Turnovszky zu Jugend: Viel Individualismus und viel Engagement
"Jugendbischof" Stephan Turnovszky, der offizielle Vertreter der Kirche Österreichs bei der am 3. Oktober in Rom beginnenden 15. Generalversammlung der Bischofssynode - heuer ist Jugend das Thema -, hat im Interview mit der Gemeinschaftsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen zwar einen generellen gesellschaftlichen Individualismus konstatiert, jedoch vor einem Fingerzeig auf die Jugend gewarnt. Wenn es heiße, Jugendliche seien "wenig an der Gesellschaft interessierte Individualisten", könne er dem nur bedingt zustimmen. Der Wiener Weihbischof:
Ich finde, die gesamte Gesellschaft und nicht nur die Jugend zieht sich individualisiert zurück. Viele Menschen wollen in erster Linie ein gemütliches, ungestörtes Leben führen.
Beim Weltjugendtag 2016 habe Papst Franziskus dazu aufgefordert, "vom Sofa aufzustehen, sich einzubringen", so Turnovszky. Dies geschehe tatsächlich, und "gerade unter gläubigen Jugendlichen gibt es sehr viele Engagierte, und zwar in verschiedenen Bereichen: Ökologie, soziale Gerechtigkeit, für das ungeborene Leben oder für benachteiligte Menschen".
Anfangs Skepsis
Der Bischof räumte ein, dass er bei Durchsicht des Arbeitsdokuments der Synode, das mit vielen Themen mit regional verschieden hohem Stellenwert gefüllt wurde, erst einmal "skeptisch" gewesen sei. Er habe aber Hoffnung geschöpft, nachdem er mit der Österreich-Vertreterin der römischen Vorsynode im Frühjahr gesprochen habe.
Sie hat erzählt, dass die Jugendlichen, die sich getroffen haben, bald zu den großen, gemeinsamen Themen gekommen sind: Alle möchten, dass es jungen Menschen auf der Welt gut geht; alle sind für Mitbestimmung und Teilhabe; allen ist der Einsatz für Gerechtigkeit wichtig. Weitere gemeinsame Themen waren moderne Kommunikationsmittel, Gestaltung von Beziehungen, Bildung und Einstieg ins Berufsleben. All das betrifft junge Menschen überall, auch wenn die Detailfragen sich unterscheiden.
Turnovszky begrüßte es, dass die Ansicht des US-Erzbischofs Charles Chaput nicht befolgt wird, weil Chaput angesichts des Missbrauchsskandals in den USA eine Absage der Jugendsynode wollte. "Das wäre kein gutes Signal an die Jugend der Welt", so der österreichische Jugendbischof:
Die jungen Menschen wollen ohnehin Themen wie Transparenz in der Kirche diskutieren. Wenn man sich von aktuellen Ereignissen vom Thema abbringen lässt, wäre wohl nie Zeit, über die Jugend zu sprechen.
Zudem hole Papst Franziskus die Spitzen aller Bischofskonferenzen für Ende Februar nach Rom, um bei der Missbrauchsbekämpfung entschieden voranzukommen. "So ein Treffen ist wohl auch viel besser dazu geeignet als eine doch sehr förmlich ablaufende Synode."
Die "Kirchensprache" der Synode - im Titel findet sich auch das Wort "Berufung" - verteidigte Turnovszky: "An 'Berufung' gefällt mir gut, dass der Begriff eine Beziehung zu Gott anspricht: Es gibt jemanden, der ruft, und jemanden, der gerufen wird." Aber er sei "auch offen für ein anderes Wort als 'Berufung', wenn wir ein passenderes finden".
Biblisches Fundament der Sexualmoral
Auch verteidigte der Bischof - vor dem Hintergrund von Forderungen nach Änderungen bei der Sexualmoral - das Fundament der diesbezüglichen katholischen Lehre:
Die 'Füße' der katholischen Sexualmoral sind in der Heiligen Schrift zu finden. Diese können wir nicht hintergehen. Vielmehr müssen wir uns laufend fragen, ob die kirchliche Lehre dem biblischen Fundament entspricht. Die Kirche bleibt davon überzeugt, dass sich erfüllte Sexualität aus der verbindlichen Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau mit der Offenheit für Kinder ergibt. Verbindlichkeit entspricht durchaus der Sehnsucht der Jugend, wie Studien zeigen. Die Verschiedenartigkeit der Geschlechter ist Voraussetzung der Offenheit für neues Leben.
Dabei sei aber "ganz klar", dass die Kirche auch homosexuelle Menschen in ihrer Würde achtet und mit Respekt aufnimmt. "Es bleibt aber die Sorge, dass sie - wie auch etwa jene in der 'wilden Ehe' - nicht der kirchlichen Verkündigung zur Sexualität entsprechend leben", so Turnovszky.
Er "verstehe und schätze" aber, dass jemand seinen Partner der Welt als einen Menschen präsentieren möchte, "zu dem er ganz und gar gehört und für den er Verantwortung übernimmt". Aber die Ehe von Mann und Frau habe eben "ihren ganz besonderen Grund und eine unvergleichliche Bedeutung für den Aufbau der Gesellschaft". Sie sei daher "mit anderen Formen des Zusammenlebens nicht gleichzusetzen".
Turnovszky versprach in dem Interview, Rückmeldungen, die er auf das ausgesandte Arbeitsdokument erhalten habe, in die Diskussionen der Synode einzubringen. Und man könne ihm unter Angabe der Stelle im Dokument auch weiterhin Anregungen senden (jugendsynode@edw.or.at). Zudem freue er sich, dass er von jungen Menschen begleitet werde, um Themen vor Ort mit ihnen beraten zu können. Ziel der Jugendseelsorge sei jedenfalls nicht, "jungen Menschen zu sagen, was man von ihnen will", sondern es gehe "um die Frage, was man für sie möchte".
Die jungen Menschen seien jedenfalls nicht dafür da, das bisherige System aufrechtzuerhalten. Sie hätten das Recht auf eine neue Ausdrucksform kirchlichen Glaubens. Gläubige Erwachsene sollten hören, was Sorgen und Anliegen der Jugendlichen seien und sie unterstützen. "Dann kann man ihnen auch bezeugen: 'Ich kenne einen, der mir hilft: Jesus Christus!' Im Glauben erfahrene Menschen sollen zeigen, dass es schön ist, ein mit Gott und anderen Menschen verbundenes Leben zu führen. Junge Menschen haben Sehnsucht nach gelungenem Leben", fasste Turnovszky das Thema "Missionarisch für die Jugend sein" zusammen.
Von 3. bis 28. Oktober 2018 treffen sich Bischöfe aus der ganzen Welt in Rom, um über das Leben, die Wünsche und Sorgen von jungen Menschen zu beraten. Österreich ist mit gleich zwei Bischöfen dabei: Während Kardinal Christoph Schönborn als Mitglied des Synodenrates teilnimmt, ist Jugendbischof Stephan Turnovszky offizieller Vertreter Österreichs.
Quelle: kathpress