Ukraine-Krise: Metropolit Arsenios hofft auf Einsicht Moskaus
Der innerorthodoxe Streit über die Ukraine hat auch Auswirkungen auf Österreich. Am Freitag, 5. Oktober, wird die Orthodoxe Bischofskonferenz von Österreich zu ihrer Herbstvollversammlung zusammenkommen. Die Vertreter der Russisch-orthodoxen Kirche werden der Tagung freilich fern bleiben. Vertreter aller anderen Kirchen haben ihre Teilnahme an den Beratungen in den Räumlichkeiten der bulgarischen Kirche zum Heiligen Iwan Rilski in Wien aber bereits zugesagt, so Metropolit Arsenios (Kardamakis) gegenüber "Kathpress". Der Metropolit ist als Vertreter des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel in Österreich auch Vorsitzender der Bischofskonferenz.
In der seit 2010 bestehenden Orthodoxen Bischofskonferenz von Österreich sind die Bischöfe der Patriarchate von Konstantinopel, Antiochien, Moskau, Serbien, Rumänien, Bulgarien und Georgien vertreten.
Nachdem das Ökumenische Patriarchat zwei Exarchen für die Ukraine ernannt hat, die die Autokephalie (Unabhängigkeit) der örtlichen Kirche vorbereiten sollen, hat das Patriarchat von Moskau Mitte September die Beziehungen mit dem Patriarchat von Konstantinopel eingefroren. So wird etwa die Nennung (Kommemoration) des Namens des Ökumenischen Patriarchen in der Liturgie der russischen Kirche vorläufig unterlassen. Bischöfe und Priester des Moskauer Patriarchats dürfen bis auf weiteres auch nicht mit Bischöfen des Ökumenischen Patriarchats gemeinsam Gottesdienste feiern.
Ebenso hat sich die Russisch-orthodoxe Kirche aus allen orthodoxen Bischofskonferenzen, theologischen Dialogen, multilateralen Kommissionen usw. zurückgezogen, in denen Repräsentanten des Patriarchats von Konstantinopel als Vorsitzende oder Ko-Vorsitzende fungieren.
Metropolit Arsenios bedauert die aktuelle Entwicklung, er wolle sie aber auch nicht "überdramatisieren", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Er hoffe sehr, dass das Moskauer Patriarchat seine Entscheidung überdenkt und bete dafür, so der Metropolit.
Der Vertreter des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel in Österreich (und Ungarn) zeigte sich im "Kathpress"-Interview überzeugt, dass die Position des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios der kirchlichen Tradition bzw. dem geltenden orthodoxen Kirchenrecht entspricht. Moskau sollte dies respektieren. "Wollen wir eine einige Orthodoxe Kirche oder wollen wir ethnisch oder national gebundene Kirchen, die parallel nebeneinander leben und wo jeder das Kirchenrecht und die Tradition nach eigenem Gutdünken interpretiert?", so der Metropolit wörtlich.
Die Ukraine sei historisch immer kanonisches Territorium des Ökumenischen Patriarchats gewesen. Auch als der Ökumenische Patriarch Moskau 1589 die Autokephalie verlieh, sei Kiew Territorium von Konstantinopel geblieben. Kiew sei nicht im Tomos (Urkunde) der Autokephalie inkludiert gewesen. Nach rund 60 Jahren, nämlich 1654, habe Moskau dann unerlaubter Weise einen Metropoliten namens Gedeon für Kiew geweiht, diese Weihe wurde vom Ökumenischen Patriarchat nicht anerkannt und führte auch zu Protesten aus dem Klerus und Volk der Metropolie von Kiew gegen diesen Eingriff Moskaus, führte Kardamakis aus. Die Weihe sei dann aber vom Ökumenischen Patriarchen Dionisios IV. im Jahre 1685 "per Oikonomia", also aus pastoraler Rücksichtnahme aber auch aus politischen und praktischen Gründen - das Patriarchat von Konstantinopel war unter osmanischer Herrschaft oftmals schwer unter Druck und nur bedingt handlungsfähig - akzeptiert worden.
Auf Grund dieser schwierigen Situation des Ökumenischen Patriarchats sei dem Patriarchat von Moskau durch einen patriarchalen Brief von 1686 auch das Recht übertragen worden, den Metropoliten von Kiew zu weihen, erläuterte Kardamakis. Freilich finde sich in dem Brief auch der Passus "auf Grund der Herrschaft der Tyrannei, bis zum Tag der Erbarmung Gottes". Damit gemeint sei die Verbesserung der Situation des Ökumenischen Patriarchats. Der Metropolit von Kiew sollte aber in den Gottesdiensten weiterhin den Namen des Ökumenischen Patriarchen kommemorieren. Im Laufe der Zeit sei diese Praxis allerdings verloren gegangen, trotz der Proteste des Ökumenischen Patriarchats.
Historische Beweise
Zahlreiche Dokumente würden belegen, dass die Ukraine bis heute kirchenrechtlich zu Konstantinopel gehört und das Ökumenische Patriarchat die völlige Übernahme der Metropolie von Kiew niemals akzeptiert habe, so Metropolit Arsenios. Durch die Geschichte hindurch sei es immer wieder zu Einsprüchen seitens Konstantinopels gekommen, so wurde etwa im Tomos der Autokephalie der Orthodoxen Kirche Polens im Jahre 1924 durch das Ökumenische Patriarchat nochmals ausdrücklich betont, dass die Übernahme der Metropolie von Kiew unrechtmäßig sei und die Bedingungen des Briefes des Patriarchen Dionisios IV. nicht respektiert würden.
Es stehe zweifellos fest, dass das Ökumenische Patriarchat die Verantwortung für die Einheit der Kirche trage, eine Appellationsinstanz auch über die jeweiligen Patriarchate hinaus sei und somit die Verpflichtung habe, sich der Probleme innerhalb der Orthodoxie anzunehmen, die nicht auf lokaler Ebene gelöst werden können. Diese Prinzipien seien in den Beschlüssen der Ökumenischen Konzilien klar verankert und daraus ergebe sich fraglos und historisch mehrfach belegt das Recht des Ökumenischen Patriarchates, die Autokephalie zu verleihen. Wenn dem nicht so wäre, wäre schließlich auch die Autokephalie für die meisten orthodoxe Kirchen, denen Konstantinopel die Unabhängigkeit verlieh - inklusive der Russischen Kirche - ungültig und hinfällig, gab der Metropolit zu bedenken. Freilich sollte ein panorthodoxes Konzil die Entscheidungen des Ökumenischen Patriarchen bestätigen, in Ermangelung solcher Konzile sei dies aber bisher noch nicht möglich gewesen.
Gespaltene ukrainische Orthodoxie
Patriarch Bartholomaios habe letztlich nichts anderes getan, als seiner kirchlichen Verantwortung gerecht zu werden, wenn er nun den Prozess für die Verleihung der Autokephalie an die ukrainische Kirche in Gang gesetzt hat. Freilich sei die reale Situation vor Ort denkbar schwierig, räumte Metropolit Arsenios ein, der auf die gespaltene Kirche zu sprechen kam.
In der Ukraine gibt es derzeit drei orthodoxe Kirchen: die zum Moskauer Patriarchat gehörenden Ukrainische Orthodoxe Kirche, das seit gut 25 Jahren abgespaltene (und von der Weltorthodoxie nicht anerkannte ) selbsternannte Kiewer Patriarchat sowie die seit rund 100 Jahren abgespaltene (und ebenfalls nicht anerkannte) selbsternannte Autokephale Ukrainische orthodoxe Kirche. Und genau um in dieser verworrenen Situation eine kirchenrechtlich sinnvolle Lösung zu finden, die den kirchlichen Frieden in der Ukraine wiederherstellen und die Trennungen und Spaltungen überwinden kann, habe der Ökumenische Patriarch zwei Exarchen ernannt, erläuterte Metropolit Arsenios.
Der Metropolit betonte, dass es in der Orthodoxie dringend eine Klärung der Kirchenstrukturen brauche, um Klarheit bezüglich der Kirche außerhalb der orthodoxen Kernländer bzw. bei der Entstehung neuer Staaten zu gewinnen. Schon beim Panorthodoxen Konzil auf Kreta 2016 hätte man sich dieser Frage annehmen sollen. Es seien auch Bemühungen in dieser Richtung unternommen worden, aber die Formulierung einer kanonischen Lösung stehe bisher noch aus.
Metropolit Arsenios drückte seine Zuversicht aus, "dass stets eine Lösung für die Probleme der Kirche gefunden werden kann, wenn die Treue zur Tradition der Kirche und den Kanones gewahrt und die Kirche in ihrer eschatologischen Form angenommen und gelebt wird, also nicht als territoriale Struktur, sondern als Ort der Rettung und des Heils der Menschen, als Leib Christi".
Quelle: kathpress