Die Kirche entdeckt das Zuhören
Fast einen Monat tagten Bischöfe und junge Katholiken im Vatikan. Herausgekommen ist ein Dokument, das eine stärkere Öffnung der katholischen Kirche gegenüber Laien verlangt. Das Synodenthema "Jugend, Glaube und Berufungsunterscheidung" ließ erwarten, betagte Kirchenobere würden Strategien suchen, wie sie ihre Botschaft einer immer desinteressierteren Generation vermitteln können.
Am Ende steht aber die Einsicht, dass die Kirchenleitung sich auch etwas von den Jungen sagen lassen muss. Papst Franziskus brachte es beim feierlichen Abschluss am Sonntag auf die Formel "Zuhören, bevor man spricht". Die Jugendlichen bat er um Entschuldigung, dass die Kirche ihnen zu oft "die Ohren vollgeredet habe". Und wichtiger als Synodenbeschlüsse ist dem Papst, dass sich eine neue Art der kirchlichen Zusammenarbeit etabliert, die Junge und Alte "im Hören und in der Unterscheidung" vereint - ein "synodaler Stil". Das spiegelt die Sicht vieler Bischöfe, die während der am 3. Oktober begonnenen Beratungen immer wieder den offenen und erfrischenden Austausch lobten.
Schönborn sehr zufrieden mit Stimmung
Der synodenerfahrene Wiener Kardinal Christoph Schönborn - er war zum sechsten Mal direkt an einer Synode beteiligt - nannte das Bischofstreffen kurz "das beste", das er je erlebt habe: "Es ist am meisten gelacht worden, es war ein unglaublich herzliches Klima." Zu den 270 Bischöfen gesellten sich in der Synodenaula 36 jungen Katholiken unter 30 Jahren sowie weitere Experten. Hinter den verschlossenen Türen der Synodenaula durften diese "Auditoren" mitdebattieren, aber nicht abstimmen. Dennoch prägten sie mit Beiträgen, die als erfahrungsbezogen und konkret beschrieben werden, offenbar die Atmosphäre und die Dynamik.
Franziskus wertete die Versammlung als charismatisches Ereignis. "Es war der Heilige Geist, der hier gearbeitet hat", sagte er nach der Verabschiedung des Schlussdokuments am Samstagabend. Die Synode fiel in eine für ihn schwierige Zeit, belastet durch Missbrauchsskandale und innere Widerstände gegen Reformen. Franziskus sprach in seinen Schlussworten von Angriffen des Satans gegen die "heilige Mutter Kirche".
Nicht zufällig richtete auch Patriarch Louis Raphael I. Sako als Vertreter des Synodenpräsidiums eine Solidaritätsadresse an den Papst. "Ein arabisches Sprichwort sagt: 'Der fruchtbare Baum wird mit Steinen beworfen.' Gehen Sie mit Mut und Zuversicht weiter", sagte der Iraker. Die Synodenväter applaudierten.
Zwar spricht sich das Synodendokument für ein stärkeres Hören auf Jugendliche aus; auch die Beteiligung von Frauen an kirchlichen Entscheidungsprozessen wird als "Gebot der Gerechtigkeit" bezeichnet. Aber gerade die Artikel zur Teilhabe von Laien und zu einer synodalen Kirche ernteten in der Schlussabstimmung zahlreiche Nein-Stimmen. Ein Passus über "ein klares, freies, authentisches Wort" zur Sexualität erreichte nur knapp die Zweidrittelmehrheit.
Wie hart um die vorsichtige Öffnung gerungen wurde, zeigt auch der Vergleich des Schlussdokuments mit dem unveröffentlichten Entwurf, zu dem mehr als 360 Änderungsanträge eingegangen waren. Manches wurde weichgespült, wohl um überhaupt eine Chance auf Bestehen in der Abstimmung zu haben.
So stellte der Entwurf fest, durch den Missbrauchsskandal der Kirche werde "ihre Glaubwürdigkeit schwerwiegend untergraben"; Missbrauch in allen Formen sei "das Haupthindernis" kirchlichen Wirkens und Ursache des Vertrauensverlusts bei Jugendlichen. Verabschiedet wurde folgende Formulierung: "Das Phänomen ist in der Gesellschaft verbreitet, betrifft auch die Kirche und stellt ein ernsthaftes Hindernis für ihre Mission dar."
Statt "null Toleranz" versprechen die Synodalen jetzt "rigorose Maßnahmen", das "Geschwür des Klerikalismus" ist wundersam verschwunden, auch der Vorschlag an die Bischöfe, "demütig um Vergebung für klerikales Gebaren zu bitten", fiel unter den Tisch. Dass die Kirche eine "verurteilende Haltung" in Fragen der Sexualität aufgeben möge, findet sich nicht mehr, auch nicht der Wunsch von Jugendlichen, das Thema "offen und klar" zu diskutieren.
Beifall, Gejohle und Schweigeminuten
Begonnen hatte die Synodenversammlung am 3. Oktober ja unter den dunklen Wolken des kirchlichen Missbrauchsskandals, der gleich zu Beginn von vielen deutlich angesprochen wurde. Zu Beginn der zweiten Woche schien sich - bei aller Ernsthaftigkeit der Themen und Berichte - aber eine heitere Euphorie breitzumachen.
Demonstrativ gezeigter oder verweigerter Beifall - inklusive Gejohle - von den oberen Rängen, wo die unter 30-jährigen Auditoren saßen, sorgten für ein in der Synodenaula bislang ungewohntes Klima. Ebenso die vom Papst nach jeweils fünf der maximal viermüntigen Redebeiträge verordneten Schweigeminuten, das Gehörte in Ruhe zu reflektieren.
Für die Kirche "war das fast revolutionär", befand Thomas Andonie, Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und einziger deutschsprachiger katholischer Auditor in der Syndoe. Mitzureden und Einfluss zu nehmen in der Kirche sei für jugendliche Auditoren aus anderen Kontinenten eine oft erstmalige Erfahrung gewesen.
Vor lauter Jugendbegeisterung schienen die Organisatoren mitunter zu vergessen, dass sie keine Teenies, sondern teils fast 30-jährige Frauen und Männer vor sich hatten. Etwa wenn diese als "Silvia aus Chile" oder "Daniel aus Pakistan" vorgestellt wurden, alle anderen aber mit Nachnamen. Ausgestattet mit buntem Rucksack und Baseballkapperl als Willkommensgeschenk fühlte sich mancher Auditor wohl an seine Schulzeit erinnert.
Sprachprobleme in der Aula
Ein größeres Manko war die Tatsache, dass die Synodenväter in den letzten Tagen über einen langen Text beraten und abstimmen mussten, den viele - weil allein auf Italienisch vorliegend - nur simultan übersetzt bekamen. Das sorgte nicht nur bei umstrittenen Passagen für Unverständnis. Absätze mit Aussagen über geschlechtliche Identität und Homosexualität sowie zur Rolle von Frauen erhielten relativ viele Gegenstimmen. Gegenüber dem Vorentwurf fallen Aussagen zum Missbrauchsskandal in der Kirche sowie zur Rolle von Frauen zaghafter aus.
Insgesamt schildert das Dokument in drei Abschnitten Lebenslagen junger Menschen weltweit. Besonders geht es um Digitalisierung, Migration sowie Gewalt und Ungerechtigkeit, denen junge Menschen ausgesetzt sind; all dies wird aus christlicher Sicht gewertet. Im dritten Teil schlägt das Papier Perspektiven für kirchliches Handeln vor. Eine sind neue Orte, an denen junge Menschen und Kirche sich begegnen sollten. Das hatte schon die Vorsynode im März verlangt.
Beste Gespräche bei Fußwallfahrt
Die am drittletzten Synodentag relativ spontan organisierte sechs Kilometer lange Fußwallfahrt von Synodenteilnehmern vom römischen Stadtrand zum Petrusgrab im Petersdom bot manchen die beste Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. "In keiner Kaffeepause während der Synode sind so gute Gespräche entstanden wie auf diesem Weg. Auch über ernsthafte Themen", sagt der deutsche Synodenberater und Jesuit Clemens Blattert.
Die Synode ist die Botschaft, nicht das Dokument, könnte ein Fazit lauten. Um die Synode aber so zu sehen, wie die Beteiligten selbst sie verstehen, muss man den Faktor Glauben einbeziehen. Sonst bleibt unverständlich, was der Papst am Samstagabend ebenfalls sagte: "Die Synode ist kein Parlament, sondern ein geschützter Raum, damit der Heilige Geist wirken kann." Das ist eine Logik eigener Art.
Beim Mittagsgebet am Sonntag drückte Franziskus es weltlicher aus: Die Früchte der Synodenarbeit seien "in Gärung" wie frischer Traubenmost. Es "war eine gute Ernte, sie verspricht einen guten Wein." Für den aber brauche es "neue Schläuche", befand schon zuvor der irische Erzbischof Eamon Martin.
Bislang habe er versucht, junge Menschen auf traditionelle Weise zu erreichen. Jetzt wolle er "ehrgeiziger sein und Neues ausprobieren". "Kenne ich zuhause solche Leute, wie ich sie bei der Synode erlebt habe?", fragte Martin - und antwortete selbst: "Ja, aber ich habe sie nicht genügend beachtet; ich muss sie beteiligen."
Quelle: Kathpress