Corona-Krise als Belastungstest für die Altenheimseelsorge
Welche psychosozialen Folgen die Corona-Krise in der Altenheimseelsorge nach sich zog, hat Rupert Aschauer, Leiter des Referats für Altenpastoral der Diözese Linz und Altenheimseelsorger in Mauthausen, geschildert. Als die alten Menschen die Seelsorger am meisten gebraucht hätten, durften diese nicht zu ihnen, hieß es zu seinem Interview in der Linzer "KirchenZeitung". Aschauer sei "fassungslos und orientierungslos" gewesen, als er beim Ausbruch der Pandemie von der Plegedienstleitung an einem Freitag Mitte März hörte, wie wichtig Seelsorge in solchen Situationen sei und dass er natürlich Teil des Hausteams sei. Am Montag darauf wurde von der Heimleitung bis auf Weiteres Betretungsverbot als Vorgabe der Behörde verfügt.
Von den 30 hauptamtlichen Altenheimseelsorgern in Oberösterreich durften in der Folge nur drei die Altenheime betreten. Das generelle Verbot wurde laut Aschauer im Laufe der Wochen unterschiedlich rigoros ausgelegt; die Entscheidungskette reiche vom Gesundheitsministerium über den Krisenstab des Landes und die Sozialhilfeverbände mit befugten Bezirkshauptleuten bis hin zur jeweiligen Heimleitung. Dadurch gibt es oft innerhalb eines Bezirkes unterschiedliche Lösungen, erklärte der Seelsorger. "Das Problem, das große Unruhe unter den Seelsorgern auslöste, war die Ungleichzeitigkeit. Während in Vorarlberg bereits wieder Ehrenamtliche aus der Seelsorge auf die Stationen durften, galt bei uns für Hauptamtliche noch das Betretungsverbot für die Wohnbereiche." Er selbst durfte am 11. Mai das erste Mal wieder ins Haus, sagte Aschauer.
Von Pflegern wisse er, dass die Demenzkranken am meisten gelitten und auch am meisten abgebaut hätten. Generell seien die Heimbewohner sehr froh über die wieder mögliche Präsenz der Seelsorger gewesen. Mit ihnen könne man besprechen, was mit dem Personal und oft auch mit der eigenen Familie nicht so leicht geht, habe Aschauer eine 85-jährige Frau gesagt. Anders als in der Krankenhausseelsorge sei es im Altenheim mit digitalen Formen der Kommunikation schwieriger, weil mehr als die Hälfte der Bewohner an Demenz leiden. Hier brauche es vielmehr den ganz persönlichen Kontakt, die unmittelbare Nähe und das Berührtwerden - etwa durch ein Kreuzzeichen auf die Stirn.
Die Übertragung von Gottesdiensten im hauseigenen Fernsehnetz sei an der Technik gescheitert, berichtete Aschauer von Mauthausen. Er wollte das Personal nicht zusätzlich belasten, im Wissen darum, dass alle bis an die Grenze des Möglichen zu arbeiten hatte. Der Seelsorger half sich mit von ihm gestalteten Gebetsblättern für jeden Sonntag, die das Personal verteilte. Die Rückmeldungen darauf seien sehr positiv gewesen, so Aschauer. Er habe auch Heimbewohner angerufen, bei denen das möglich war.
"Virus hat Blick auf vieles verstellt"
Corona habe gezeigt: "In gesellschaftlichen Stresszeiten wird der alte Mensch sehr eindimensional gesehen. Da wird er, vielleicht zu schnell, seiner Seele und seines Geistes beraubt." Der Platz, den die Seelsorge im Gesamt der Pflege und Betreuung alter und dementer Menschen einnehmen soll, muss laut Aschauer neu geklärt werden - unter Wahrung deren Würde. In den allermeisten Heimen Oberösterreichs werde nach den Standards der Palliativpflege betreut, mit der Seelsorge als fixem Bestandteil. "Ein Betretungsverbot für Seelsorger ist für das Palliativpflegekonzept ein Widerspruch in sich", erklärte Aschauer. "So gesehen ist das Virus so groß geworden, dass es den Blick auf vieles verstellt hat."
Seelsorge gehöre in einem Altenheim einfach dazu, betonte der kirchliche Experte. "Natürlich sind das Fragen, die die ganze Kirche in Österreich betreffen und den Einsatz aller Bischöfe brauchen."
Quelle: kathpress