FASTENZEIT
Den Beginn der Fastenzeit markiert das Aschenkreuz, das den Gläubigen am Aschermittwoch auf die Stirn gezeichnet wird.
Bereits in alttestamentlicher Zeit (z.B. im Buch Jona oder im Buch Hiob) diente die Asche als Zeichen der Buße. Am Aschermittwoch legt es der Priester mit den Worten auf die Stirn:
Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zu Staub zurückkehrst.
Üblich ist dabei auch der Ausspruch: "Kehre um und glaube an das Evangelium" - ein Aufruf zur Wegkorrektur und zur Besinnung auf Christus als Zentrum des christlichen Glaubens.
Der Aschenritus stammt aus dem 11. Jahrhundert und damit aus jener Zeit, in der die Büßer öffentlich am Aschermittwoch aus der Kirche ausgeschlossen und als Zeichen der Buße mit Asche bestreut wurden. Erst am Gründonnerstag wurden sie feierlich wieder in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen.
Verzicht in unterschiedlicher Form
Fasten wird heute von Menschen auf unterschiedliche Weise praktiziert. Verzicht auf Fleisch oder Süßigkeiten, Nicht-Benützen des Autos oder tägliche Auseinandersetzung mit einer Bibelstelle zählen zu den häufigen Fastenpraktiken. Auch Tagesimpulse per SMS oder E-mail werden viel genutzt. Der Aschermittwoch ist neben dem Karfreitag der einzige Tag, der in der katholischen Kirche als strenger Fasttag gilt.
Die heute gebräuchliche Rede von der 40-tägigen Fastenzeit ist liturgisch nicht ganz korrekt, macht aber auf die hohe symbolische Bedeutung der Zahl 40 in der Bibel aufmerksam. So fastete der Prophet Elija 40 Tage in der Wüste, ehe er seiner Berufung folgte. Das Volk Israel wanderte nach dem Auszug aus Ägypten 40 Jahre durch die Wüste und durchlief damit eine Zeit der Läuterung. Moses war Gott auf dem Berg Sinai 40 Tage nahe. Die Stadt Ninive hatte 40 Tage, um ihre Sünden zu bereuen. Und auch Jesus nahm nach seiner Taufe im Jordan eine 40-tägige Gebets- und Fastenzeit in der Wüste auf sich.
Die letzte Woche vor Ostern ist die Karwoche, auch "Heilige Woche" genannt. Sie vergegenwärtigt den dramatischen Höhepunkt im Leben und Wirken Jesu. In ihr wird des Einzugs Jesu in Jerusalem (Palmsonntag), der Feier des Paschafestes mit den Jüngern (Gründonnerstag), der Gefangennahme, Verurteilung und schließlich der Hinrichtung Jesu (Karfreitag) sowie der Grabesruhe am Karsamstag gedacht, bevor in der Osternacht das Fest der Auferstehung gefeiert wird.
Liturgiereform bringt Akzentverschiebung
Vor der Liturgiereform in der katholischen Kirche (Ende der 1960er-Jahre) dauerte die Fastenzeit vom Aschermittwoch bis zum Karsamstag, also 46 Tage. Da die sechs darin enthaltenen Sonntag nicht als Fasttage gezählt wurden, kam man auf die Zahl 40. Dafür steht auch von alters her der lateinische Begriff "Quadragesima" ("Vierzig Tage").
Mit dem zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) und der danach einsetzenden Liturgiereform wurde eine Akzentverschiebung eingeleitet. Die Tage der Vorbereitung auf Ostern wurden inhaltlich von einer "Fastenzeit" zur "österlichen Bußzeit" verändert. Diese Bußzeit dauert vom Aschermittwoch bis zum Abend des Gründonnerstags und endet vor dem Beginn der Abendmahlsfeier, inhaltlich geht es um die Vorbereitung auf Taufe und Buße. Vom Fasten ist explizit eigentlich keine Rede mehr, freilich ist es im Begriff "Buße" miteingeschlossen, wie der Linzer Liturgieexperte em. Prof. Hans Hollerweger erläutert. Auch die Sonntage gehören zu dieser neuen "österlichen Bußzeit", wodurch sich genau genommen 44 Tage ergeben. Trotzdem blieb die gebräuchliche Bezeichnung "vierzig Tage" bestehen, zumal sie pastoral von bleibender Aktualität sind, gehe es doch um Maßhalten und Verzicht, so Hollerweger.
Mit der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag beginnt nach der neuen kirchlichen Ordnung das sogenannte "Triduum des Leidens, Sterbens und der Auferstehung". Die Grundordnung des Kirchenjahres spricht von der "Feier der drei Österlichen Tage". Das ganze Triduum gilt als ein einziges Fest, das höchste des Kirchenjahres. Der Karfreitag und Karsamstag werden auch als "österliche Fasttage" bezeichnet.
Orthodoxe Kirche: Beginn mit "reinem Montag"
Ausgeprägter als in der römisch-katholischen Kirche wird in der orthodoxen Kirche gefastet. Während die Katholiken noch den Faschingausklang feiern, bevor sie ihre Fastenzeit mit dem Aschermittwoch beginnen, fängt für orthodoxe Christen schon mit dem Montag nach dem Faschingssonntag - umgangssprachlich oft "reiner Montag" genannt - die Fastenzeit an. Dieser Tag ist gemeinsam mit dem Karfreitag der wichtigste Fasttag des Jahres. Auf die ersten 40 Tage des "Großen Fastens" folgen der Lazarus-Samstag, der Palmsonntag und die Karwoche. Heuer feiern westliche und östliche Kirchen Ostern zum selben Datum.
Während des Fastens dürfen in der orthodoxen Kirche keine tierischen Erzeugnisse gegessen werden. Dazu zählen neben Fleisch auch Milchprodukte, Eier und Fisch. Am "reinen Montag" und am Karfreitag sollen die Gläubigen überhaupt aufs Essen verzichten.
Außerdem sind mit wenigen Ausnahmen auch jeder Mittwoch und Freitag Fasttage in der orthodoxen Kirche. Der Mittwoch erinnert an den Verrat Jesu durch Judas, der Freitag an den Kreuzestod Jesu. Dazu kommen noch einige weitere eintägige Fasttage im Lauf des Kirchenjahres.
Individuelles Trainingsprogramm und Wurstessen
Gegenüber der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche legt die reformatorische Tradition weniger Wert auf verbindliche Fastenzeiten. Allgemeingültige Fastengebote gibt es für evangelische Christen nicht; sie sollen selbst entscheiden, worauf sie eine Zeit lang verzichten möchten. Martin Luther verstand das Fasten als individuelle Frömmigkeitsübung, die nicht allen Gläubigen gleichermaßen empfohlen oder gar verordnet werden könne. Dementsprechend sprach er sich auch gegen eine verbindliche Fastenzeit aus. Ein strikter Fasttag ist für viele evangelische Christen aber auf jeden Fall der Karfreitag.
Zum besseren Verständnis für die Einstellung der reformierten Christen zum Fasten kann auch auf das "Wurstessen" 1522 in Zürich verwiesen werden. Am ersten Sonntag der vorösterlichen Fastenzeit kamen im Haus des Druckers Christoph Froschauer einige Bürger zusammen, um Wurst zu essen und damit provokant gegen das geltende Fastengebot zu verstoßen. Mit dabei soll auch der Reformator Ulrich Zwingli gewesen sein, ohne sich aber direkt am Wurstessen zu beteiligen.
Kurz darauf legte Zwingli aber in einer Predigt seine Position dar: Jeder solle in Freiheit fasten, wenn er das will. Allgemein verbindliche Fastenvorschriften seien unbiblisch und deshalb laut Zwingli abzulehnen, wie der reformierte Landessuperintendent von Österreich Thomas Hennefeld erläutert.
Viele Gläubige - nicht nur der evangelischen Kirche - haben in den vergangenen Jahren aber die Fastenzeit neu entdeckt. Ein Beispiel dafür ist die Aktion "Sieben Wochen ohne", in der geistliche Betrachtungen mit dem Verzicht auf bestimmte Speisen oder andere liebgewonnene Gewohnheiten verbunden werden. An dieser ursprünglich aus Deutschland stammenden Initiative beteiligen sich inzwischen auch viele evangelische Gläubige in Österreich. Die Aktion steht heuer unter dem Motto "Augenblick mal! - 7 Wochen ohne Sofort" (www.siebenwochenohne.de).