Scheuer: Solidaritätsstrukturen der Gesellschaft nicht entsorgen
Der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer hält es für "völlig unverantwortlich", die "aus dem christlich-demokratischen Denken entstandenen Solidaritätsstrukturen der Gesellschaft zu entsorgen und durch einen Kapitalismus des totalen Laissez-faire zu ersetzen". Scheuer äußerte sich am Freitag in Linz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vertretern der Arbeiterkammer (AK) und des Gewerkschaftsbunds (ÖGB) in Oberösterreich. Anlass war eine gemeinsame Tagung von Diözese, AK und ÖGB zum Thema "In welcher Gesellschaft wollen wir leben?".
In Österreich habe die Tradition einer tragfähigen Sozialpartnerschaft eine gute Grundlage für eine solidarische Gesellschaft gelegt. Ob der Zusammenhalt in einer Gesellschaft funktioniere, werde etwa bei Fragen der Generationengerechtigkeit, der solidarischen Absicherung bei Krankheit oder dem Zugang zu leistbarem Wohnen sichtbar, erläuterte Bischof Scheuer. Das In-Beziehung-Bringen der unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen sieht er als "grundlegende Aufgabe politischer Entscheidungsträger, aber auch gesellschaftlicher Akteure wie Kammern, Interessensvertreter, Gewerkschaften oder auch die Kirche".
Die Kirche rücke mit der Katholischen Soziallehre den konkreten Menschen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen, werfe allerdings auch einen kritischen Blick auf Strukturen und Dynamiken, um ein gutes Leben für alle Menschen zu ermöglichen, so Scheuer weiter. Der Wert und die Würde eines Menschen müssten nicht erst "erleistet" werden.
Das Wirtschaftssystem müsse "den Menschen dienen und nicht umgekehrt", betonte auch der oberösterreichische AK-Präsident Johann Kalliauer. Problematisch werde es, "wenn eine Gesellschaftsgruppe wirtschaftspolitisch dominant wird und damit der Ausgleich der Interessen ins Hintertreffen gerät". Damit das Wirtschaftssystem kein "Eigenleben" führe und Marktteilnehmer nicht unkontrolliert agierten, seien Regulierungen notwendig. Denn ein unkontrolliertes Agieren sei in einer kapitalistischen Marktwirtschaft immer zum Vorteil jener, "bei denen Macht und Kapital konzentriert sind", warnte Kalliauer.
"Mahnende Allianz"
Als "mahnende Allianz" wollten Diözese, Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund auch künftig eng zusammenarbeiten, hieß es bei der Pressekonferenz. Jeder habe zwar eine spezielle Rolle, "wir stärken uns aber gegenseitig durch Kooperationen in gemeinsamen Positionen", stimmten Bischof und AK-Präsident überein. Gemeinsam wolle man Positionen zu Fragen der Gerechtigkeit, zur Würde des Menschen, zu humaner Arbeitsgestaltung und ganz konkret zum arbeitsfreien Sonntag erarbeiten.
Besorgt zeigten sich Scheuer und Kalliauer über "momentan wahrnehmbare gesellschaftliche Polarisierungen". Beide wüntschen sich eine "offene, tolerante und demokratische Gesellschaft, die in Solidarität eine Teilhabe aller an Reichtum, Bildung, Arbeit und Kultur ermöglicht, auf Generationengerechtigkeit achtet und das Gemeinwohl nicht aus dem Blick verliert". Scheuer wie auch Kalliauer betonten in diesem Zusammenhang die zentrale Rolle der Sozialpartnerschaft.
Deutlich wurde auch die Forderung nach "Guter Arbeit" als Menschenrecht geäußert. Arbeit sei dann gut, wenn sie "fair verteilt, existenzsichernd, würdevoll und sinnstiftend" sei und die Wertschöpfung Arbeitnehmern in einem gerechten Ausmaß zu Teil werde, hieß es.
Quelle: kathpress