Theologe Bucher: Kein Platz mehr für Klerikalismus in Kirche
Klerikalismus darf heute in der Kirche keinen Platz mehr haben. Das hat der Grazer Pastoraltheologe Prof. Rainer Bucher betont. Papst Franziskus identifiziere den Klerikalismus als Wurzel des Missbrauchs in der Kirche und die "machtgestützte Selbstbezüglichkeit" als Kern des Klerikalismus. Das sei ebenso wahr, "wie es gerne verschämt beschwiegen wird", so Bucher im Interview mit der Kooperationsredaktion der heimischen Kirchenzeitungen.
Der Klerikalismus hat laut Bucher seine historischen Wurzeln im kirchlichen Herrschaftsanspruch über die Gesellschaft, wurde mit der "Verkirchlichung" des Christentums in der Neuzeit zu einem Führungsanspruch über das Leben der Laien, "und wird heute zu einer mehr oder weniger fatalen Identitätstechnik von Priestern". Nachsatz:
Gebracht hat der Klerikalismus nie etwas, auch den Priestern nicht.
Die Zölibatsverpflichtung für Weltpriester in der römisch-katholischen Kirche wollte Bucher nicht direkt als Teil des Klerikalismus-Problems bezeichnen. "Grundsätzlich sind alle Lebensformen ambivalent: Sie bieten Chancen und bergen Gefahren, generell und jeweils individuell", so der Theologe. Gefährlich werde es aber immer, wenn man bestimmte Lebensformen sakralisiert, also ihre Träger jeder konkreten Kritik entzogen werden. Das sei früher auch mit dem patriarchalen Mann in der Ehe so gewesen.
Im "Catechismus romanus" (aus dem 16. Jahrhundert) finden sich Aussagen wie jene, Priester würden ein Amt besitzen, "dass man sich kein höheres ausdenken kann, daher sie mit Recht nicht nur Engel, sondern auch Götter genannt werden, weil sie des unsterblichen Gottes Kraft und Hoheit bei uns vertreten." Bucher: "Solche Sätze sind für ihre Adressaten eine echte Verführung. Heutige Priesterausbildung muss aktiv gegen eventuelle Reste solcher Erhabenheits- und Sakralisierungstendenzen angehen."
Zur Frage, wie die Aussage des Papstes in seinem jüngsten Brief an alle Katholiken zu verstehen sei, wenn er hinsichtlich des Missbrauchs das gesamte Volk Gottes zu Buße und Umkehr aufruft, sagte Bucher: "Niemand soll für etwas büßen, das er nicht getan hat." Der Papst sei aber offenkundig zur Ansicht gelangt, dass der Klerus allein die Umkehr weg von "Hochmut", "Selbstherrlichkeit" und "Selbstbezogenheit" nicht schaffen wird. Deswegen schreibe der Papst, es sei "unmöglich, sich eine Umkehr des kirchlichen Handelns vorzustellen ohne die aktive Teilnahme aller Glieder des Volkes Gottes".
Modus von Bischofsernennungen ändern
Auf den Modus der Bischofsernennungen angesprochen meinte Bucher, dass dieser tatsächlich reformbedürftig, "allein schon, weil er noch nie so zentralistisch war wie heute, in demokratischen Zeiten". Er bezweifle allerdings, ob das viel am Problem des Missbrauchs ändern würde; denn: "Verführer wissen zu gefallen."
Notwendig seien Prävention, wirklich unabhängige Ansprechpartner in der Institution bei allen Formen von Übergriffen, Transparenz auf allen Ebenen und konsequente Verfolgung von Missbrauchstaten. Vor allem aber brauche es tätige Solidarität mit den Opfern, konkrete Hilfe über schamvolle Worte hinaus. In all diesen Bereichen werde in der deutschsprachigen Kirche ja auch seit einiger Zeit einiges getan. Nachsatz:
Missbrauch in der Kirche ist eine Niederlage Gottes in seiner Kirche und in allem das glatte Gegenteil von dem, wofür es Kirche gibt.
Bucher plädierte zudem für mehr öffentliches Lob für jene, die den Missbrauch aufdecken. Der Jesuit P. Klaus Mertes etwa hätte schon lang einen kirchlichen Orden verdient.
Zur Bemerkung, dass der Papst in seinem jüngsten Brief andeutete, dass von einem Teil der Laien der Klerikalismus durchaus gefördert wird, meinte Bucher:
Denken Sie an die Eltern, die ihren missbrauchten Kindern nicht glaubten, denn der Herr Pfarrer mache so was nicht, oder an die Diskriminierung, die Opfer teilweise, wenn sie sich öffentlich meldeten, erleben mussten.
Herrschaft entstehe immer bei den Beherrschten, "dort kann sie freilich auch enden. Das ist ja gegenwärtig in unseren Breiten bei der klerikalen Herrschaft ziemlich weitgehend der Fall. Insofern besteht Hoffnung."
Quelle: kathpress