Kirchlicher Experte warnt vor Verschwörungstheorien
Covid-19 als Schöpfung der Pharmaindustrie, Strafe Gottes oder Zeichen der anbrechenden Endzeit: Vor Verschwörungstheorien wie diesen warnt aktuell der Wiener Experte für Weltanschauungsfragen, Johannes Sinabell. Besonders in sozialen Medien lese man immer wieder sogenannte "Fake-News", die teilweise mittels Kettenbriefen (Hoaxes) weiterverbreitet würden, so der Experte der erzdiözesanen Beratungsstellen für Weltanschauungsfragen in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress. Unter dem Motto "Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser!" rät Sinabell daher zur kritischen Prüfung sogenannter "alternativer Medien", da Umbrüche oder Krisen ein "idealer Nährboden" für die Entstehung und Verbreitung von Verschwörungstheorien seien.
Verschwörungstheorien seien ein Spiel mit dem "Unbehagen der Bevölkerung" und eine Suche nach "Sündenböcken", erklärte der Experte. Aber auch der Grund für die Pandemie - die Virus-Übertragung eines Erregers von einem Tier auf einen Menschen - sei für manche Menschen schwer anzuerkennen.
Zudem stellten sie den Versuch dar "vielschichtige, komplexe und schwer durchschaubare gesellschaftliche, politische, ökonomische und historische Ereignisse", Widersprüchliches sowie Zusammenhangloses in einen Sinnzusammenhang zu bringen. "Allerdings um den Preis einer unzulässigen Vereinfachung", so Sinabell.
Anhänger von Verschwörungstheorien würden jedoch selbst an Erklärungsmodellen festhalten, wenn Fakten dagegensprechen. Kritik würde entweder ignoriert oder "als bewusste Desinformation der angenommenen Verursacher bzw. Drahtzieher der jeweiligen Verschwörung gewertet." Betroffene hätten zudem kein Vertrauen in öffentlich-rechtlichen Medien, würde diese als "Lügenmedien" bezeichnen oder "alternative Medien" bevorzugen. "Eine derartige Sichtweise lässt sich kaum mehr widerlegen oder aufbrechen", warnte der Experte.
Besser fragen statt diskutieren
Anstelle von Diskussionen oder Überzeugungsversuchen rät Sinabell zu konkreten Fragen und "alternativen Erklärungen". So könne Zweifel geweckt und scheinbar unumstößliche "Wahrheiten" ins Wanken gebracht werden.
Für die persönliche Auseinandersetzung rät der kirchliche Experte, Verschwörungstheorien und sogenannten "alternativen Wahrheiten" mit der gleichen kritischen Haltung zu begegnen wie einer "Mehrheitsmeinung". Jedoch solle man sich auch im eigenen Weltbild vor abgrenzenden Dualismen, wie Gut gegen Böse, hüten. Zudem sei es im Umgang mit Informationen und Erklärungen ähnlich wie "vor einer schweren Operation oder anspruchsvollen medizinischen Behandlungen: Man holt sich mindestens eine Zweitmeinung ein", betonte Sinabell.
Auch gegenüber religiösen Erklärungen der Corona-Krise rät Sinabell zu Vorsicht. Unter der Frage "Ist die Covid-19-Pandemie eine Strafe Gottes?", behandelt die Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen diese Thematik in einem eigenen Artikel.
Warnung vor antijüdischen Corona-Theorien
Auch der Antisemitismusbeauftragte des deutschen Bundeslandes Hessen, Uwe Becker, warnte vor aktuellen Verschwörungstheorien, konkret vor "antisemitischer Corona-Hetze". Vor allem in sozialen Medien würden vermehrt Juden und der Staat Israel für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich gemacht. "In klassischen antisemitischen Bildern werden ihnen zudem in einer so skizzierten 'jüdischen Weltverschwörung' wirtschaftliche Absichten in der Verbreitung des Virus unterstellt." Staatliche Stellen und Bürger riet Becker wachsam zu sein und Hetze zu melden.
Ähnlich die Deutsch-Israelische Gesellschaft: "Ganz offensichtlich wiederholt sich Geschichte doch, zumindest in den bekannten Mustern der Judenfeindlichkeit", erklärte der Verein unter Verweis auf die Erfahrungen während der mittelalterlichen Pestwellen, die zu Judenhass und schlimmsten Pogromen führten.
Bereits vor knapp zwei Wochen hatte der Antisemitismusbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Felix Klein, auf massenhaft kursierende antijüdische Verschwörungstheorien in Verbindung mit dem neuen Coronavirus hingewiesen. Die globale Pandemie schaffe ein Klima der allgemeinen Verunsicherung, was Beschuldigungen einzelner Personengruppen idealen Nährboden liefere.
(Infos: www.weltanschauungsfragen.at)
Quelle: kathpress