Zu Betlehem geboren…
Mit diesen Worten beginnt eines der wohl bekanntesten Weihnachtslieder im deutschsprachigen Raum. Betlehem, die einstmals kleine Stadt in Judäa, wurde mit Jerusalem und Nazaret zu einer der wichtigsten Städte für zwei Milliarden Christen weltweit. Als der Ort der Geburt Christi, welcher für uns kein mythologisches, sondern ein reales Ereignis ist, wurde Betlehem zum zentralen Ort des Heilsgeschehens.
Betlehem wird aber nicht nur im Neuen Testament erwähnt. Das erste Mal hören wir von Betlehem im Buch Genesis, nämlich als dem Ort, wo Rahel, die Lieblingsfrau des Patriarchen Jakob, bei der Geburt ihres Sohnes Benjamin starb. Bis heute wird das Grab der Rahel bei Betlehem vor allem von orthodoxen Juden verehrt. Dann wird Betlehem im Buch Rut erwähnt; nach dem Tod ihres Schwiegervaters, ihres Mannes und dessen Bruder, macht sich die Moabiterin Rut mit ihrer Schwiegermutter Noomi auf den Weg in deren Heimatstadt Betlehem. Rut gilt als die „erste Konvertitin“ zum Judentum und heiratet Boas. So wird sie zu einer der Stammmütter Jesu, die auch in den verschiedenen Stammbäumen im Lukas- und Matthäusevangelium erwähnt werden. Natürlich ist Betlehem die Stadt Davids, David wurde in Betlehem geboren und dort vom Propheten Samuel zum König über Israel gesalbt.
Der Name der Stadt Betlehem kann verschieden übersetzt werden, ursprünglich war Betlehem eine kanaanitische Stadt mit dem Namen „Beith Lahama“, das Haus der Lahama, einer kanaanitischen Fruchtbarkeitsgöttin. Auf Hebräisch wird Betlehem mit „Haus des Brotes“ übersetzt, was mit den Kornfeldern, die Betlehem umgeben, zusammenhängt, und für uns als Christen natürlich theologische Bedeutung hat, denn Christus ist ja für uns das Brot des Lebens. Auf Arabisch bedeutet der Name der Stadt „Haus des Fleisches“, wohl wegen der vielen Hirten, aber dieser Name erinnert uns an Christus, das Fleisch gewordene Wort des Vaters.
Seine heutige Bedeutung gewann Betlehem durch seine Erwähnung im Neuen Testament. Die Evangelisten Matthäus und Lukas erwähnen Betlehem im Zusammenhang mit der Kindheitsgeschichte Jesu. Wir hören in den Kindheitsberichten von drei Orten in Betlehem: einmal den Feldern, wo sich die Hirten befanden, als ihnen die Engel erschienen; dann vom Stall bzw. der Höhle, in der Christus geboren wurde; und dann von einem Haus, das die Weisen aus dem Osten betraten, um das Kind anzubeten und ihre Geschenke zu übergeben.
Die Hirtenfelder
In der Nähe von Betlehem befinden sich die sogenannten Hirtenfelder, die kleine mehrheitlich christliche Ortschaft heißt Beith Sahur, Haus der Wächter, denn Hirten lagerten dort und wachten bei ihren Herden. In Beith Sahur befinden sich drei Hirtenfelder, ein katholisches, das von den Franziskanern betreut wird, ein orthodoxes, und ein evangelisches. Die Frage, welches denn das echte ist, kann nur aufgrund der Tradition beantwortet werden. Auf allen Feldern befinden sich Höhlen und Grotten, die von den Hirten damals als Ställe benutzt worden sind, die Beduinen machen dies bis heute. In frühchristlicher Zeit wurde ein Teil der Grotten schon in Gottesdienstorte umgewandelt, die ältesten davon befinden sich auf dem katholischen Hirtenfeld, dort gibt es auch die Reste einer großen Klosteranlage aus byzantinischer Zeit. Die Hirtenfelder haben bis heute etwas sehr ursprüngliches, da sie nicht so verbaut sind, die alten Grotten weiter für die Gottesdienste benutzt werden und es dort viele Bäume und Pflanzen gibt. Man kann noch etwas erahnen, wie es vor 2000 Jahren ausgesehen haben könnte. Bei den Hirtenfeldern steht aber nicht so sehr ein konkreter Ort im Zentrum, sondern die Botschaft des Engels: Fürchtet euch nicht, denn heute wurde euch eine große Freude zuteil, denn heute wurde der Messias geboren, Christus der Herr. Menschen am Rand, Menschen auf dem Weg, wird diese Botschaft als erstes übermittelt. Sie nahmen diese Botschaft vom Erlöser, der uns den Frieden bringen will, an und machten sich auf den Weg nach Betlehem, um das Kind zu sehen.
Dirk D., CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die Geburtsgrotte
Die Geburtsgrotte, denn damals waren die Ställe Grotten und Höhlen, befindet sich unterhalb der Geburtsbasilika. Die Geburtsbasilika ist die älteste erhaltene Kirche der Christenheit, sie wurde von Kaiserin Helena als fünfschiffige Basilika erbaut. Die Geburtsgrotte war damals noch offen zugänglich und von einer Ädikula überbaut. Diese Ädikula wurde bei einem Aufstand der Samaritaner Anfang des sechsten Jahrhunderts angezündet, Kaiser Justinian ließ die Schäden beheben. Als einzige Kirche wurde die Basilika beim Einfall der Perser im Jahre 614 nicht zerstört, denn auf der Front der Kirche befand sich ein Mosaik, das die drei Weisen als persische Priester mit phrygischen Mützen darstellte, daher ließen die Perser die Kirche stehen. Im Lauf der Jahrhunderte kam es immer wieder zu Veränderungen an der Kirche, aber die fünfschiffige Basilika und die Geburtsgrotte sind bis heute erhalten. Der Ort wurde aber schon lange vorher verehrt. Im zweiten Jahrhundert wollte Kaiser Hadrian dem christlichen Treiben ein Ende setzen und ließ über der Geburtsgrotte einen Adonis Tempel errichten – Justin der Märtyrer (+150 in Rom) und der Kirchenvater Origines berichten darüber. Kaiserin Helene hatte es also leicht, den ursprünglichen Ort zu finden, sie ließ den Tempel niederreißen und die bis zum heutigen Tag erhaltene Basilika errichten.
Der heilige Hieronymus lebte mehrere Jahrzehnte in einer Grotte direkt neben der Geburtsgrotte und übersetzte dort die griechische Bibel ins Lateinische, die sogenannte Vulgata. Der Ort der Geburt Christi wird durch einen Stern gekennzeichnet. Die Gebeine des heiligen Hieronymus und die Reste der Krippe wurden von den Kreuzfahrern nach Rom gebracht und befinden sich im Petersdom sowie in der Basilika Santa Maria Maggiore. Die Geburtsbasilika ist neben der Grabeskirche der wichtigste Ort für die Pilger. Zur normalen Zeit muss man zum Teil mehr als zwei Stunden anstehen, um die Geburtsgrotte zu besuchen – trotz aller Anstrengung ein einzigartiges Erlebnis.
Die Milchgrotte Die Milchgrotte wird nicht direkt in den Evangelien erwähnt, Matthäus berichtet jedoch von einem Haus, das die Weisen betraten; die Heilige Familie befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Stall, sondern in einem Haus. Dieses Haus war eine Wohnhöhle in der Nähe der heutigen Basilika. Es befinden sich mehrere Grotten und Höhlen, auch die Kopten haben ihre Milchgrotte. Der Tradition nach soll Milch der stillenden Mutter Maria auf den Boden getropft sein und somit den Ort geheiligt haben. Viele Menschen, die unter Kinderlosigkeit leiden, beten dort. Von der Milchgrotte aus ist die Heilige Familie nach Ägypten geflohen.
Zu Betlehem geboren ist uns ein Kindelein, das hab ich auserkoren, sein eigen will ich sein. Betlehem ist nicht die geringste unter den Städten Judas, denn aus ihr ging das Heil hervor. Bis heute ein konkreter Ort, der uns einlädt zu staunen und anzubeten…
P. Elias van Haaren OFM