Christlicher NS-Widerstand: Denunzierte Bäuerin rehabilitiert
Das Landesgericht Wien hat das NS-Urteil gegen die verstorbene Salzburger Bäuerin Maria Etzer (1890-1960) aufgehoben und diese vollständig rehabilitiert. Etzer hatte im Zweiten Weltkrieg Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern Hilfe zukommen lassen. Die Katholische Aktion und das Mauthausen Komitee veröffentlichten jetzt das Rehabilitationsurteil, das bereits am 18. September erlassen wurde.
In seiner Urteilsbegründung stellte das Gericht wörtlich fest:
Letztlich lag der primäre Grund für die Verfolgung und Verurteilung von M.E. darin begründet, dass sie auch während der NS-Diktatur ihren christlichen Wertvorstellungen treu blieb und sich auch gegenüber den als Zwangsarbeitern eingesetzten Kriegsgefangenen menschlich verhielt. Ein solcher Dissens mit der NS-Ideologie war den Machthabern ein Dorn im Auge und wurde schon als Form des Widerstands angesehen.
Die Rehabilitierung sei eine gute Nachricht, "mit der spät, aber doch einer glaubensstarken und christlich handelnden Frau Gerechtigkeit widerfährt", sagte dazu die Präsidentin der Katholischen Aktion Salzburg, Elisabeth Mayer, in einer Aussendung am Montag. Etzer, ein Mitglied der Katholischen Frauenorganisation (Vorläuferin der Katholischen Frauenbewegung) habe sich trotz Terrorbedrohung nicht von ihrer Glaubensüberzeugung abbringen lassen. Die Mutter von ursprünglich acht Kindern habe unter dramatischen Bedingungen vorgelebt, was christliches Handeln bedeutet, so die KA-Präsidentin. Etzer bewahrte gegenüber "Fremdarbeitern", die laut Gesetz nicht einmal am gemeinsamen Tisch essen durften, ihre Menschlichkeit: Die ihr zugeteilte französische Hilfskraft sei ein fleißiger und williger Arbeiter gewesen, "und so habe ich ihn auch behandelt", erklärte Maria Etzer später.
Gemäß dem Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz von 2009 erfolgte aufgrund des Antrags ihrer Enkelin Brigitte Menne die vollständige Rehabilitierung Etzers. Sie hofft auf ähnliche Verfahren, um "endlich die kleinen, 'ganz selbstverständlich' Widerständigen aus dem Schatten zu holen". In Maria Etzers Heimat Goldegg, das auch Schauplatz eines SS-Massakers an Deserteuren war, wird zur Zeit auf Betreiben des Kulturvereins und dessen Obmannes Cyriak Schwaighofer an einer Neufassung der Orts-Chronik gearbeitet, in der auch das Schicksal von Etzers seinen gebührenden Platz finden soll.
Biographie "Das Selbstverständliche tun"
Die Sozialforscherin Maria Prieler-Woldan veröffentlichte vor wenigen Monaten eine Biographie unter dem Titel "Das Selbstverständliche tun" über die Salzburger Bäuerin (Studienverlag). Die Hitler-Gegnerin geriet 1943 nach Denunziation aus ihrem engsten Umfeld in die Fänge des NS-Regimes. Wegen "verbotenen Umgangs" mit französischen Kriegsgefangenen wurde sie vom Sondergericht Salzburg zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt und ins Zuchthaus Aichach (Bayern) eingewiesen. Kurz vor Kriegsende wurde Etzer entlassen.
Gegenüber der Republik Österreich stellte sie mehrfache Anträge auf Opferfürsorge, die mit der Begründung abgelehnt wurde, sie habe nicht aktiv an der Errichtung eines freien Österreich mitgewirkt. Jahrelang konnte Etzer wegen Verleumdungen nicht in ihr Heimatdorf Goldegg zurückkehren.
Aus Erinnerungen der Enkelgeneration und Akten von Zuchthaus und Opferfürsorge wird im Buch Prieler-Woldans das Schicksal Maria Etzers nachgezeichnet. Das Buch entwirft dabei ein neues Konzept von weiblichem Widerstand als "Lebenssorge" und rückt eine bislang kaum untersuchte Opfergruppe des Nationalsozialismus, die noch auf Rehabilitierung wartet, ins Blickfeld.
Quelle: kathpress