Die Maronitische Kirche ist mit bis zu 3,3 Millionen Gläubigen die größte katholische Orient-Kirche. Sie ist auch insofern eine Ausnahme, als dass es sie nur in ihrer katholischen Form gibt. Es gibt keine orthodoxe, von Rom getrennte, maronitische Schwesterkirche. Zwischen 1,2 und 1,4 Millionen Maroniten leben im Libanon, wo die Kirche ein bedeutender gesellschaftlicher und politischer Faktor ist. (Mehr als die Hälfte der Maroniten lebt zugleich in der Diaspora.)
Der Patriarch der Maronitischen Kirche hat seinen Sitz in Bkerke nördlich von Beirut. Er muss stets nach seiner Wahl vom Papst bestätigt werden. Trotz ihrer katholischen Bindung haben die Maroniten ihre eigene Hierarchie und eine eigene (westsyrische) Liturgie. Die Liturgie wird zwar auf Arabisch und Syrisch gefeiert, ist aber dem römisch-katholischen Ritus sehr ähnlich. Maronitische Priester sind auch berechtigt, die Liturgie nach dem römisch-katholischen Ritus zu feiern.
Im Libanon sind die Maroniten die stärkste christliche Kraft. Doch auch die maronitische Diaspora ist von großer Bedeutung. Vor allem während des libanesischen Bürgerkriegs von 1975 bis 1992 flohen unzählige Maroniten ins Ausland. So leben heute in Argentinien etwa 700.000 Maroniten, in Brasilien fast 500.000, in Australien und Mexiko jeweils 150.000 und in Kanada und in den USA jeweils etwas über 80.000. In Europa leben etwa 71.500 Maroniten in Frankreich, 50.000 in Großbritannien und 5.000 in Belgien.
In Österreich – fast ausschließlich in Wien – leben rund 300 Maroniten, die in einer eigenen Gemeinde organisiert sind. In Deutschland ist die Maronitische Kirche insgesamt mit rund 8.000 Gläubigen präsent. Für die Schweiz liegen keine Daten vor, geschätzt dürften es ähnlich viele wie in Österreich sein.
Zwischen den kirchlichen Fronten
Der Name der Kirche leitet sich ab vom hl. Maron (+410) ab, der als Einsiedler in den syrischen Bergen nahe der Stadt Aleppo lebte, ein einfaches und zutiefst spirituelles Leben führte und so zahlreiche Schüler um sich sammelte. Maron hatte freilich nicht die Absicht, eine Kirche zu gründen. Bald nach seinem Tod gründeten einige seiner Schüler das Kloster Mar Maron – die Keimzelle der Maronitischen Kirche. Zu Spitzenzeiten sollen bis zu 800 Mönche im Kloster gelebt haben.
In den theologischen Auseinandersetzungen des 5. Jahrhunderts standen die Maroniten – und mit diesem Begriff sind zur damaligen Zeit in erster Linie die Mönche des Klosters Mar Maron gemeint - entschieden auf der Seite der Befürworter des Konzils von Chalcedons (451). Im 7. Jahrhundert gerieten die Maroniten zwischen die kirchlichen Großfronten. Der byzantinische Kaiser Herakleios (576–641) versuchte mit Hilfe der Lehre des Monotheletismus, nämlich dass es in der Person Christi nur einen einzigen Willen gäbe, einen Kompromiss zwischen Anhängern und Gegnern des Konzils von Chalcedon von 451 zu erreichen. Die Mönche des Maron-Klosters wurden die prominentesten Verfechter dieser Lehre. Sie hielten an ihr auch dann noch fest, als das sechste Ökumenische Konzil von Konstantinopel (681) den Monotheletismus verurteilte. Das bekamen die Maroniten aber nicht einmal mit, da sie durch die Invasion der muslimischen Araber am Konzil nicht teilnehmen konnten.
Als Monotheleten wurden die Maroniten in Folge sowohl von den Befürwortern als auch Gegner des Konzils von Chalcedon verfolgt. Dazu kam noch der Druck durch die neuen muslimischen Herrscher der Region. Deshalb flohen die Maroniten in die unwegsame Bergwelt des Libanon und nach Zypern. Im 8. Jahrhundert wählten sie einen eigenen Patriarchen und entwickelten sich so zur eigenständigen Kirche.
In der Kreuzfahrerzeit nahmen die Maroniten problemlos Kontakt mit der Römisch-katholischen Kirche auf. Von ihrem Selbstverständnis her waren sie auch nie von dieser Kirche getrennt gewesen. 1182 wurde die vollständige Kirchengemeinschaft der Maronitischen Kirche mit der Kirche von Rom offiziell bestätigt.
Mönchtum und Bildung
Nach der Vertreibung der Kreuzfahrer wurden die Maroniten von den (muslimischen) Mameluken zunächst verfolgt, erlangten jedoch ab dem 16. Jahrhundert im Osmanischen Reich eine gewisse Autonomie. Zu dieser Zeit (1584) wurde auch das Maronitische Kolleg in Rom gegründet.
Das Mönchtum spielt bis heute eine bedeutende Rolle in der Kirche: Die Klöster im Bergland des Libanon sind nicht nur für die Christen wichtige geistliche Zentren.
Nach starken Latinisierungstendenzen im 18. und 19. Jahrhundert, besann sich die Maronitische Kirche im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) wieder vermehrt auf ihre eigenen Traditionen und bemüht sich seither in ihren neueren liturgischen Büchern um eine stärkere Würdigung ihrer westsyrischen Wurzeln.