Bioethikerin: Über Risiken künstlicher Befruchtung aufklären
Knapp drei Jahre nach Einführung des neuen Fortpflanzungsmedizingesetzes ist es nach den Worten der Wiener Bioethikerin Susanne Kummer höchste Zeit, dass Österreich Konsequenzen zieht. Dringend nötig seien "Investitionen in Langzeitstudien nach In-Vitro-Fertilisation (IVF) sowie transparente Aufklärung über Risiken der künstlichen Befruchtung und deren gesundheitsgefährdenden Aspekte", forderte die Geschäftsführerin des Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) in einer "Kathpress" vorliegenden Stellungnahme vom Dienstag. Anlass dafür gäben Studien, die IVF mit negativen Folgen für die Gesundheit in Beziehung brachten.
"Wir sehen, wie immer mehr kritische Studien erscheinen, die auf Gesundheitsrisiken der künstlichen Befruchtung für Kinder und Frauen hinweisen", warnte Kummer. Kardiologen des Berner Inselspitals berichteten im "Journal of the American College of Cardiology", dass IVF-Kinder ein signifikant höheres Risiko für Bluthochdruck schon im Jugend- und jungen Erwachsenenalter aufweisen - ein laut Studienleiter Urs Scherrer "sehr beunruhigendes" Ergebnis. Bei 17-Jährigen, die durch IVF entstanden, liegt die Häufigkeit von Bluthochdruck demnach bei über 15 Prozent. Dass die Blutgefäße von Elfjährigen nach IVF vorzeitig altern, hatten die Forscher schon zuvor nachgewiesen und dabei elterliche Vorbelastung als Ursache ausgeschlossen, trat dieses Risiko doch bei natürlich gezeugten Geschwisterkindern nicht auf.
Als wahrscheinlichste "Schuldige" dieses Zusammenhangs gilt die Nährlösung, in der durch IVF erzeugte Embryonen in den ersten Tagen im Brutschrank kultiviert werden. Schon seit längerem vermuten Wissenschaftler, dass diese - nicht standardisierte - chemische und hormonelle Mixtur epigenetische Veränderungen hervorrufen kann. Eine Modifikation des Erbguts auf molekularer Ebene kann auf subtile Weise zu gesundheitlichen Langzeitschäden führen, wobei neben Bluthochdruck auch Spätfolgen von niedrigerem fetalen Wachstum, ein geringeres Geburtsgewicht, Asthma oder Stoffwechselerkrankungen in Diskussion sind.
Risikofaktor wie Rauchen oder Übergewicht
Die Berner Forscher schlagen im Fachbeitrag vor, IVF als kardiovaskulären Risikofaktor wie auch etwa Rauchen, Inaktivität oder Übergewicht zu sehen, und drängen darauf, dass Jugendliche zwecks optimaler Behandlung über die Art der Zeugung wie auch den Schwangerschaftsverlauf Bescheid wissen. Anders aber ihr Arbeitgeber, das Inselspital Bern: Deren Medienabteilung hatte trotz des internationalen Interesses nicht pro-aktiv über die hauseigene Studie berichtet - da die Ergebnisse "direkt einen anderen Fachbereich der Insel-Gruppe tangieren könnten", wie es in einer Stellungnahme im September hieß. Beobachtern zufolge wolle man mit der Zurückhaltung mögliche negative ökonomische Folgen für den Bereich künstliche Befruchtung - das Inselspital betreibt ein eigenes Kinderwunschzentrum - verhindern.
Der Wiener Ethikerin Kummer zufolge stimme es nachdenklich, wenn Verantwortungsträger in Reproduktionskliniken und Politik der umfassenden Aufklärung über IVF aus dem Weg gingen. "Solche Daten beunruhigen offenbar und passen nicht ins Hochglanz-Werbebild der Wunschbabykliniken. Heute warnen wir Schwangere davor, dass Alkohol das ungeborene Kind schädigen kann. Warum sprechen wir dann nicht auch offen über die gesundheitlichen Risiken einer künstlichen Befruchtung?", so die Geschäftsführerin des kirchlichen IMBABE-Instituts.
Quelle: kathpress