Lebenskunst
2.4.| 07:05 | Ö1
Die Provokation eines Eselritts – Bibelessay zu Johannes 12, 12-19
Einer der biblischen Texte, die die Feierlichkeiten des Palmsonntag begründen, befinden sich im nach Johannes benannten Evangelium. Darin wird ein jüdisches Land gezeigt, das unter römischer Verwaltung steht. Die vielen religiös und politisch motivierten Aufstände jener Zeit werden von den Besatzern mit Gewalt unterdrückt. Entsprechend aufgeladen ist die Situation, als Jesus von Nazareth, Meister seiner Bewegung, wenige Tage vor Pessach Jerusalem erreicht, um hier das bedeutende jüdische Fest zu feiern. Als die Volksmenge von seinem Kommen hört, bereiten ihm die Menschen einen Empfang wie einem König, nehmen Palmzweige und laufen ihm entgegen. Doch Jesus wählt gemäß einem Schriftwort aus der Hebräischen Bibel (Sacharja 9, 9) einen kleinen, jungen Esel für seinen Einzug. Pastor Stefan Schröckenfuchs, Superintendent der evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich, versteht diese Geste so: Jesus zeige, worin königlicher Dienst besteht, nämlich in Hingabe für die, die einem anvertraut sind. „In diesem Sinne bleibt der Einzug Jesu in Jerusalem eine Provokation für Machthaber bis zum heutigen Tag.“
Freiheit physisch, gedanklich und spirituell – Überlegungen zu Pessach
Das Fest, von dem in christlichen Kirchen am Palmsonntag die Rede ist, wird freilich auch gegenwärtig und weltweit von Jüdinnen und Juden gefeiert: Pessach („Vorübergang“), in Aramäisch und Griechisch: Pascha, latinisiert: Passah. Im Rahmen der Reihe „Das Leben feiern“ hat sich die Kulturanthropologin und Judaistin Dina Baranes Gedanken zu jenem für das Judentum grundlegenden Fest gemacht, das in diesem Jahr am Abend des 5. April beginnt und bis zum Abend des 13. April andauert. Gefeiert wird acht Tage lang die Erinnerung an den Auszug der Israelitinnen und Israeliten aus Ägypten und damit an ein Ende von Sklaverei und Unterdrückung. Davon wird besonders am ersten Abend, dem sogenannten Sederabend, erzählt, im größeren oder kleineren Kreis von Familie, Freunden oder Gemeinde: „So unterschiedlich die Dramaturgien sind, einige wichtige Säulen sind felsenfest – das gemeinsame Erinnern, das gemeinsame Erzählen und das gemeinsame Danken“, das, so Dina Baranes, Zuversicht eröffnen kann und soll.
Ins Handeln kommen – Die innere Kraft entdecken
Befreiung aus Unterdrückung, Befreiung aus Gefühlen der Ohnmacht, darum geht es auch in Melanie Wolfers jüngstem Buch: Ohnmacht ist ein zutiefst menschliches Gefühl, das sich zudem in Hilflosigkeit, Frustration und Überforderung äußert. Ohnmachtsgefühle können sowohl im alltäglichen Leben als auch angesichts von Krieg und Umweltzerstörung überwältigend sein. Ursache ist ein „Kontrollverlust“, der eingestanden werden muss, sagt die Philosophin, Theologin, katholische Ordensfrau und Autorin Melanie Wolfers. Im Gespräch mit Maria Harmer zeigt die erfahrene Seelsorgerin Alternativen zu Resignation und Verzweiflung auf.
Melanie Wolfers: Nimm der Ohnmacht ihre Macht. Entdecke die Kraft, die in dir wohnt (bene!)
Ein anstößiges Symbol und seine versöhnende Wirkung – Über Kreuz und Osterhoffnung
Ein Symbol der Ohnmacht stellt für viele das Kreuz, lateinisch „Crux“, dar. Für andere ist es anstoßerregend, ein Ärgernis oder auch einfach nichtssagend. Wieder andere verbinden damit die Überwindung von Tod und einen Triumph des Lebens. Ambivalent und provokant ist also das Zeichen, unter dem die sogenannte Heilige Woche, die Karwoche, steht: Ist doch der Karfreitag der Kreuzigungstag des im Christentum als Messias, als Christus, verehrten Jesus von Nazareth. (Das „Kar“ leitet sich vom althochdeutschen „kara“ ab, was so viel wie Klage, Kummer, Trauer bedeutet.) Der katholische Theologe Jan-Heiner Tück macht in seinem neuen Buch „Crux. Über die Anstößigkeit des Kreuzes“ neben der Vielschichtigkeit des Zeichens eine rettende und versöhnende Kraft des Kreuzes sichtbar. So erinnere etwa das Kreuz an das Leiden schlechthin und damit daran, sich für leidende Menschen einzusetzen. Irene Klissenbauer hat mit Jan-Heiner Tück darüber gesprochen, was fehlt, wenn das Kreuz fehlt und warum auch eine Auferstehungshoffnung die Botschaft des Kreuzes nicht vergessen lassen soll.
Jan-Heiner Tück: Crux. Über die Anstößigkeit des Kreuzes (Herder)
Redaktion & Moderation: Doris Appel