Halik: Aktuelle Kirchenkrise gleicht jener der Reformationszeit
Die gegenwärtige kirchliche Krisensituation ist in ihrer Dramatik und Tiefe mit der Krisensituation der Reformationszeit oder auch der Französischen Revolution vergleichbar: Das hat der renommierte tschechische Religionsphilosoph Tomas Halik in einer Stellungnahme gegenüber "Kathpress" unterstrichen. Die aktuellen erneuten Enthüllungen von Fällen sexuellen Missbrauchs seien dabei "nur ein Aspekt des Versagens eines bestimmten Typus' von Kirche". Auch die Debatten um den Zölibat, den Priestermangel, die Rolle der Laien, Fragen von Macht und Autorität seien nur Symptome dieser weitaus tieferen Krise. Notwendig sei eine "weitgehende Reform", die sich nicht auf Strukturfragen begrenze, sondern tiefer ansetze. Die Kirche müsse vor allem lernen, "selber zuzuhören und zu lernen".
Papst Franziskus habe bereits eine "notwendige, weitgreifende Reform" eingeleitet. So sei der Papst in einer Zeit weltweiter Verunsicherung und Bedrohungen zugleich zur "Stimme einer Hoffnung geworden, die weltweit auch über die Grenzen der Kirche hinaus wirksam ist". Mit seinen Vorstößen habe er zugleich jedoch "Panik" in manchen Kirchenkreisen ausgelöst, die nun zu einem Gegenangriff übergegangen seien, so Halik weiter. Entsprechend sehe er nun Bischöfe, Seelsorger und Theologen gleichermaßen in der Pflicht, "gegenüber dem Papst ihre Treue zu bezeugen und ihm Beistand zu leisten".
An der Spitze einer solchen Verteidigungslinie wünscht sich Halik die katholische Kirche von Lateinamerika - schließlich sei sie es, aus deren Reihen Franziskus stamme und deren Charisma der argentinische Papst in die Weltkirche einbringe: "Sollte die Stimme von Papst Franziskus totgeschwiegen werden, so hätte dies katastrophale Folgen nicht nur für die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche, sondern auch für alle, die in unserer Welt, die voller Angst, Gewalt und Hass ist, um Hoffnung kämpfen gegen die Versuchung der Resignation."
Vortragsreise durch Südamerika
Halik äußerte sich vor dem Beginn einer Vortragsreise durch Südamerika auf Einladung der Päpstlichen Universität von Parana (Pontificia Universidade Catolica do Parana), zu der er am 1. September aufbricht. Auf dem Programm stehen Vorträge u.a. in Curitiba, in Rio de Janeiro, sowie die Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen und Fernsehauftritte.
Zuletzt hat Halik gemeinsam mit dem Wiener Pastoraltheologen Paul Zulehner die Solidaritäts-Aktion "Pro Pope Francis" initiiert, die inzwischen weltweit von rund 75.000 Menschen unterzeichnet wurde, darunter 150 Theologen aus vier Kontinenten.
Quelle: kathpress