Bedeutung der Religion nimmt für Österreicher weiter ab
Die Bedeutung der Religion nimmt für Herr und Frau Österreicher weiter ab: Meinte 1990 noch rund ein Viertel der Bevölkerung, Religion sei "sehr wichtig im Leben", so geben dies von den heuer dazu Befragten nur mehr 16 Prozent an. Diese Zahlen gehen aus der aktuellen, alle zehn Jahre durchgeführten Europäischen Wertestudie hervor, die für das Nachrichtenmagazin "profil" Anlass für eine Titelgeschichte (22. Oktober) war. Die an Gebet und Sonntagsmessbesuch ablesbare religiöse Praxis "erodiert weiter", auch wenn ein Großteil der Bevölkerung - nämlich 73 Prozent - weiter an Gott glaube, heißt es. Gottgläubig sind immerhin 21 Prozent der Österreicher ohne religiöses Bekenntnis, mindestens einmal pro Monat zum Gottesdienst gehen 36 Prozent der Bevölkerung (1990: 50 Prozent).
Wie Christian Friesl, der Leiter der interdisziplinären Werteforschung an der Uni Wien, am Montag gegenüber "Kathpress" erklärte, sind ab 4. November alle Daten der im Frühjahr durchgeführte repräsentativen Österreich-Umfrage online unter www.werteforschung.at zugänglich. An der Auswertung ist neben dem in der Industriellenvereinigung tätigen Theologen Friesl auch die Pastoraltheologin Regina Polak (für die religionsbezogenen Daten) beteiligt, Sylvia Kritzinger vom Institut für Staatswissenschaften zeichnet für den Politik-Teil verantwortlich. Mit "profil" und dem "Kurier" sei eine Veröffentlichung ausgewählter Ergebnisse schon vor dem 4. November vereinbart worden, sagte Friesl.
Explizit religionsbezogene Daten sind im aktuellen "profil" noch rar. Auf die Frage nach Eigenschaften, die Kinder im Elternhaus erlernen sollen, nannten die meisten Österreicher "Verantwortungsgefühl" und "gute Manieren" (jeweils 80 Prozent), gefolgt von "Toleranz und Respekt gegenüber Mitmenschen" (73 Prozent). Eine "feste religiöse Bindung" erachten dagegen nur 14 Prozent als wichtiges Erziehungsziel - um ganze neun Prozent weniger als 1990.
Bei der Frage nach der Wichtigkeit von Lebensbereichen rangiert die Religion ebenfalls weiter hinten, deutlich hinter der Familie (87 Prozent sagen hier "sehr wichtig"), hinter "Freunde und Bekannte", "Arbeit" und Freizeit". Noch hinter "Religion" kommt "Politik", die nur für zehn Prozent der Österreicher ein sehr wichtiger Bereich ist. Christian Friesl sprach im "profil" von einem "Trend zum Mikrosozialen", soll heißen: "Man kümmert sich um seine Liebsten und schert sich nicht viel um das gesellschaftliche Große und Ganze". Als bemerkenswert in Bezug auf Religion bezeichnete Regina Polak im Magazin, dass das Christentum "für Teile der Bevölkerung zu etwas Identitätsstiftendem" werde, "so wie Lederhose oder Dirndl".
Weitere der Datensumme vorab entnommene Details: 96 Prozent der Österreicher halten die Demokratie für die bestmögliche aller politischen Systeme (2008: 92 Prozent). Deutlich gesunken von 24 auf 16 Prozent ist im vergangenen Jahrzehnt offenbar die Sehnsucht nach einem "Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss".
Ein Fünftel der österreichischen Bevölkerung gilt laut "profil" als "manifest fremdenfeindlich", abzulesen etwa an der hohen Zustimmung zur Meinung "Ausländer sollen ihren Lebensstil an den der Inländer anpassen" (80 Prozent) und an der Ablehnung bestimmter Gruppen wie Muslime (21 Prozent) als Nachbarn. Immerhin: "Wo jemand auf die Welt gekommen ist, finden die Österreicher nicht mehr so wichtig wie das Verhalten", wird Werteforscher Julian Aichholzer zitiert.
Quelle: kathpress