Elbs und Hennefeld im Land der "reformierten Reformation"
Gegen eine "Kompromiss-Ökumene" und für eine "Konsens-Ökumene" hat sich der Feldkircher Bischof Benno Elbs ausgesprochen. Es gelte die verschiedenen Traditionen der christlichen Kirchen wertzuschätzen, voneinander zu lernen und die vielen Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zu ergreifen, die trotz Differenzen etwa im Amtsverständnis oder in der Sakramententheologie bestünden, sagte Elbs am Donnerstagabend in der Schweiz. Gemeinsam mit dem reformierten Landessuperintendenten und Vorsitzenden des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) Thomas Hennefeld zog er in den Räumlichkeiten des Weltkirchenrates (ÖRK) in Genf Bilanz über eine dreitägige Pressereise zu den Wirkstätten der Schweizer Reformatoren Ulrich Zwingli und Johannes Calvin.
Anlass für die gemeinsam von der Katholischen Presseagentur "Kathpress" und dem Evangelischen Pressedienst (epdÖ) organisierten Reise nach Zürich und Genf war das in der Schweiz begangene Zwingli-Jahr: Der Zürcher Reformator trat sein Amt am dortigen Großmünster vor 500 Jahren, am 1. Jänner 1519, an. Journalisten von ORF, APA und verschiedenen kirchlichen Medien nahmen an der Reise und am bilanzierenden Pressegespräch teil.
Zur Frage der Interkommunion, der gemeinsamen Teilnahme gemischtkonfessioneller Ehepaare an der Eucharistiefeier, erklärte Bischof Elbs, aus katholischer Sicht sei Eucharistie ein "Sakrament der Versöhnten" nicht eines der Versöhnung - also Mittel zum Zweck voller Einheit. Wie auch die Unterschiede in der Frage kirchlicher Ämter sei dies ein im theologischen Diskurs zu klärendes Thema. Im Blick auf das praktische Leben als eine weitere Ebene der Ökumene plädiere er dafür, dass evangelische Ehepartner im Einzelfall die Kommunion empfangen können, sofern sie den Inhalten im Hochgebet der katholischen Kirche innerlich zustimmen können - eine Lösung, auf die sich auch die Deutsche Bischofskonferenz im Februar mit Dreiviertel-Mehrheit geeinigt hatten. Papst Franziskus hatte dies danach als Orientierunghilfe für Bischöfe gewürdigt, die in ihren Diözesen jeweils Regelungen treffen könnten, die "das Kirchenrecht schon jetzt erlaubt".
Jedenfalls zu befürworten ist für Elbs eine enge Zusammenarbeit der Kirchen im gesellschaftspolitischen und auch seelsorglichen Bereich. Sowohl in Zürich - etwa bei der von Katholiken und Reformierten gemeinsam getragenen "Bahnhofkirche" oder im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beider Medienzentren - als auch in Genf etwa bei Krankenhaus- und Gefangenenseelsorge oder in der Flüchtlingsarbeit habe man auf der Schweizreise viel an "positivem ökumenischen Geist" erlebt, resümierte der Bischof.
Vereinte Kirchen haben Wirkung
Es gebe zwar in Vorarlberg einige reformierte Gemeinden, aber vieles in der nahen Schweiz sei für ihn Neuland gewesen, sagte Elbs. Beim Besuch im Ökumenischen Rat der Kirchen (Weltkirchenrat, ÖRK) in Genf sei ihm bei der Begegnung mit Generalsekretär Olav Fykse Tveit u.a. Verantwortlichen sehr deutlich geworden, was Kirchen an Gestaltungsmöglichkeiten im Sinn des Evangeliums hätten, wenn sie sich zusammentun. Der Bischof erwähnte dabei die Friedensbemühungen des ÖRK in Südafrika und zuletzt in Korea oder den Einsatz für Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung.
Zugleich äußerte Elbs die Überzeugung, das Wirken der Kirchen und die Ökumene dürfe sich nicht auf rein Humanitäres beschränken, Religion sei mehr als nur Gesellschaftspolitik und solle mit ihren Symbolen auch öffentlich präsent sein. Ein "falsch verstandener Laizismus" dürfe diese Dimension des Menschseins nicht ausblenden, "sonst kommt die Religion durch die Hintertür als Abgrenzungsmittel gegenüber anderen", warnte der Feldkircher Bischof. Auch der auf Ebene des europäischen Integrationsprozesses sollten die christlichen Wurzeln des Kontinents nicht verleugnet werden. "Ein Baum, dessen Wurzeln man abschneidet, geht ein", so Elbs.
Besonders wies er auch auf das Martyrium als wesentliche Ebene der Ökumene hin. Heute gebe es weltweit rund 100 Millionen wegen ihres Glaubens verfolgte Christen, bei deren Bekenntnis zu Christus spielten Konfessionsgrenzen keine Rolle, betonte Elbs.
Hennefeld: Christentum ist politisch
ÖRKÖ-Vorsitzender Thomas Hennefeld unterstrich beim Pressegespräch, die Schweizer Reformatoren Ulrich/Huldrych Zwingli (1484-1531) und Johannes/Jean Calvin (1509-1564) hätten Wert gelegt auf die Katholizität - also die Universalität und Einheit - der Kirche; beide hätten keine neue Kirche gründen, sondern diese von Fehlentwicklungen reinigen wollen und unter der Spaltung gelitten. Das in der Schweiz bereist angelaufene und in Österreich im kommenden Frühjahr gefeierte Zwingli-Jahr sehe er nicht als Anlass, diese herausragende Glaubensgestalt auf ein Podest zu stellen wie dies in martialisch-düsterer Weise neben der Züricher Wasserkirche geschehen sei. Vielmehr solle Gerechtigkeit als besonderes Anliegen des Reformators betont werden.
Laut Hennefeld ist diese gesellschaftspolitisch relevante Seite des Christentums gefragt, wenn z.B. die Politik zu wenig auf Schwache und Arme achtet. Sowohl Zwingli als auch Calvin hätten nicht "individuellem Seelenheil" den Vorrang gegeben, sondern der Frage, wie menschenwürdiges Leben in einer Gesellschaft aussehen müsse. Dazu gelte es neben konkreter Not auch auf Not verursachende Strukturen zu achten, so der Landessuperintendent. Und weiter wörtlich: "Ein Christ, der nicht politisch ist, verfehlt seinen Auftrag als Christ."
Dieser gesellschaftspolitische Anspruch der Reformatoren zieht sich nach den Worten Hennefelds bis in die Zeitgeschichte, zeigte sich im Widerstand gegen das NS-Regime ebenso wie im gegenwärtigen Einsatz gegen Neoliberalismus und für Flüchtlinge. Calvin selbst sei ein Vertriebener gewesen, der später dafür sorgte, dass in Genf - am Beginn der Neuzeit eine "Stadt der Flüchtlinge" - die gelungene Integration der Aufgenommenen den Grundstein für den Wohlstand der Stadt legte.
Zum gemeinsamen Abendmahl konfessionsverschiedener Ehepaare bekannte sich Hennefeld zur Geduld; man solle den ökumenischen Partner nicht überfordern und auch Calvin habe ausdrücklich eingefordert "nicht unwürdig zum Abendmahl" zu gehen. Freilich würden die protestantischen Kirchen alle Christen zum Tisch des Herrn einladen, wie einzelne damit umgingen, sei ihnen überlassen.
"Christliche Werte" kein "Kampfbegriff"
Andere Akzente als Bischof Elbs setzte der Landessuperintendent auch beim Thema "christliche Wurzeln Europas": Die Reformierte Kirche stehe zum säkularen Staat, der auch anderen Wurzeln als den christlichen mit Wertschätzung begegnen und letzteren keine Dominanz einräumen solle. Hennefeld wies darauf hin, dass "christliche Werte" heute vielfach zum "Kampfbegriff" rechtskonservativer Kräfte geworden seien. Er plädierte für eine christliche Spiritualität, "die sich nicht über andere erhebt", und antimuslimische Affekte würden meist einem verlorenen christlichen Selbstbewusstsein entspringen.
Hennefeld äußerte dich dankbar, dass es ungeachtet der Tatsache, dass die Reformierten in Österreich eine "Minikirche" darstellten, zu der ökumenisch partnerschaftlichen dreitägigen Reise kam. Stationen waren Zürich und Genf, wo jeweils Gespräche mit Vertretern der reformierten wie der katholischen Kirche stattfanden - etwa mit Pfarrer Niklaus Peter vom Zürcher Fraumünster, der den Besuchern die tiefe Theologie der dortigen Glasfenster Marc Chagalls erschloss, mit Gottfried Locher, dem Präsidenten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds, mit Generalvikar Josef Annen als höchstrangigem Vertreter der Katholiken im Kanton Zürich oder mit Emmanuel Fuchs und Michel Colin als Vertreter zweier Kirchgemeinden in der reichen Stadt Genf, die durch fehlende öffentliche Gelder mit großen finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Begleitet wurde die Reisegruppe von Catherine McMillan, Reformationsbotschafterin der Zürcher Landeskirche im laufenden Zwingli-Jahr mit vielen theologischen, gesellschaftspolitischen und auch kulturellen Akzenten. (Info: www.zhref.ch/themen/reformationsjubilaeum)
Quelle: kathpress