Kirchenrechtlerin: Kinderschutz noch nicht in Kirchen-DNA
Die katholische Kirche setzt in Sachen Missbrauch nach Ansicht der niederländischen Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens den Kinderschutz noch nicht konsequent an erste Stelle. "Das ist noch nicht in die DNA der Kirche übergegangen", sagte Wijlens, die an der Universität Erfurt lehrt, im Interview mit der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Kirche befinde sich trotz aller Bemühungen um Präventionskonzepte dahingehend noch in einer "Entwicklungsphase". Papst Franziskus berief im Frühjahr Wijlens als einzige Kirchenrechtlerin in die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen.
Das am Montag veröffentlichte Schreiben von Papst Franziskus zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche eröffnet Wijlens zufolge drei Aufgabenfelder:
Erstens muss eine Kultur geschaffen werden, in der weder Platz ist für sexuellen Missbrauch von Minderjährigen, noch für einen Machtmissbrauch, der Vertuschen ermöglicht. Zweitens müssen wir Strukturen schaffen, die es ermöglichen auch Beschwerden gegen Personen in Leitungspositionen einzureichen.
Drittens müssten die Beschuldigten ein transparentes Verfahren erhalten. "Und diejenigen, die vertuschen, müssen ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden", so Wijlens. "Nur so kann es Gerechtigkeit geben."
Als herausragenden Aspekt des Papst-Briefs wertete Wijlens, dass Franziskus einen Zusammenhang herstelle zwischen sexuellem Missbrauch und dem Missbrauch von Macht, etwa um sexuellen Missbrauch zu vertuschen, und dem Gewissen. "Damit spricht er etwas aus, das viele nicht im Zusammenhang sehen wollen", so die Kirchenjuristin.
Aber wir werden sexuellen Missbrauch nicht erfolgreich bekämpfen können, wenn wir nicht auch den Machtmissbrauch mitbekämpfen.
Wijlens betonte, die Kirche werde nur dann Vertrauen zurückgewinnen, wenn sie in Aufklärungs- und Aufarbeitungsgremien unabhängige Experten mit einbeziehe: "Wir brauchen hier die weltweit besten Fachleute zur Mitarbeit. Da muss die Kirche ihren inneren Kreis verlassen." Auch den Einsatz von staatlichen Kommissionen bewertete die Kirchenrechtlerin positiv. Es sei eine große Hilfe, wenn diese "schonungslos die Sachen auf den Tisch" brächten. Wenn die Kirche versuche, ihre Vergangenheit alleine aufzuklären, käme schnell der Verdacht auf, "dass man es quasi nur 'unter sich' ausmacht".
Quelle: kathpress