ksoe-Direktorin: Regierungsprogramm lässt Fragen offen
"Das seit Kurzem vorliegende Regierungsprogramm hat einige wichtige Schwerpunkte gesetzt, aber auch Fragen offen gelassen": Mit dieser Einschätzung hat sich am Donnerstag die Direktorin der "Katholischen Sozialakademie Österreichs" (ksoe), Magdalena Holztrattner, in einem Interview mit "Vatican News" zu Wort gemeldet. Dass Schwerpunkten wie Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und Armutsbekämpfung viel Raum gegeben werde, sei positiv, gleichzeitig blieben im Regierungsprogramm jedoch "viele Lücken". So fehlten etwa bei vielen Vorhaben Angaben zur Gegenfinanzierung, zu Volumen und konkrete Zeitpläne. Kritisch sieht Holztrattner aber auch, dass Themen wie Sozialhilfe, kalte Progression, die Besteuerung von Vermögen oder auch Fragen zur Zukunft der Arbeitswelt "gar nicht berührt werden".
Sorgen macht ihr, "wie die Umsetzung der genannten Ziele in Klimaschutz und Armutsminderung, vor allem für Frauen und Kinder, sowie die Senkung der Steuerlast oder die Finanzierung der Pflege ohne neue Schulden erreicht werden können". Denn neue Einkommensquellen wie etwa die Besteuerung von Flugkerosin, Transportschiffen oder kurzfristiger Gewinne könnten fast nur im europäischen bzw. internationalen Konsens erschlossen werden. "Wie sich das finanziell mittelfristig ausgehen soll, ist im Regierungsprogramm nicht zu erkennen", so Holztrattner.
Nicht ausreichend geklärt sei im Programm der neuen Regierung auch die Frage des letzten sozialen Netzes: "Hier erwarte ich mir konstruktive Vorschläge der neuen Regierung", betonte die ksoe-Direktorin.
Klimapaket durchwegs positiv
Durchwegs positiv sieht Holztrattner das Klimapaket:
Dass die Bewahrung der Schöpfung, also die Sicherung unserer natürlichen Umwelt für die nächste und übernächste Generation, auch mit sozialer Gerechtigkeit zu tun hat, dieses Bewusstsein kann man im Regierungsprogramm erkennen.
Es müsse allerdings über die reine Reduktion des CO2-Ausstoßes hinausgedacht werden. Den Umstieg auf Atomenergie hält die ksoe-Direktorin für keinen gangbaren Weg, "denn diese Form der Energiegewinnung ist über ihren Lebenszyklus hinweggesehen weder billig, noch nachhaltig oder gesund".
Klärungsbedarf gebe es bei der Frage nach der versprochenen Entlastung der Arbeitnehmer und der Arbeitsrahmenbedingungen. Diese Themen fänden im Regierungsprogramm laut der ksoe-Direktorin zu wenig Beachtung. Problematisch sei auch, dass das umstrittene Arbeitszeitgesetz nicht zurückgenommen wurde:
Seit 2018 gibt es einen massiven Eingriff in die Sonn- und Feiertagsruhe der Menschen. Es ist nun möglich, dass Arbeitnehmer an vier Wochenenden im Jahr zur Arbeit herangezogen werden können, und zwar ohne sachliche Beschränkung, ohne Nachweis von unverschiebbarer Erforderlichkeit, durch einfache Betriebsvereinbarung ohne Gesetz oder Verordnung.
Das Kopftuchverbot für unter 14-jährige Schülerinnen und auch das Thema Sicherungshaft hält Holztrattner für plakative Fragen, die Österreich spalten. Die Sicherungshaft sieht die ksoe-Direktorin etwa als Abwertung und Ausgrenzung von Mitgliedern einer Glaubensrichtung oder einer wichtigen Bevölkerungsgruppe, die nicht dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und dem Vertrauen in eine zunehmend plurale Welt diene. Beides zusammengenommen würde seitens der ksoe daher "als Zugeständnis an populistische Kräfte im Land" gewertet. Die damit angezielte Frage von Integration Zugewanderter sowie auch der Schutz von Frauen gegen (geistliche) Gewalt müsse anders gelöst werden. Für sinnvoller hält die ksoe etwa eine breit angelegte Bildungs- und Aufklärungsarbeit in allen Bevölkerungsschichten.
Quelle: kathpress