Nostra-Aetate-Jubiläum im Jänner
2015 jährt sich zum 50. Mal die Verabschiedung des Konzilsdokuments "Nostra Aetate". Die katholische Kirche definierte damit 1965 ihre Beziehungen zu den anderen Religionen neu. Sie anerkannte Wahres und Heiliges in den anderen Religionen und bestätigte die bleibende Erwählung des Judentums, in dem das Christentum wurzelt. Dies markierte eine Abkehr von einem antijüdisch definierten Absolutheitsanspruch.
Die katholische Kirche habe sich durch "Nostra Aetate" international zum führenden Promotor für den Religionsdialog entwickelt, betonte der Salzburger Dogmatiker Ulrich Winkler gegenüber "Kathpress". Mehrere "robuste und nachhaltige Dialoge" seien in den letzten 50 Jahren seit "Nostra Aetate" von der katholischen Kirche ausgegangen. "Mit ihrer Tragweite und geographischen Verbreitung gehört die katholische Kirche zu den wichtigsten globalen Playern des Religionsdialogs überhaupt", so Winkler.
Alle wissenschaftlichen theologischen Einrichtungen in Österreich - darunter die vier Fakultäten in Wien, Salzburg, Innsbruck und Graz - werden anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums - und rund um dem jährlich begangenen "Tag des Judentums" (17. Jänner) - Seminare, Studientage und Vorträge zur bleibenden Relevanz des Konzilsdokuments abhalten. "Dieses österreichweite Projekt ist einzigartig," so der Wiener Religionspädagoge und Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit Prof. Martin Jäggle.
Eines der bemerkenswertesten Zeugnisse für die Öffnung der katholischen Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil solle so "weltweit ins Rampenlicht gestellt" werden. "Wir können in diesen Veranstaltungen substanzielle Beiträge zur theologischen Diskussion erwarten", so Jäggle.
Das östereichweite Projekt werde die durch Nostra Aetate ermöglichte Erneuerung der Theologie unterstützen und weiterführen. Zusätzlich würden die theologischen Hochschulen, Universitäten und Fakultäten über die Verankerung des Judentums in ihrer Lehre und Forschung berichten.
An der Universität Wien ziehen internationale Referentinnen und Referenten am 15. Jänner (14-18 Uhr, HS 47) Bilanz über den christlich-jüdischen Dialog: der jüdische Theologe Ed Kessler (Cambridge), die evangelische Theologin Ursula Rudnick (Hannover) und die katholische Theologin Johanna Rahner (Tübingen). "In Wien war uns ein historischen Vortrag wichtig: der christlich-jüdische Dialog hat gerade hier seinen besonderen Kontext, wo einst die drittgrößte jüdische Gemeinde weltweit gelebt hat. Hier hat Hitler seinen Judenhass gelernt, hier haben aber auch mit Johannes Oesterreicher und Franz König zwei Personen gewirkt, die wesentlich am Zustandekommen von Nostra Aetate beteiligt waren - und somit an der neuen Haltung der katholischen Kirche zum Judentum", so Präsident Jäggle. Der Rechtsphilosoph Stefan Schima wird die Geschichte des Antisemitismus an der Universität Wien nachzeichnen und damit auch einen Beitrag zum 650-Jahr Jubiläum der Alma Mater Rudolphina leisten.
Offener und differenzierter Blick auf Religionen
Trotz der Kürze von "Nostra Aetate" habe sich mit dem Dokument das "grandioseste und einschneidendste Versöhnungswerk" des Konzils ergeben, nämlich die Versöhnung mit dem Judentum, hob der Theologe Winkler hervor. "Dies konnte nur durch die Änderung der Haltung gegenüber den anderen Religionen passieren: Nostra Aetate ermöglichte einen offenen und differenzierten Blick auf die Religionen", so Winkler.
Das Zweite Vatikanische Konzil sei aber nicht naiv gewesen. Doch es habe sich erstmals nicht automatisch negativ und herablassend gegenüber anderen Religionen verhalten, fügte der Dogmatiker hinzu.
Beim Studiennachmittag zum Thema "Über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen" am 15. Jänner in Salzburg, den Winkler mitorganisiert, geht es zentral um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Dialog von Christentum und Judentum, wies Winkler hin. Seit einigen Jahren werde im Jänner der Tag des Judentums in Österreich begangen; "anlässlich 50 Jahre Nostra Aetate werden wir uns deshalb kritisch damit auseinandersetzen, ob der Dialog der katholischen Kirche mit dem Judentum nach wie vor eine fördernde Rolle hat oder ob der Erfolg des neuen Verhältnisses Christen und Juden möglicherweise sogar versöhnt hat", erklärte der Theologe.
Die Philosophisch-Theologische Hochschule St. Pölten weist am 15. Jänner auf unterschiedliche theologische Dimensionen von Nostra Aetate ein. Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Innsbruck hat dies für den 16. Jänner auf dem Programm. Auch die Wiener Theologischen Kurse machen mit (am 17. Jänner) .
Die Hochschule Heilgenkreuz beschäftigt sich am 12. Jäner mit Abraham Josuah Heschel und jüdischen Impulsen für das Konzilsdokument. Die Universität Graz behandelt zwei Tage später die religionswissenschaftliche Dimension des Konzilstexts. Die Katholisch Theologische Privatuniversität Linz hat die Darstellung des Judentums in den Gesangbüchern der Kirchen im Fokus (19. Jänner).
Neue Kultur des Miteinander
Die Katholisch-Theologische Fakultät der Karl Franzens-Universität Graz macht sich bei ihrer Veranstaltung am 14. Jänner mit dem Titel "Religionen und die Begegnung mit dem Anderen" auf "den Weg zu einer neuen Kultur des Miteinanders". Vorträge, Workshops und Diskussionen über aktuelle Fragen religiöser Vielfalt und konkrete Erfahrungen in der Begegnung zwischen den Religionen werden im Rahmen der Veranstaltung angeboten.
Auch kulturelle Akzente sind zu Beginn des "Nostra Aetate"-Jubiläumsjahres vorgesehen: Martin Jäggle kündigte für 18. Juni 2015 im Wiener Volkstheater die dritte Auflage des Konzerts der All-Star-Band "Shalom! Music Between Friends" an. Zu Benediktiner-Abtprimas Notker Wolf (Rom, Querflöte), Bischof Michel Bünker (Schlagzeug), Sektionschef Gerhard Steger (Gitarre) und Oberrabbiner Chaim Eisenberg (Gesang) stoßen diesmal der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka (Piano), und der Wiener Jüdische Chor unter der Leitung von Roman Grinberg.
Die Ergebnisse der Veranstaltungen werden in der hundertsten Ausgabe der Quartalsschrift "Dialog - DuSiach" des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit veröffentlicht.
Infos zu den österreichweiten Veranstaltungen finden sich auf der Website des Koordinierungsausschusses: www.christenundjuden.org