Kerze und Lampe
...las ich in einem Brief, den Freunde einem Schwerkranken geschrieben hatten. Die Kerzen vor dem Gnadenbild sollten ein Ausdruck und zugleich eine Intensivierung des Gebetes sein.
Kerze und Öllampe sind mindestens seit dem 4. Jahrhundert auch christliche Symbole. Aber schon vor der Existenz des Christentums und auch gleichzeitig mit ihm sind sie für Menschen anderen Glaubens wichtig gewesen. Die lichtlose Nacht war von jeher als unheimlich und unwirtlich empfunden worden. Das Licht in der Nacht bot als Feuer Wärme und auch Schutz vor sonst unsichtbarer Gefährdung.
Das wärmende Licht wurde bald in die Herdstätten eingeborgen, das erhellende Licht hingegen gewann man durch Kienspäne, Pechfackeln und in Ländern, wo der Olivenbaum gedieh, durch Öllampen. Diese Lampen waren ursprünglich sehr schlicht: kleine, offene Schalen aus Ton, in deren weiche Masse man vor dem Brennen einen Schnabel für den Docht aus Pflanzenfasern oder Stoffresten geformt hatte. Später wurde die Gestalt der Lampe verfeinert.
Solche Lampen und auch die aus Bienenwachs geformten Kerzen waren aber nicht bloß nützliche Alltagsinstrumente. Sie hatten auch religiöse Bedeutung. Ihr Licht, das die Dunkelheit erhellte, war ein Gleichnis für die Existenz des Menschen als ein Weg aus dem Dunkel ins Licht; für die Geburt aus dem Mutterschoß in das Licht der Welt und für die zweite Geburt aus dem Schoß des Todes in ein jenseitiges ewiges Licht. Heidnische Tempel, aber auch der Tempel in Jerusalem waren erhellt vom Licht vieler Lampen. Bei Griechen und Römern war das Anzünden der Lichter im Tempel wie im Wohnhaus ein Vorgang von religiöser Bedeutung. Der Lichtträger trat ein und sprach eine Wunschformel, oder er rief „Gutes Licht“, worauf die Anwesenden riefen: „Sei gegrüßt, Licht.“ Den Kaisern und Königen der Antike wurden Lichter vorangetragen, um sie zu ehren.
Die Christen übernahmen nach dem Ende der antiken Religion dieses Lichtsymbol, von dem ja auch Jesus viele Male gesprochen hatte. Lampen brannten nun auch an den christlichen Gräbern und erhellten die Kirchen. Die Zahl der Flammen in den Kronleuchtern der römischen Lateranbasilika, der päpstlichen Kirche, wird im „liber pontivicalis“ mit 8370 angegeben. Auch die Kerzen kamen in Gebrauch. Das Exsultet-Lied, mit welchem in der Osternacht die Osterkerze besungen wird, datiert in seinem Kern aus dem 4. Jahrhundert.
In Licht verwandeltes Öl oder Wachs sind Gleichnis dessen, was der Christ im Glauben an die Auferstehung erhofft und in welchem er sich nach einem Wort der Dichterin Marie Luise von Kaschnitz zuweilen fühlt wie „vorweggenommen in ein Haus von Licht“. Viele Kerzen brennen daher bei festlichen Gottesdiensten auf den Altären. Viele Kerzen brennen auch vor Gnadenbildern, bei denen Christen den Trost für ihre und anderer Menschen müde gewordene Seele suchen.
Liebe ist verschwenderisch, wie jene reuige Sündern gezeigt hat, die eine Fülle kostbaren Nardenöls über Jesus ausgoss, um ihn so noch vor seinem Tod für das Begräbnis zu salben. Aufklärer wie Kaiser Joseph II. hielten solches für unnütz und daher für tadelnswert. Jesus aber hat die Sünder in Schutz genommen.
Bischof Egon Kapellari
entnommen aus: Heilige Zeichen, Styria
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