiche leer ausgehen lassen.“ Auf die Magnificat-Auslegung von Martin Luther bezieht sich die evangelische Theologin und Religionspsychologin Susanne Heine mit ihren Gedanken zu einem katholischen Feiertag. Luther, so Susanne Heine, schreibt vom Blick Gottes, der nach unten schaut und nicht in die Höhe.
Schwarze Madonna im Burgenland – Ein Besuch im Wallfahrtsort Loretto
Der Marienfeiertag am 15. August hatte seit seiner Entstehung im 4. Jahrhundert in Ost und West variierende Namen und Inhalte: Aus dem ursprünglichen Marientod – ihrer Entschlafung und Versetzung aus dem Grab in den Himmel – wurde ihr aktiver Hinübergang, volkstümlich Mariä Himmelfahrt. 1950 als Dogma verkündet, feiert die katholische Kirche am 15. August nun die Aufnahme Mariens in den Himmel und damit unter anderem das Beispiel für den erlösten Menschen. An einigen Marienwallfahrtsorten wird zu „Mariä Himmelfahrt“ Kirtag, also Kirchtag, gefeiert – zum Beispiel auch in der kleinen Marktgemeinde Loretto im Burgenland. Bis zur Aufhebung von Kloster und Hochschule durch Kaiser Joseph II. konnte sich Loretto an Bedeutung durchaus mit dem heute ungleich bekannteren Mariazell messen – ganz zum Erliegen gekommen ist die Wallfahrt dorthin freilich nie. Als Gnadenbild wird in Loretto eine „schwarze Madonna“ verehrt, eine ebenso weit verbreitete wie geheimnisvolle Darstellungsform der Maria aus Nazareth mit ihrem Kind, beide mit dunkler Hautfarbe. Nach Loretto hat sie, laut Legende mit himmlischer Hilfe, allerdings sogar ihr Wohnhaus aus dem „Heiligen Land“ mitgebracht. Was es mit all dem auf sich hat, hat Markus Veinfurter bei einem Besuch im burgenländischen Wallfahrtsort zu klären versucht.
Ihrer Zeit weit voraus – Vorbild Tahereh
Auch in der Religion der Bahai, die im 19. Jahrhundert im Iran entstanden ist, nimmt eine Frau eine bedeutende Rolle ein: die Dichterin und Religionsgelehrte Tahereh. Sie war inspiriert von den Lehren des Bab, des Vorläufers von Bahaullah, der die Bahai-Religion begründet hat. Bekannt ist Tahereh unter anderem für ihr unverschleiertes und charismatisches Auftreten in der Öffentlichkeit, was in der iranischen Gesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts einen Tabubruch darstellte. Eine besondere Verehrerin von Tahereh ist das Bahai-Mitglied Dorothy Khadem-Missagh, Musikerin, Pianistin und derzeit zu hören beim Allegro-Vivo-Festival im niederösterreichischen Waldviertel. Gundi Lamprecht hat sie und weitere Kenner zu Tahereh befragt.
Redaktion & Moderation: Doris Appel