Caritas: Sozialen Lockdown in Österreich unbedingt verhindern
Die Caritas der Erzdiözese Wien warnt vor den zunehmend dramatischen sozialen Folgen der Coronakrise. Die Gesundheitskrise beginne sich für viele Menschen bereits heute zu einer sozialen Krise auszuwachsen, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung. Das mache ein Blick auf die steigende Zahl arbeitsloser Menschen überdeutlich und "auch als Caritas spüren wir die zunehmende Not an den unterschiedlichen Stellen", so Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien. Sein Appell: "Wir müssen einen sozialen Lockdown in Österreich unter allen Umständen verhindern!"
Die Hilfe werde einen langen Atem brauchen, so Schwertner:
Wir reden hier nicht von Tagen oder Wochen, sondern von Monaten und Jahren. Und es geht nicht nur um Menschen, die schon vor der Krise in der Krise waren, sondern auch um jene, die nun unverschuldet neu in Not geraten.
Schwertner wörtlich: "Wir begegnen Menschen, die ihren Job verloren haben und nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen. Alleinerziehende Mütter suchen verzweifelt Hilfe, und müssen sich von ihren Kindern Taschengeld ausborgen, damit der Kühlschrank nicht leer bleibt und Mindestpensionisten sind oftmals nicht in der Lage, ausreichend Lebensmittel zu besorgen und zu bezahlen."
Und auch für obdachlose Menschen stelle die Pandemie einen harten Stresstest dar, so der Caritas-Generalsekretär:
Die Schwächsten unserer Gesellschaft sind am stärksten von der aktuellen Situation betroffen und 50 Prozent der Menschen, die bei der Corona Nothilfehotline anrufen, geben an, dass sie nie geglaubt hätten, jemals von der Caritas Hilfe zu brauchen.
Die zuletzt massiv gestiegene Arbeitslosigkeit macht laut Caritas den Bedarf an Hilfe besonders deutlich. Schwertner: "Wir spüren es seit Beginn der Pandemie ganz stark in unseren 36 österreichweiten Sozialberatungsstellen. Bereits vor der Krise haben wir hier im Jahr knapp 65.000 Menschen beraten und auch mit kleinen finanziellen Überbrückungshilfen dank Spendengeldern unterstützt. Doch derzeit laufen unsere Telefonleitungen noch heißer als zu normalen Zeiten." Allein in Wien hätten sich zuletzt doppelt so viele Menschen in Not an die Caritas gewandt.
In der ersten Märzhälfte gab es rund 900 Kontakte; in der zweiten Märzhälfte waren es bereits knapp 1800. Allein in den ersten beiden April-Wochen meldeten sich 2.100 Menschen bei der Caritas, so der Generalsekretär:
Aus unserer Sicht wäre es wichtig, nun nicht nur die Wirtschaft mit milliardenschweren Paketen zu retten, sondern auch die Schwächsten unserer Gesellschaft mit einer Solidaritätsmilliarde zu unterstützen.
Besonders hoch ist auch die Nachfrage nach Lebensmitteln, etwa beim Projekt "Le+O - Lebensmittel und Orientierung, das armutsbetroffene Haushalte mit Lebensmitteln und Sozialberatung unterstützt. Schwertner: "Derzeit können wir an den sechs Notausgabestellen rund 350 Gäste pro Woche mit Lebensmitteln versorgen, mehr als 500 Menschen wurden bereits mobil beliefert. In Summe wurden so mehr als 4.600 Lebensmittelpakete ausgegeben - insgesamt 62 Tonnen Lebensmittel. Die Nachfrage nach Le+O Lieferungen steigt derzeit täglich."
Neues Notquartier für Obdachlose
Mit Unterstützung der ÖBB sei es zudem gelungen, ein neues Notquartier "Bahnhof Meidling" innerhalb von kürzester Zeit aufzusperren. 70 obdachlose Menschen haben seit Anfang April die Möglichkeit, dort zu nächtigen. 200 Hygiene-Nothilfepakete wurden darüber hinaus mobil an obdachlose Menschen verteilt. Das Wärmestuben-Angebot konnte zudem verlängert und zu täglich geöffneten Not-Wärmestuben umgewandelt werden.
Beim Canisibus, dem Suppenbus der Caritas der Erzdiözese Wien, seien die Schlangen vor den Bussen länger geworden, berichtete der Caritas-Generalsekretär. Bis zu 200 Portionen würden täglich ausgegeben. Im Jänner und Februar seien es im Schnitt zwischen 130 und 150 gewesen.
Auch ist eine viel größere Anzahl der Gäste darauf angewiesen, vom Canisibus noch eine Suppe im Einmachglas mitzunehmen, damit sie auch ein Frühstück oder ein Mittagessen für den nächsten Tag haben.
Doppelt so viele Freiwillige
Positiv: Bei der Caritas haben sich allein in Wien in den vergangenen Wochen mehr als 4.000 (meist junge) Menschen gemeldet, die bereit sind, rasch und unbürokratisch dort zu helfen, wo akute Notlagen herrschen. Insgesamt sei der Freiwilligen-Pool von 3.363 Freiwilligen (Stand Februar) auf 7.363 angewachsen, teilte die Caritas mit.
Diese helfenden Hände würden dringend gebraucht: Sie kochen Suppe für den Canisibus, transportieren Lebensmittel oder Essenspakete, helfen beim Einkauf, bauen Möbel in Notquartieren zusammen, geben Essen in den Wärmestuben aus oder sitzen an den Hörern der Corona-Nothilfe-Hotline (05 17 76 300) oder des neu eingerichteten Plaudernetz (www.plaudernetz.at bzw. 05 1776 100) - einer Telefonnummer gegen Einsamkeit und Isolation.
(Infos und Spenden: www.caritas.at/corona-nothilfe)
Quelle: kathpress