Expertin: Coronakrise verschärft Situation häuslicher Gewalt
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie bringen auch einen Anstieg der häuslichen Gewalt gegen Frauen mit sich: Darauf hat Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) und Leiterin der Frauenhelpline, in einem Interview mit der Kooperationsredaktion der österreichischen Kirchenzeitungen hingewiesen. Gingen sonst durchschnittlich täglich bis zu 22 Anrufe bei der Frauenhelpline (0800 222 555) ein, seien es derzeit bis zu 36 Anrufe - "Tendenz steigend", wie Rösslhumer hinzufügte.
Für gewaltbetroffene Frauen sei es wegen des Corona-bedingten Rückzugs ins Eigenheim schwieriger geworden allein zu telefonieren oder eine Flucht ins Frauenhaus vorzubereiten, so die AÖF-Geschäftsführerin. Helfen könnten nun auch Nachbarn, die ebenfalls mehr zu Hause seien. "Wenn sie rechtzeitig Zivilcourage an den Tag legen und die Polizei einschalten, dann können sie schwere häusliche Gewalt verhindern", plädierte die Expertin. Gleichzeitig rät sie Nachbarn auch dazu, darauf zu achten, dass sie selbst genug Schutz haben.
Frauen und Kinder seien in der aktuellen Krisensituation in einer schwächeren Position als gewalttätige Männer, "weil sie oft nicht wissen, wie sie flüchten oder Hilfe bekommen können, wenn der Partner, Ehemann oder Vater die ganze Zeit zu Hause ist", erläuterte Rösslhumer. Auch beengte Wohnverhältnisse und fehlende Rückzugsräume würden Konflikte verstärken.
Unterstützung fänden Betroffene u.a. bei der Frauenhelpline, die sie in einem Moment, "wo sie alleine sind - beim Einkaufen oder beim Gang zur Apotheke", kontaktieren könnten, so Rösslhumer, die 1985 die erste Wohngemeinschaft für Frauen mit Behinderungen in Wien gründete. Zusätzlich gebe es eine Onlineberatung via www.haltdergewalt.at. "Wenn das nicht möglich ist, gelingt es eventuell, die Nachbarn zu bitten, die Polizei zu verständigen oder im Frauenhaus anzurufen", so der Rat der Expertin.
Besonders vulnerabel seien Kinder: "Sie sind die Schwächsten im Bild und können sich nicht wehren." Rösslhumer weiter: "Die Kinder lieben in der Regel beide Elternteile, sie wollen, dass die Gewalt aufhört und dass sich endlich alles beruhigt." Mit einer eigenen Kinderwebsite zu häuslicher Gewalt www.gewalt-ist-nie-ok.at wolle man auch sie erreichen und über anonyme Hilfe informieren.
Probleme gebe es vermehrt auch im Zusammenhang mit der Obsorgeregelung bei Trennungen und Scheidungen, berichtete die Frauenhelpline-Leiterin. Hier komme es zu "Druck seitens der Männer, indem sie die Frauen erpressen und sagen, wenn du mir die Kinder nicht gibst, dann bringe ich sie nachher nicht rechtzeitig zurück". Hinzu kommen würden finanzielle Schwierigkeiten, wenn Männer wegen Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit, den Kindesunterhalt selbst streichen oder reduzieren würden. "Das löst viel Verunsicherung und Panik aus."
Auch an Corona-erkrankte Frauen könnten in der aktuellen Situation Schutz finden, betonte Rösslhumer. So gebe es neben den Frauenhäusern zusätzliche Ausweichquartiere und Unterkünfte, damit im Falle von Corona-Symptomen oder anderen gesundheitlichen Problemen die Gefahr der Ansteckung vermieden werden kann.
Quelle: kathpress