Die Äthiopisch-orthodoxe Kirche ist mit rund 40 Millionen Gläubigen die mit Abstand größte orientalisch-orthodoxe Kirche. Die überwiegende Mehrheit der Gläubigen lebt in Äthiopien. Der Patriarch hat seinen Sitz in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Die eigentlich Bezeichnung lautet „Äthiopisch-orthodoxe Tewahedo Kirche“. Tewahedo bedeutet Einheit und nimmt Bezug auf die christologische Lehre der EINEN göttliche und menschliche Natur Christi.
Die Äthiopisch-orthodoxe Kirche ist neben der Eritreisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche die einzige unter den altorientalischen Kirchen, in der die Mehrheit der Gläubigen noch im Ursprungsland lebt. Dennoch steigt die Zahl der Auswanderer, die in Amerika oder Europa bessere Lebensbedingungen suchen. In Europa hat die Kirche drei verantwortliche Bischöfe: in Rom, in London und seit 2018 auch in Berlin Für Deutschland werden derzeit rund 20.000 äthiopische Gläubige geschätzt, in Österreich gibt es eine kleine Gemeinde in Wien mit mehreren hundert Gläubigen.
Historisch nachweislich brachten zwei Sklaven aus Tyros das Christentum (über das Rote Meer) nach Äthiopien. Einer dieser beiden, Frumentius, wurde vom Patriarchen Athanasius von Alexandrien im 4. Jahrhundert zum erste Bischof von Äthiopien geweiht. Noch im gleichen Jahrhundert wurde das Christentum zur Staatsreligion. Seither unterstand die Kirche immer jurisdiktionell der Koptischen Kirche und das äthiopische Kirchenoberhaupt wurde vom koptischen Patriarchen von Alexandrien geweiht. Erst in den 1950er-Jahren wurde die Äthiopische Kirche unabhängig. Das Staatskirchentum bestand in Äthiopien bis zum Sturz von Kaisers Haile Selassie 1974.
In der äthiopischen Kirche finden sich viele alttestamentliche Bezüge und ein jüdisches Erbe, wie es sonst in keiner anderen christlichen Tradition zu finden ist. Dies gilt an erster Stelle für den Tabot (Altartafel; Nachbildungen der Holztafeln, auf den die zehn Gebote von Gott eingraviert wurden). Der Tabot und das ihn umhüllende Tuch gelten als Nachbildung der Bundeslade, die nach äthiopischer Lehre von Menelik, dem Sohn der Königin von Saba und des Königs Salomo, von Jerusalem nach Äthiopien gebracht worden war. Jede Kirche verfügt über mindestens einen Tabot, auf dem die Eucharistie gefeiert wird. Liturgiesprache ist das altäthiopische Ge’ez, das heute nur mehr im Gottesdienst verwendet wird. Die Äthiopische Kirche kennt rituelle Tänze, die verwendeten Instrumente (Trommeln, Rasseln, Harfen, …) machen die starke alttestamentliche Prägung der Kirche deutlich. Die Liturgie der Äthiopisch-orthodoxen Kirche vorzubereiten dauert Stunden. Mehr als 200 Fastentage bestimmen das Kirchenjahr.
Die Äthiopisch-orthodoxe Kirche ist für ihre besondere Art Ikonen zu malen weltberühmt, die großen Augen sind ein markantes Merkmal. Auch die in den Erdboden gegrabenen Felsenkirchen (von Lalibela) gelten als herausragendes kirchlich-kulturelles Erbe. Die stark ausgeprägte klösterliche Tradition der Kirche geht auf syrische Mönche zurück, die schon früh ins Land kamen. Neben den Mönchspriestern gibt es in der Kirche auch verheiratete Priester.
Obwohl die Äthiopisch-orthodoxe Kirche zur Familie der orientalisch-orthodoxen Kirche zählt, ist doch erwähnenswert, dass sie die Beschlüsse des Konzils von Chalcedon (451), mit dem die Trennung zwischen den Kirchen traditionell begründet wird, erst im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte ablehnte.
Heute muss sich die Äthiopisch-orthodoxe Kirche vor allem der Aufgabe stellen, dass immer mehr Äthiopier in die ganze Welt auswandern und die Kirche daher auch in der Diaspora Strukturen aufbauen muss.