Hallo Kinder!
Ich bin oft vor dem Eingang zum Ponyhof gestanden und habe zugeschaut, wie meine Mitschülerin Gloria stolz auf ihrem Pony vorbeigeritten ist und auf mich heruntergeschaut hat. Ich mag Pferde sehr gerne und würde ihnen auch die Hufe auskratzen, das Fell striegeln und ihnen hin und wieder eine Möhre zum Naschen geben. Ich hätte nie daran gedacht, dass ich jetzt auch reiten lernen darf.
Aus der Parallelklasse sind auch zwei Burschen hier, aber die schauen uns Mädels nicht einmal an, so eingebildet sind die. Seither habe ich mich ein wenig mit Gloria angefreundet. Sie erzählt oft von ihrem tollen Mädchenzimmer, dass ihre Mutter Schauspielerin ist und der Papa urviel Geld verdient und teure Autos fährt. Zu den Herbstferien fliegen sie in die Karibik und ich soll inzwischen ihr Pony Lisa ein wenig mit Äpfeln und Karotten verwöhnen.
Vor dem Tor zum Reitstall stehen zwei Frauen. Sie holen ihre Töchter von der Reitstunde ab. „Wissen Sie, eigentlich kann ich mir die Reiterei meiner Gloria gar nicht leisten. Aber sie war so traurig, wie uns mein Gatte verlassen hat, dass ich sie mit irgendetwas Schönem trösten will“, sagt mit einem tiefen Seufzer Glorias Mama. Frau Gruber macht große Augen. „Ja, bei uns ist es ähnlich“, nickt Paulas Mutti. „Die Reitstunden bezahlt ihr die Oma, obwohl die nur eine kleine Rente hat. Sie ist halt so verliebt in ihre Enkelin.“ „Wenn unsere Mädel eine Freude am Reitsport haben, soll es recht sein, wir waren ja auch einmal zehn Jahre jung“, lachen die beiden.
Heute kommt Paula aus dem Ponyhof und geht mit Mama nach Hause. Unterwegs erzählt sie vom tollen Leben ihrer neuen Freundin. Frau Gruber hört interessiert zu und erzählt Paula, was sie von Glorias Mama erfahren hat. Nun ist es Paula, die große Augen macht, aber sie hat sich vorgenommen, still zu sein und ihre Freundin nicht zu beschämen. „Sie übertreibt halt gerne. Wenn sie eine Maus im Pferdestall sieht, kriegt sie gleich die Panik, aber ich mag sie trotzdem“, meint achselzuckend Paula.
Es wird langsam Herbst, die Tage werden kürzer – und wieder treffen sich Paulas Mama und Glorias Mutti vor dem Tor des Ponyhofes. Es riecht nach verbranntem Gras und der Wind wird stärker. Es herrscht geschäftiges Treiben, man hört das Klappern der Hufe, Paula hat ihr Pony versorgt und begrüßt die beiden Damen.
Plötzlich ein lauter Schrei! Es ist Glorias Stimme: „Hilfe, Hiilfee! Kann jemand kommen, da stinkt es nach Verbranntem! Halloo, meine Lisa brennt!“ „O nein!“, seufzt die Mutter von Gloria, „je älter meine Tochter wird, desto verrückter wird sie. Immer übertreibt sie.“ „Soll ich nachschauen?“, bietet sich Paula an. „Wir kennen sie ja, unsere Angeberin, aber sie meint es nicht so ernst!“ Und schon ist Paula weg...
Die beiden Damen reden noch über Glorias Umgang mit der Wahrhaftigkeit, da hören sie das Folgetonhorn des Ambulanzautos. „Nanuu, wird doch nichts geschehen sein?“, fragt Glorias Mutter. Und schon kommen die zwei Mädel gelaufen, atemlos rufen sie: „Der alte Michel liegt wie tot auf einem Strohballen. Seine Zigarette hat das Heu entzündet, wir müssen die Pferde retten, wir haben keine Zeit.“ Und schon sind sie wieder weg.
Inzwischen ist auch die Feuerwehr da, der kleine Brand ist schnell unter Kontrolle. Der alte Michel liegt auch schon friedlich im Rettungswagen und nach zwanzig Minuten ist der Spuk vorbei. „Ich habe ja um Hilfe gerufen, aber keiner hat mir geglaubt!“, ruft die sehr empörte Gloria. Sie ist ganz schwarz im Gesicht und ihre schicke Reithose hat ein Loch. „Ich hab’ das Feuerchen ausgetreten und gerufen, nur Paula hat geholfen.“ Dann deutet sie auf zwei Burschen: „Und wo wart ihr, als ich gerufen habe?“ „Wir kennen doch unsere verrückte Glori“, sagen die beiden Mitschüler und schauen verlegen zu Boden.
Nun stehen viele Leute um die beiden Mädchen herum und applaudieren, sogar die Mitschüler aus der 4a klatschen anerkennend. Der Reitstallbesitzer bedankte sich feierlich und schenkte den beiden Gratisreitstunden, weil sie größeres Unheil verhindert haben.
Erwin aus der Parallelklasse kann es sich nicht verkneifen, er sagt lachend: Meine Oma hat immer einen Spruch für jede Situation:
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn sie oder er die Wahrheit spricht!
Warum hat Gloria nicht die Wahrheit gesagt?
Es gibt einige Antworten.
Schreibe sie auf und sende sie uns!
Frohes Nachdenken über die verzwickte Frage wünscht dir
Hannelore Forstreiter
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Einsendeschluss: 15. Dezember 2022
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Schöne Bücher werden verlost.
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