Landau: "Corona verschärft Armutssituation in Österreich"
Der Blick auf Infektionsstatistiken allein genügt in der Corona-Krise nicht: Die Bundesregierung muss sich nach den Worten von Caritas-Präsident Michael Landau noch stärker als bisher "auch um jene Statistiken sorgen, die von steigender Not und zunehmender Arbeitslosigkeit berichten". Anlass für den Appell des Caritas-Chefs am Donnerstag war die Veröffentlichung der jüngsten EU-SILC-Statistik über die Armutsgefährdung im Jahr 2019. Die Daten stammen somit aus der Vor-Corona-Zeit, so Landau. "Nicht erfasst sind all jene Menschen, die sich in den vergangenen Wochen an Hilfsorganisationen wie die Caritas gewandt haben, weil sie dringend Hilfe brauchen."
Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, wies Landau hin: In Wien hätten sich doppelt so viele Menschen Hilfe suchend an die Caritas gewandt, in Salzburg sogar drei Mal so viele - "darunter auch sehr viele Menschen, die noch nie auf die Hilfe der Caritas angewiesen waren". Die Gesundheitskrise sei für viele Männer, Frauen und vor allem auch für viele Kinder in Österreich längst zu einer sozialen Krise geworden, sagte Landau. Die soziale Ungleichheit werde in Folge der Pandemie zunehmen.
Dass es laut EU-SILC-Statistik im Vorjahr einen leichten Rückgang der Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung in Österreich gab, sei erfreulich und "Ausdruck dafür, wie wichtig ein funktionierender Sozialstaat für die Menschen in unserem Land ist". Zugleich nannte es Landau "zutiefst alarmierend" und einen dringenden Auftrag an die Bundesregierung zum Gegensteuern, dass heute mehr als 300.000 junge Menschen von Armut und Ausgrenzung bedroht und betroffen sind.
Fehler bei "Sozialhilfe Neu" reparieren
Landau bekräftigte die Forderung der Caritas nach einer Solidaritätsmilliarde für Männer, Frauen und Kinder, die gegenwärtig am stärksten von den Folgen der Corona-Krise betroffen sind. "Soziale Leistungen sowie Versicherungsleistungen müssen jetzt rasch auf ihre Armutsfestigkeit hin überprüft werden. Ansonsten zieht der Lockdown der vergangenen Wochen massive soziale Folgen für die nächsten Jahre nach sich." Die Caritas rate dringend, die Ausgleichszulage auf 1.000 Euro zu erhöhen - eine Maßnahme, die Arbeitslosen ebenso zugute komme wie Mindestsicherungsbeziehern, Mindestpensionisten sowie Alleinerziehenden und ihren Kindern.
Gerade mit Kinderarmut dürfe man sich in Österreich nicht abfinden, betonte Landau. "Unsere dringende Bitte lautet, die Abschaffung der Mindestsicherung zu hinterfragen und die 'Sozialhilfe Neu' rasch zu reformieren." Die teils massiven Kürzungen für kinderreiche Familien seien ein grober Fehler gewesen, der sich durch die Corona-Krise verstärkt auswirke. Die Caritas sieht sich in ihrer Einschätzung auch durch die Höchstgerichte bestätigt: "Dieses Gesetz war nicht nur rechtlich, es ist auch menschlich fragwürdig."
In aktive Arbeitsmarktpolitik investieren
Die zuletzt massiv gestiegene Arbeitslosigkeit betreffe vor allem junge Menschen. Sie seien durch die Krise fast doppelt so stark von Arbeitslosigkeit bedroht wie die Bevölkerung insgesamt, wies Landau hin und warnte: Die Zahl der Jugendlichen, die komplett für das Ausbildungs- und Arbeitssystem verloren sind, könnte einer aktuellen Linzer Studie zu Folge um 40 Prozent steigen. Bei der Budgeterstellung für das kommende Jahr müsse die Bundesregierung somit die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik deutlich erhöhen. Um hier flexibel, rasch und effektiv reagieren zu können, braucht es nach Überzeugung der Caritas eine Stärkung des AMS und finanzielle Voraussetzungen für den Wiederaufbau und das Hochfahren des Arbeitsmarktes auch über die Zeit der akuten Krise hinaus.
Konkret forderte die Caritas ein Anreizsystem für Unternehmen, die Menschen den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben ermöglichen, speziell auch für junge Menschen. Einmal mehr schlug Landau hier die Schaffung eines "Beschäftigungsschecks" vor.
Quelle: kathpress