Scheuer: Menschenwürde darf niemals eingeschränkt werden
Menschenwürde und Lebensrecht dürfen niemals abgestuft bzw. eingeschränkt werden. Sie müssten vielmehr immer und für jeden Menschen gelten. Das hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer am Donnerstagabend in seinem Grußwort bei der Eröffnung des Zweiten Internationalen Menschenrechte-Symposiums in der oberösterreichischen Gemeinde Langenstein eingemahnt. Was so banal klingt, ist es laut dem Linzer Bischof freilich nicht.
Zwar werde der Grundsatz der Menschenwürde heute meist nicht bestritten, und doch seien Umfang und Reichweite umstritten, erinnerte Scheuer:
Die ethischen Fragen des Instrumentalisierungsverbotes am Lebensanfang und Lebensende wie Embryonenforschung, Präimplantationsdiagnose, Abtreibung und Euthanasie stehen in intensiver Wechselwirkung mit dem Problem des Umgangs mitten im Leben: Zugang zu medizinischer Behandlung und Leistung, soziale Lebensbedingungen, Bildung als wichtige Grundlage für Lebenschancen, Vorsorge im Alter, Sicherheit, Frieden, Asyl und Migration.
Was um die Lebensränder gesellschaftlich besprochen wird, sei "ein Signal für das, was uns künftig auch in der Lebensmitte betreffen kann". Bis in die Gegenwart würden Todesstrafe und Präventivkriege gerechtfertigt. Sie führten zu unsäglichen Leiden durch die Tötung von Tausenden und Abertausenden, vor allem auch von Kindern.
Die Gefahr sei auch nicht von der Hand zu weisen, "dass Menschenwürde auf Gesundheit, Tüchtigkeit, Jugendlichkeit, Souveränität, wirtschaftliche Brauchbarkeit und Effizienz oder auch Sportlichkeit und Schönheit reduziert wird". Aber Würde und Lebensrecht dürften nicht abgestuft werden, so der Bischof.
Warnung vor Instrumentalisierungen
Die Eingrenzung der Moral und der Vorstellungen von Menschenwürde auf das Binnenleben religiöser oder politischer Gemeinschaften sei ebenfalls nicht die Ausnahme, beklagte Scheuer. "Es mangelt nicht an Äußerungen aus allen oder einzelnen Religionstraditionen, die darauf hinauslaufen, dass die Grundsätze 'gegen Fremde, Barbaren, Feinde, Ungläubige, Sklaven und Werkleute' nicht anzuwenden seien, grundsätzlich nicht oder zumindest im gegenwärtigen Falle nicht", zitierte er den Sozialphilosoph Hans Joas. Auch die christliche Religion, der häufig die Rolle der langfristigen Vorbereitung der Menschenrechte zugesprochen wird, sei gegen eine solche Einschränkung ihres universalistischen Potentials und gegen ihre Instrumentalisierung zu machtpolitischen Zwecken "wahrlich nicht gefeit".
Und nicht erst im 20. Jahrhundert habe man auch die erschreckende Erfahrung gemacht, "dass nicht nur Religion, sondern auch Vernunft, Wissenschaft und Aufklärung eine erschreckende Gewaltspur hinterlassen haben", fügte Scheuer hinzu.
Kommunikation und Kooperation im Hinblick auf Menschenwürde und Menschenrechte oder im Hinblick auf Gemeinwohl und Gerechtigkeit würden notwendigerweise in einer Sackgasse enden, "wenn es nur noch parteiische Standpunkte bzw. Meinungen gibt und damit Lösungen von Unrecht eo ipso neues Unrecht bringen". Die Unterscheidung zwischen Humanität und Barbarei liege dann auf der Ebene der bloßen Emotion oder des Durchsetzungsvermögens. "Ethische Fragen zu Recht und Unrecht, zu Leben oder Tod verkommen zu einer Frage des Geschmacks, Wahrheit oder Lüge eine Frage der besseren Taktik, Liebe oder Hass eine Frage der Hormone, Friede oder Krieg eine Frage der Konjunktur", warnte der Bischof.
Kinderrechte im Mittelpunkt
Das Menschenrechte-Symposion findet noch bis Sonntag in den Gemeinden Mauthausen, Gusen/Langenstein und St. Georgen statt. Auf dem Programm stehen u.a. Vorträge, Workshops, Exkursionen zu den KZ-Gedenkstätten Mauthausen und Gusen, Filmvorführungen und Konzerte. Ein inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf den Kinderrechten. So widmet sich eine Podiumsdiskussion der Problematik des Kindesmissbrauchs in Österreich. Ein Workshop, der sich besonders an Lehrlinge richtet, ist dem Thema "Hasspostings entgegnen - Menschenrechte kommunizieren" gewidmet.
Weiters wird im Rahmen des Symposions etwa auch das Lebenswerk des polnischen Arztes und Pädagogen Janusz Korczak und der polnischen Menschenrechtsaktivistin Irena Sandler im Mittelpunkt stehen. Geboren 1878 in Warschau, verfocht Korczak eine auch heute noch aktuelle Pädagogik der Achtung des Kindes. Im Warschauer jüdischen Waisenhaus "Dom Sierot" begründete er verschiedene Institutionen, die das Zusammenleben von mehr als 100 Kindern regelten. Korczak verließ auch nach der Machtübernahme durch die Nazis seine Schützlinge nicht. Er blieb bei ihnen im Warschauer Ghetto und ging auch 1942 mit ihnen in das Vernichtungslager Treblinka in den gemeinsamen Tod.
Irena Sandler (1920-2008) schaffte es, zusammen mit Helfern, ca. 2.500 jüdische Kinder aus dem Warschauer Ghetto zu schmuggeln, um sie in polnischen Familien, Klöstern und Waisenhäusern unterzubringen. Der Ermordung durch die Nazis entging sie nur mit knapper Not. (Infos zum Symposion: http://bewusstseinsregion.at
Quelle: kathpress