Scheuer: Terror und Barbarei wurzeln in Verachtung des Menschen
Auf die immer wieder drohende Entstehung von Hass und Vernichtung hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer bei einer Gedenkfeier im oberösterreichischen Schloss Hartheim, einem Schauplatz der Tötung behinderter Menschen durch die Nationalsozialisten, hingewiesen. Solchen Taten gehe ein Denken voraus, das Menschen ab- und entwerte. "An der Wurzel von Terror und Barbarei stand nicht selten die Anmaßung absoluter Macht über Leben und Tod, stand die Verachtung des Menschen", sagte Scheuer. In der NS-Zeit sei dies die Verachtung von Behinderten und Zigeunern gewesen, von politischen Gegnern, jüdischen Traditionen und generell der "anderen", erinnerte der Bischof. Diese Verachtung habe sich auch der Wissenschaften, der Medizin, der Ökonomie und sogar der Religion bedient.
Angehörige und Nachkommen von Opfern der rund 30.000 Opfer der NS-Euthanasie nahmen an der Gedenkfeier (1. Oktober) ebenso teil wie Vertreter aus Politik - darunter der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer -, Diplomatie und Religionsgemeinschaften, wie die Diözese Linz am Donnerstag auf ihrer Website berichtete.
Bischof Scheuer warnte in seiner Gedenkrede vor einem Absehen von der unveräußerlichen Menschenwürde zugunsten eines reinen Kosten-Nutzen-Denkens: Unter dem NS-Regime habe die Medizin zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben unterschieden, Behinderte wurden Opfer der Haltung: "Du bist für mich überflüssig, reiner Abfall und Müll, den es zu verwerten und dann zu entsorgen gilt, eine Null, ein Kostenfaktor, den wir uns nicht mehr leisten wollen."
Auch heute besteht laut Scheuer die Gefahr, "dass Menschenwürde auf Gesundheit, Tüchtigkeit, Jugendlichkeit, Souveränität, wirtschaftliche Brauchbarkeit und Effizienz oder auch Sportlichkeit und Schönheit reduziert wird". Doch Würde und Lebensrecht dürften nicht "abgestuft" werden, etwa in dem Sinne, dass nur junge, leistungsfähige und gesunde Menschen einen Wert und eine Würde haben.
Der christliche Blick auf Behinderung ist nach den Worten des Bischofs geprägt von der Überzeugung, dass es in jedem Leben Krankheit, Sünde, Schwächen, Defizite und auch "Behinderung" gebe. Der Glaube entlaste vom Druck, innerweltlich Heil herstellen zu müssen, sagte Scheuer. Christen seien aufgerufen, für die über alle Defizite hinausgehende Würde jedes Menschen einzutreten:
In jedem Menschen ist ein 'Mehr' gegenüber rein wirtschaftlichen Berechnungen und Kalküls - es sind personale Qualitäten, es ist die Würde der Gotteskindschaft.
Stelzer: Blick auch auf "dunkle Kapitel"
Landeshauptmann Stelzer betonte in seiner Rede die große Bedeutung von Schloss Hartheim nicht nur in Hinblick auf das Gedenken an die Opfer, sondern auch als Ort der Vermittlung und des Lernens. Die Gedenkfeier sei ein sichtbares Zeichen dafür, dass sich das Land Oberösterreich zu seiner Verantwortung gegenüber der Geschichte bekennt. "Ein Leben in Frieden und Wohlstand kann nur gelingen, wenn man sich der Geschichte in vollem Umfang bewusst ist - auch der dunklen Kapitel", so Stelzer. Oberösterreich habe in diesem Bereich eine Vorreiterrolle eingenommen, kein anderes Bundesland verfüge über eine derart lückenlose Dokumentation.
Auf dem Friedhof der Opfer wurden anschließend Gebete von Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirche sowie der Israelitischen Kultusgemeinde gesprochen und Kränze niedergelegt. Für die musikalische Gestaltung der Gedenkfeier sorgte das Bläserquartett der Landesmusikschule Alkoven.
Von 1940 bis 1944 Euthanasieanstalt
In Schloss Hartheim im oberösterreichischen Alkoven war von 1940 bis 1944 eine NS-Euthanasieanstalt untergebracht, in der nahezu 30.000 Menschen ermordet wurden. Sie waren teils Bewohner von Heil- und Pflegeanstalten sowie Betreuungseinrichtungen, teils arbeitsunfähige KZ-Häftlinge aus den Lagern Mauthausen, Gusen, Dachau und Ravensbrück sowie ZwangsarbeiterInnen.
1995 wurde der Verein Schloss Hartheim mit dem Ziel gegründet, einen angemessenen Ort der Erinnerung, des Gedenkens und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu schaffen. Im Jahr 2003 wurde aus Mitteln des Landes OÖ und des Bundes mit der Gedenkstätte und der Ausstellung "Wert des Lebens" der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim errichtet. (Link: www.schloss-hartheim.at)
Quelle: kathpress