Lebenskunst
6.11.| 07:05 | Ö1
Ort für die Ewigkeit – Der jüdische Friedhof von Deutsch-Wagram
Die sogenannten November-Pogrome 1938, an die in diesen Tagen wieder erinnert wird, markieren den Übergang von der Diskriminierung österreichischer und deutscher Jüdinnen und Juden zu ihrer systematischen Vertreibung, Unterdrückung und Ermordung. Zwischen 7. und 13. November 1938 wurden im gesamten „deutschen Reichsgebiet“ mehrere hundert Jüdinnen und Juden ermordet. Synagogen, Betstuben, Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden gestürmt und zerstört. Auch der jüdische Friedhof von Deutsch-Wagram in Niederösterreich wurde während der NS-Zeit zerstört und enteignet. Dabei sollte ein Friedhof ein „Haus der Ewigkeit“ sein, so die Übersetzung des hebräischen Wortes; die Wahrung der Totenruhe ist ein bedeutsames jüdisches Gebot. Beim von drei Seiten von einer hohen Fabrikmauer umgebenen Grundstück in Deutsch-Wagram ist dennoch nicht sofort klar, dass es sich hier um einen Friedhof handelt. Heute ist auf dem 1.838 Quadratmeter großen Areal kein einziger Grabstein, dafür aber ein Gedenkstein erhalten. Die Historikerin Ingrid Oberndorfer hat sich die ehrenamtliche Sanierung jüdischer Friedhöfe in Niederösterreich zur Aufgabe gemacht und mit anderen Freiwilligen auch diesen Friedhof von Gestrüpp befreit und gereinigt. Maria Harmer hat den Ort mit Ingrid Oberndorfer besucht und sich von ihren Motiven erzählen lassen.
Jüdisches Leben sichtbar machen – Besuch bei Hanna Feingold, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg
Auch in Salzburg waren in der Pogromnacht 1938 die Synagoge und Geschäfte jüdischer Menschen verwüstet und Jüdinnen und Juden in Konzentrationslager verschleppt worden. Heute leben nur etwa 70 Jüdinnen und Juden im Land Salzburg; 40 Jahre lang war Marko Feingold (1913-2019), der vor drei Jahren als damals ältester Holocaust-Überlebender Österreichs verstorben ist, Präsident der Kultusgemeinde. Maria Harmer hat seine Witwe und Nachfolgerin Hanna Feingold in der Synagoge getroffen und mit der 74-Jährigen über die Bedeutung des Erinnerns und die Salzburger Gemeinde gestern und heute gesprochen.
Von der Wiederentdeckung „Guten Lebens“ – Gedanken des Theologen und Philosophen Christoph Quarch
Katastrophen, auch solche der Umwelt, zeigen, wie notwendig es ist, das individuelle und gesellschaftliche Leben zu überdenken. Unter anderem soll das die am 6. November beginnende und bis 18. November dauernde UN-Klimakonferenz im ägyptischen Scharm-El Scheich deutlich machen. Vertreter:innen aus rund 200 Staaten werden zwei Wochen lang debattieren, wie die Erhitzung der Erde eingedämmt werden kann. Einerseits ist es offensichtlich, dass mit dem Ressourcenverbrauch nicht weitergemacht werden kann wie bisher. Andererseits erzeugen Krisenzeiten bei vielen Menschen auch Ängste vor Verlusten und paradoxerweise ein Festhalten am bisher gewohnten Lebensstandard und -stil. Einen Ausweg daraus könnte die Wiederentdeckung des „Guten Lebens“ weisen. Entwürfe dafür gibt es in indigenen Kulturen – und in der Antike. Johannes Kaup hat über die antike griechische Konzeption eines „Guten Lebens“ mit dem deutschen Philosophen und Theologen Christoph Quarch gesprochen. Ein Beitrag im Rahmen des multimedialen Themenschwerpunkts „Buen Vivir“ der ORF-Abteilung Religion und Ethik.
Es wächst etwas und wir mit ihm – Bibelessay zu Lukas 17, 20-21
Immer wieder finden sich in den Evangelien Gespräche zwischen Jesus von Nazareth und Mitgliedern der jüdischen Gruppe der sogenannten Pharisäer; etwa auch in dem Textabschnitt aus dem Evangelium nach Lukas, der am Sonntag, 6. November, in evangelischen Kirchen gelesen wird. Darin geht es um die Frage, wann das „Reich Gottes“ komme. Viele Pharisäer lebten zur Zeit Jesu in Genossenschaften, in denen besonders auf die strikte Erfüllung der Zehnt- und Reinheitsgebote geachtet wurde. Eine Art „Heiligung des Alltags“, die – zusammen mit dem Studium der Torah – wohl dazu beigetragen hat, dass das Judentum nach der Zerstörung des Tempels durch die Römer weiterbestehen konnte. Wenn man so möchte, war das eine Form, das „Reich Gottes“ auf Erden zu leben. Was das „Reich Gottes“ im Heute für den evangelischen Theologen und Landessuperintendenten der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich, Thomas Hennefeld, bedeutet, hat er in ein Gedicht gefasst, in dem er auf verschiedene biblische Aussagen eingegangen ist. Darin heißt es: „Wir können sehen, wie es wächst, wie die Saat, wie das Senfkorn, wenn wir die Pflastersteine heben. Keine Sisyphos-Arbeit, keine vergebliche Liebesmüh. Es wächst etwas und wir mit ihm.“
Moderation: Martin Gross
Redaktion: Doris Appel