Ordensfrau: Oscar Romero ist "der Heilige der Sturheit"
Die Heiligsprechung von Erzbischof Oscar Romero (1917-1980) stärkt allen den Rücken, die für ihren kompromisslosen Einsatz für menschenwürdige Lebensbedingungen als "Gutmenschen" verachtet werden: Das hat Martha Zechmeister, Fundamentaltheologin an der Universidad Centroamericana "José Simeón Cañas" in San Salvador, am Freitag im Interview mit der Nachrichtenagentur "Kathpress" dargelegt. "Romero ist der Heilige der Sturheit. Er konnte es nicht lassen, die Praxis Jesu umzusetzen, obwohl man ihn zum Scheitern verurteilt sah. Doch auch Jesus ist gescheitert", so die aus Niederösterreich stammende Ordensfrau der "Congregatio Jesu".
Romero stammte aus einfachen Verhältnissen am Land und zeigte immer schon große Nähe zu allen Ausgegrenzten, zunächst allerdings in Form sozialer Wohltätigkeit. Zechmeister:
Erst nach der Ermordung seines Priesterfreundes Rutilio Grande 1977, dessen politisches Auftreten Romero zunächst suspekt war, erwachte sein soziales Bewusstsein. Ihm wurde klar, dass er die für das Elend im Land Verantwortlichen beim Namen nennen musste.
Konkret ging es dabei um die Militärgewalt des Regimes gegen berechtigte Forderungen von Arbeitern nach höheren Löhnen.
Seine Bischofskollegen hätten Romero abgelehnt und ihm das Leben schwer gemacht, auch wurde die von ihm vertretene Befreiungstheologie lange als marxistisch abgelehnt. Papst Paul VI. habe ihn jedoch in seinem Weg bestärkt - "weshalb die nun gemeinsame Heiligsprechung ein schönes Zeichen ist", so die Theologin.
"Von der UNO heiliggesprochen"
Als richtig bewertete Zechmeister auch die Entscheidung, trotz vieler Gegenstimmen Rom als Ort der Heiligsprechung festzusetzen. "Romero ist kein Lokalheiliger am Ende der Welt, sondern ein universaler Heiliger. Seine Antwort auf Not und Unterdrückung ist ein allgemeingültiges Modell." Darauf deute auch der Umstand, dass die UNO im Jahr 2010 Romeros Todestag, den 24. März, zum "Internationalen Tag für das Recht auf Wahrheit über schwere Menschenrechtsverletzungen und für die Würde der Opfer" erklärt habe - "die weltliche Kanonisierung erfolgte somit bereits vor der kirchlichen", so die Ordensfrau.
Romero gehöre darüber hinaus nicht den Katholiken alleine: Auch evangelische Kirchen führen den Todestag des Erzbischofs in ihrem Kalender, und die anglikanische Westminster Abbey reiht ihn mit einer Steinfigur auf der Westfassade unter die "Märtyrer des 20. Jahrhunderts", in einer Reihe mit u.a. Martin Luther King oder Dietrich Bonhoeffer.
"Halbes Land auf den Beinen"
Während alle Bischöfe El Salvadors am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom die Heiligsprechungsmesse mitkonzelebrieren, feiert in Romeros Heimat die Bevölkerung aus der Ferne mit: "Man rechnet damit, dass sich die Hälfte der Bevölkerung an den Feiern beteiligt. Für El Salvador ist das ein einmaliges Fest", betonte Zechmeister. Auf dem Programm stehen Sternwallfahrten, eine große Messe mit Musikgruppen und eine Nachtwache vom Samstag auf Sonntag unter freiem Himmel, ehe zur nächtlichen Zeit - um 2 Uhr Ortszeit - die Direktübertragungen aus Rom auf Großleinwänden starten.
Opfern zuhören, Unrecht benennen
El Salvador sei heute wie damals ein "Mikrokosmos, der den Zustand der Gesamtwelt symbolisiert", schilderte Zechmeister. In dem Kleinstaat lebe eine kleine Gruppe Superreicher unmittelbar neben großen Elendsvierteln, und auch das Umweltproblem sei allgegenwärtig:
Kommen Österreicher zu Besuch, entrüsten sie sich oft über mangelndes Umweltbewusstsein der Salvadorianer. Dabei ist ihr eigener ökologischer Fußabdruck um ein Vielfaches größer.
Romero zum Vorbild zu nehmen bedeute, einerseits den Opfern Gehör zu schenken, andererseits auch, "mutig anzuklagen, was den Tod bringt". Dazu zählten auch Ungleichgewichte in der Wirtschaftspolitik oder ein nicht menschenwürdiger Umgang mit Flüchtlingen, befand die Theologin. Nötig sei dafür ein Prozess der Bewusstwerdung, besonders in reichen Weltgegenden, in denen man nicht direkt mit negativen Konsequenzen der eigenen Lebensweise konfrontiert sei. Dennoch:
Die Ausrede, wir wären nicht fähig die Probleme wahrzunehmen, gilt in der Informationsgesellschaft von heute nicht.
Quelle: kathpress