Schönborn: Staat-Kirche-Verhältnis braucht Kooperation und Kritik
Das Staat-Kirche-Verhältnis in Österreich, das "von nicht wenigen Ländern als beneidenswert gesehen" werde, lebe gleichermaßen von Kooperation und gegenseitiger Kritik: Darauf hat Kardinal Christoph Schönborn in einem Doppelinterview mit Kulturministerin Susanne Raab in der "Presse am Sonntag" (26. April) hingewiesen. Der österreichische Weg sei "für viele Länder etwas Ungewohntes", der sich jedoch u.a. in der aktuellen Corona-Krise bewährt habe, wo es ein "sehr konsensuales Vorgehen aller Religionsgemeinschaften" im Blick auf die Umsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen gegeben habe, so Raab. Insgesamt hätten die Kirchen und Religionsgemeinschaften einen "unverzichtbaren Beitrag" bei der Eindämmung der Pandemie geleistet.
Auf der einen Seite erleichtere dieses kooperative Modell unter Wahrung der "Eigenständigkeit der Religionsgemeinschaften" die Wahrnehmung einer "gemeinsamen Verantwortung", so Schönborn; zugleich aber gelte es, durch "kritische Worte" der Kirchen etwa an politisch heiklen Fragen zu vermeiden, "dass wir uns gegenseitig nur Streicheleinheiten verpassen". Beispiele seien die Flüchtlings- und Asylpolitik oder das Thema Mindestsicherung. Die Regierung müsse "ertragen, dass Institutionen, die sich speziell der sozialen Not annehmen, auch eine kritische Stimme erheben." Dieser "kritische Dialog" sei "das Salz in der Suppe".
Persönlich gehe es ihm als Zugehöriger der "Corona-Hochrisikogruppe" gut, teilte Schönborn weiters mit. Er halte sich an die "notwendigen Maßnahmen", halte Kontakt vor allem über Telefon und Videokonferenzen, freue sich aber auch darauf, "wenn ich wieder Gemeinden normal besuchen, wenn ich Menschen wieder treffen kann. Das geht mir alles sehr ab".
Zugleich finde er aber "an dieser außergewöhnlichen Situation durchaus Positives" - etwa, dass er zu einem "viel ruhigeren Lebensstil gezwungen" sei und dies zu seiner Genesung beigetragen habe. Aber auch im Blick auf das religiöse Leben kann der Wiener Erzbischof der außergewöhnlichen Situation etwas Positives abgewinnen:
Die Sakramente sind wichtig, aber sie sind in Notsituationen auch durch ein persönliches Glaubensleben durchaus ersetzbar. Wenn wir darauf verwiesen sind, unter diesen Bedingungen den persönlichen Glauben im kleinsten Kreis zu leben, das hat auch etwa sehr Belebendes.
Öffentliche Gottesdienste, die ab 15. Mai unter Auflagen wieder möglich sein werden, werde er nur "sehr eingeschränkt" wahrnehmen - u.a. hoffe er aber, dass er Pfingsten im Stephansdom feiern kann.
Schönborn in "Krone": In der Krise ist "Hauskirche" aufgeblüht
Als einen weiteren positives Effekt der Corona-Krise benannte Schönborn außerdem das Aufblühen der sogenannten "Hauskirche", also der möglichen Formen religiösen Lebens in den eigenen vier Wänden. "Das religiöse Leben hat in der Krise eine Intensivierung der Hauskirche erfahren. Wir können überall beten", betonte Schönborn in einem weiteren Doppelinterview mit Ministerin Raab in der "Kronenzeitung" (26. April).
Positiv bewertet der Kardinal darin auch die "digitalen Möglichkeiten", die etwa das Streaming von Gottesdiensten ermöglicht: Dies sei "eine gewaltige Chance" auch für die Kirche. Durch Homeoffice und Homeschooling würden außerdem die Familien enger zusammenrücken - und die Tatsache, dass man Großeltern nicht sehen könne, habe zudem "allen bewusst gemacht, wie kostbar es ist, zusammenkommen zu können".
Am 23. April hatten Ministerin Raab und Kardinal Schönborn im Bundeskanzleramt eine gemeinsame Pressekonferenz abgehalten, bei der über die Wiederaufnahme öffentlicher Gottesdienste unter Sicherheitsauflagen berichtet wurde. Für jeden Teilnehmer müssen 20 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen, sie haben einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen (eine Ausnahme bilden Kinder unter sechs Jahren), und es ist ein Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten (Ausnahme im selben Haushalt Lebende). Kontrollen der Behörden oder Sanktionen sind nicht vorgesehen.
Quelle: kathpress