Kindergärten in Wien: Politik soll sich heraushalten
Mit dem Thema Kindergärten in Wien wurde in den vergangenen Jahren viel Politik gemacht, die Politik soll sich aber aus diesem Bereich heraushalten. Das war der Tenor einer Buchpräsentation und Podiumsdiskussion zur "Pluralität in Wiener Kindergärten" am Dienstagabend in der Evangelischen Akademie in Wien, an der neben den Autoren auch Fachleute aus Kindergartenpädagogik und Theologie - so die islamische Schulamtsleiterin Carla Amina Baghajati und die katholische Religionspädagogin Andrea Lehner-Hartmann - teilnahmen. Einig waren sich die Diskutanten auch darin, dass es gar nicht so einfach ist zu definieren, was ein "islamischer" Kindergarten ist, der in der politischen Debatte oft unter Indoktrinationsverdacht steht.
Anlass für die Veranstaltung, an der auch der Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) teilnahm, war die Publikation einer großangelegten Studie über Wiener Kindergärten als Buch. Diese bereits im Dezember 2017 vorgestellte Studie folgte jener vor drei Jahren erschienenen umstrittenen des islamischen Religionspädagogen Ednan Aslan, die eine salafistische Ausrichtung von Kindergärten in muslimischer Trägerschaft beklagt hatte und - wie Czernohorszky in seinem Grußwort erinnerte - als willkommene Munition im Wahlkampf um Wien benutzt wurde. In Auftrag gegeben war die Studie von der Stadt Wien und dem damals in der Regierung für Integration zuständigen Sebastian Kurz.
Studien-Koautor Henning Schluß, an der Uni Wien lehrender Erziehungswissenschaftler und evangelischer Theologe, würdigte eingangs die von Aslan geleistete Vorarbeit. Er räumte ein, dass es die von seinem Kollegen beklagten Parallelgesellschaften tatsächlich gebe, diese aber andere Ursachen hätten als Indoktrination in islamischen Kindergärten. In der Studie ist z.B. von "Exklusionstendenzen" insofern die Rede, als städtische Kindergärten bei Platzknappheit nur Kinder mit berufstätigen Elternteilen aufnehmen - was bei gegebenem Migrationshintergrund seltener der Fall sei. Auch der Elternwunsch nach "Halal-Essen" führe dazu, dass islamische Kindergärten zu einem "Auffangbecken" für Kinder würden, "die in anderen Einrichtungen keinen Platz finden".
Belege für ein "massiv indoktrinierendes Verhalten in Einrichtungen mit besonderen Bezügen zum Islam konnten nicht erbracht werden", heißt es in der Studie weiter. In Kindergärten in islamischer Trägerschaft gebe es zwar muslimische Einflüsse, aber das sei bei anderen religiösen Trägern nicht anders und dort explizit gewünscht. Allerdings: Die Teilnahme an den im Zuge der Studie durchgeführten Erhebungen war freiwillig, laut den Autoren sei es "wahrscheinlich, dass sich mögliche problematische Einrichtungen nicht an der Untersuchung beteiligt haben".
Ist Europa nur "jüdisch-christlich"?
Die islamische Schulamtsleiterin Baghajati kritisierte Werteleitfäden für Erziehungseinrichtungen, die die "jüdisch-christliche" Kultur Europas unterstrichen und damit Muslime ausgrenzten. Auch wenn die Freiheit bei der Kleidungswahl betont, zugleich aber das Kopftuch als unerwünscht dargestellt werde, sei das ein Widerspruch in sich. Baghajati hob hervor, dass sie einen starker Wandel in islamischen Kindergärten beobachte: "Vor zwanzig Jahren gab es Diskussionen, in denen muslimische Eltern sich Sorgen machten, ob sie ihre Kinder auf den Weihnachtsmarkt gehen lassen. Da ist viel an Entkrampfung passiert."
Baghajati bedauerte, dass der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) ein einheitlicher Träger wie die St.Nikolausstiftung der Erzdiözese Wien oder die evangelische Diakonie fehle. Dennoch bemühe sich die IGGÖ um eine Art "Gütesiegel" für Kindergartenpädagogik. In den Einrichtungen stünden dem muslimischen Menschenbild entsprechende Werte wie Würde, Selbstvertrauen, Lern- und Kritikfähigkeit oder Sozialkompetenz im Vordergrund; islamische Spezifika wie Jahreskreisfeste oder Halal-Essen kämen erst an zweiter Stelle.
Religion und Vielfalt kein Widerspruch
Die an der Uni Wien lehrende Theologin Andrea Lehner-Hartmann betonte auf die Frage, warum es überhaupt konfessionelle Kindergärten geben müsse:
Religionen wollen zeigen, dass ihnen Kinder wichtig sind, auch wenn dann zu fragen ist, wie mit Pluralität umgegangen wird - nicht nur in religiöser, sondern auch in sprachlicher und kultureller Hinsicht.
Hier hätten Religionen einen besonderen Anspruch auf wertschätzenden Umgang und stünden vor einer "Nagelprobe".
Lehner-Hartmann kritisierte, dass Pluralität immer "eine hierarchische Komponente" habe: "Ein katholischer Kindergarten kriegt oft die Etikette des Elitären, ein islamischer kaum." Werde Englisch oder Französisch gesprochen, sei das positiv besetzt, bei Türkisch keineswegs. Kinder egal welcher Herkunft wollen laut der Religionspädagogin wo dazugehören - das könne durchaus eine Gruppe mit großer Vielfalt sein. "Fremde" religiöse Feste mitzufeiern sei da kein Problem. Lehner-Hartmann bemängelte, es werde oft "zu wenig vom Kind her gedacht"; die konfessionelle Ausrichtung sei ein Erwachsenenthema.
Der von sieben Autoren verfasste Band Pluralität in "Wiener Kindergärten. Prozesse und Strukturen von In- und Exklusion" erschien in der Reihe "Pädagogik in Forschung - Theorie - Geschichte" im LIT-Verlag und kostet 29.90 Euro.
Quelle: kathpress