Große Hoffnungen vor der Heiligsprechung Oscar Romeros
Sein Bild prangt an Häuserwänden und Mauern. Denkmäler auf öffentlichen Plätzen erinnern an den lächelnden Erzbischof mit der Hornbrille. Und selbst der internationale Flughafen in der Hauptstadt trägt seinen Namen: 38 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod ist der frühere Erzbischof Oscar Romero in El Salvador so etwas wie ein Volksheld. Auch wenn seine Heiligsprechung am kommenden Sonntag im Vatikan stattfindet, werden in seinem Heimatland an vielen Orten Gebetswachen sowie ein großes Fest vor der Kathedrale in San Salvador gefeiert.
Auf dem großen Porträtbild in der Kapelle des Krankenhauses La Divina Providencia in der Hauptstadt trägt der "Bischof der Armen" längst einen Heiligenschein. Es war in dieser Kapelle, wo Romero am 24. März 1980 während eines Gottesdienstes von Unbekannten erschossen wurde. Durch seinen Einsatz für die Rechte der Armen in dem von sozialer Ungerechtigkeit gespaltenen El Salvador hatte er den Hass reaktionärer Kreise auf sich gezogen.
Am Tag vor seinem Tod rief der Verfechter der Befreiungstheologie in seiner Predigt zu Ungehorsam auf:
Kein Soldat ist verpflichtet, einem Befehl zu gehorchen, der in Gegensatz zum Gesetz Gottes steht.
Damit hatte er offenbar das Fass zum Überlaufen gebracht. Militärs gaben seine Ermordung in Auftrag; die Hintergründe wurden nie ganz aufgeklärt. In der Folge entbrannte ein grausamer Bürgerkrieg zwischen Sicherheitskräften, rechten Todesschwadronen und linksgerichteten Guerillagruppen, bei dem bis 1992 rund 75.000 Menschen ums Leben kamen.
Romero wurde in dieser Auseinandersetzung zur politischen Symbolfigur. Die Linke erklärte ihn zum "Märtyrer" und nannte ihn in einem Atemzug mit Camilo Torres, Che Guevara und Salvador Allende. Für die Rechte wurde er zum erklärten Feindbild. El Salvadors konservativ geprägte Kirche tat sich vor diesem Hintergrund lange schwer mit der Verehrung des Erzbischofs. Im Vatikan hegte man lange Zweifel, ob er tatsächlich wegen seiner Glaubensüberzeugungen und nicht vielmehr wegen seiner politischen Parteinahme getötet worden war.
Inzwischen hat sich die Wahrnehmung verändert. Der salvadorianische Staat hat zugegeben, dass Militärs eine Mitschuld am Tod des Erzbischofs trugen. Auch Vertreter der Rechten sehen ihn heute als herausragende Figur der Landesgeschichte. Und in Rom machte Papst Franziskus aus Lateinamerika endgültig den Weg zur Verleihung höchster Kirchenehren frei. Hunderttausende Pilger sowie Staatsspitzen aus ganz Lateinamerika kamen im Mai 2015 zur Seligsprechung des Märtyrerbischofs nach San Salvador.
"Mittlerweile steht die Mehrheit der Gesellschaft hinter Romero", sagt der dortige Weihbischof, der 76-jährige Kardinal Gregorio Rosa Chavez. "Auch die Menschen, die ihn lange nicht verstanden haben, wenden sich ihm zu." Chavez war einst Romeros Sekretär. Seit dessen Tod versteht er sich als eine Art geistlicher Nachlassverwalter. Mit der Heiligsprechung sieht er eines seiner wichtigsten Ziele erreicht. Er erkennt darin "eine große Chance, um unsere Gesellschaft wieder zu einen."
Großteil der Bevölkerung weiter in bitterer Armut
Denn: Romeros Botschaft von sozialer Gerechtigkeit hat in seinem Heimatland bislang wenig bewirkt. Die größten Reichtümer des Landes sind im Besitz von 23 Familien, während der Großteil der Bevölkerung in bitterer Armut lebt. Daneben zählt El Salvador zu den gefährlichsten Ländern der Welt. Tag für Tag werden Menschen Opfer krimineller Jugendbanden. Nach offiziellen Angaben gab es 2016 insgesamt 5.278 Tötungsdelikte.
"Oscar Romeros Kernanliegen - die Überwindung der sozialen Ungleichheit, ein Ende der Gewalt im Land - haben auch 38 Jahre nach seiner Ermordung nichts an Gültigkeit verloren", sagt der deutsche Botschafter in San Salvador, Bernd Finke. Auch wenn der Bürgerkrieg 1992 mit einem Friedensabkommen beendet wurde, erkennt Finke bislang keinen Versöhnungsprozess zwischen den verfeindeten Gruppen. Die Hoffnung der Kirche, dass Romeros Heiligsprechung einen Impuls dafür geben könnte, teilt der Katholik, der zugleich Ständiger Diakon ist, nicht: "Das ist dem Land und seinen Menschen wirklich zu wünschen, käme aber angesichts der noch immer bestehenden tiefgreifenden politischen Polarisierung des Landes einem Wunder gleich."
Auch Kardinal Rosa Chavez gesteht ein: "Wir sind noch sehr weit von Romeros Vorbild entfernt." Er prangert "Feigheit" und "Mutlosigkeit" in der salvadorianischen Kirche an und fordert von seinen Priestern mehr "Leidenschaft". Die Hoffnung aufgeben will er aber nicht - und gibt sich überzeugt: "Romeros Botschaft kann die Probleme in unserem Land lösen."
Quelle: kathpress