Kirchen und Kultusgemeinde gemeinsam gegen Ausgrenzung und Gewalt
Anlässlich des 80. Jahrestages der Novemberpogrome (9. November) und in Erinnerung an das Versagen der Kirchen und der Gesellschaft insgesamt, das in den Gräueltaten des 9. Novembers 1938 in unfassbarer Weise sichtbar wurde, haben die Israelitische Kultusgemeinde Wien und der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich eine gemeinsame Erklärung herausgegeben. Christen und Juden bekennen sich heute dazu, "gemeinsam im Gespräch zu bleiben und sich für Frieden und gegen jegliche Gewalt und Ausgrenzung einzusetzen", wie es in der Erklärung wörtlich heißt.
"Die Schoah hat tiefe Risse hinterlassen", halten der ÖRKÖ und die Kultusgemeinde fest. In der Nacht des 9. November 1938 sei das Angesicht Österreichs grundlegend verändert worden. "Bis heute fehlen die Menschen, die Synagogen und andere jüdische Einrichtungen." War die jüdische Gemeinde davor ein Teil der österreichischen Gesellschaft und Kulturlandschaft gewesen, so habe mit dieser Nacht die Wandlung hin zu einem weitgehend synagogen- und judenleeren Staat begonnen.
Weiters heißt es wörtlich: "Wir spüren sie heute in der geringen Größe der jüdischen Gemeinden: Neffen und Nichten, Väter und Mütter, Onkel und Tanten, die es heute geben hätte sollen, konnten nie geboren werden. Wir spüren diesen Verlust in der christlich-jüdischen Begegnung und im alltäglichen Zusammenleben. Wir nehmen wahr, dass sich oft die Dialogerwartungen von interessierten Menschen aus den christlichen Kirchen nicht erfüllen können, weil die GesprächspartnerInnen als Gegenüber fehlen. Wir spüren die Last, die die TäterInnen hinterlassen haben, indem sie sich weigerten, Verantwortung zu übernehmen. Wir nehmen wahr, dass der Dialog selbst auch von jungen Christinnen und Christen von Schuldgefühlen geprägt ist oder von einer Opfer-Täter-Umkehr belastet wird."
Kirchen und Kultusgemeinde orten, dass junge Menschen neugierig aufeinander zugehen und neue Fragen miteinander ansprechen möchten:
Welche Probleme haben Jüdinnen und Juden als Minderheit in einem christlich geprägten Land? Wie formuliert sich eine christliche Glaubensidentität mit dem Wissen, dass vor allem jüdische Menschen die christliche Urkirche mitgegründet und gestaltet haben?
Der christlich-jüdischen Dialog müsse mutig und noch verstärkt weitergeführt werden. Die jüdisch-christliche Zusammenarbeit "möchte in der heutigen Gesellschaft wirksam werden, als eine starke Stimme für die Menschenfreundlichkeit unserer Religionen und für ein gutes Zusammenleben", heißt es weiter in der Erklärung.
In die Wege geleitet hat die Erklärung der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der damit laut eigenen Angaben "ein Zeichen setzen will für ein gutes Miteinander in der Gesellschaft und zwischen den Religionen".
In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 wurden im gesamten deutschen Machtbereich Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte sowie Wohnungen zerstört und verwüstet. Zahlreiche Juden wurden bei den Pogromen getötet oder verletzt. Allein in Wien wurden im Zuge des Furors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. 6.547 Wiener Juden kamen in Haft, fast 4.000 von ihnen wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.
(Der Wortlaut der Erklärung: www.oekumene.at)
Quelle: kathpress