Weltfamilientreffen: "Klare, positive Vision von Ehe und Familie"
Die katholische Kirche sieht es als Aufgabe und Herausforderung, angesichts einer "komplizierten Welt mit ihren verdrehten Köpfen" eine "klare und positive Vision von Familie und Ehe zu vermitteln": Das hat der irische Primas, Erzbischof Eamon Martin von Armagh, am Donnerstag beim katholischen Weltfamilientag in Dublin dargelegt. Zentral gehe es um die "frohe Botschaft, dass das menschliche Leben heilig ist, dass jeder Mensch von Gott kommt (...); dass wir von Gott gewollt sind, der jeden von uns liebt." Dies gelte es heute auf neue Weise zu vermitteln.
Der katholische Weltfamilientag findet diese Woche in Dublin statt; vor den Höhepunkten am Samstag und Sonntag, wenn auch Papst Franziskus in der irischen Hauptstadt zu einem Familienfestival und einem großen Freiluftgottesdienst erwartet wird, vertieft seit Mittwoch ein dreitägiger Pastoralkongress verschiedene Aspekte der Kirchenlehre zu Ehe und Familie. Thematische Grundlage ist dabei das 2016 erschienene Papstschreiben "Amoris laetitia". An den Vorträgen, Diskussionen und Workshops beteiligen sich neben Bischöfen und Kardinälen zahlreiche Familien sowie Fachexpertinnen- und -experten zum Thema. Insgesamt 37.000 Menschen aus über 116 Ländern sind als Dauerteilnehmer zur der Tagung angemeldet.
Die Lehre zur Familie - deren Eckpunkte die treue Liebe zwischen Mann und Frau und deren Offenheit für das Geschenk der Kinder sind - sei angesichts einer "Wegwerfkultur" eine "gute Nachricht für die Gesellschaft und für die Welt", so Primas Martin in seiner Rede. Einem freiheitsliebenden Staat müsse daran gelegen sein, ein davon geprägtes Gewissen seiner Bürger - "einschließlich seiner öffentlichen Vertreter, Ärzte und Krankenschwestern" - zu respektieren. Das "Primat der individuellen Wahl" habe jedoch zu einer großen Gleichgültigkeit gegenüber dem Thema Abtreibung geführt, nahm er auf den jüngsten irischen Volksentscheid Bezug.
Die Kirche müsse in der Seelsorge auf die konkrete Wirklichkeit der einzelnen Familie sehen und Barmherzigkeit zeigen, betonte US-Kardinal Joseph W. Tobin in einem Panel am Donnerstag. Familie sei "kein abstraktes Ideal", weshalb eine Überbetonung der Lehre, Bioethik oder Moral fehl am Platz und die "Demut des Realismus" gefordert sei, so der Erzbischof von Newark. Ein "zu abstraktes theologisches Ideal" fernab von konkreten Situationen und praktischen Möglichkeiten gelte es zu vermeiden. Wichtig sei jedoch auch, "Gewissen zu bilden, nicht zu ersetzen", wie Papst Franziskus in "Amoris laetitia" gefordert habe.
Bessere Begleitung junger Paare zum Eheleben unter Einbezug der gesamten Pfarre forderte Caroline Dollard, Beraterin in Ehefragen der katholischen Bischofskonferenz von England und Wales, in einem gemeinsamen Vortrag mit dem Bischof von Northampton, Peter Doyle. Konkrete Beispiele seien für verlobte Paare wichtig um zu begreifen, was eine sakramentale Ehe bedeute; der bestehende "Erfahrungsschatz" müsse weitergegeben werden und es brauche auch Formen der Ermutigung.
Auf Homosexuelle zugehen
Ein aktiveres Zugehen in Pfarren auf gläubige Homosexuelle forderte der US-Jesuit James Martin. Mitglieder der LGBT-Gruppe fühlten sich von der Kirche bisher ausgeschlossen und trügen Verwundungen davon. Heilung und Veränderungen des Lebens zum Positiven sei hingegen möglich, wo es von dieser Seite Entgegenkommen gebe, sagte der Ordensmann. In seiner New Yorker Pfarre gebe es Bibelgruppen für Homosexuelle, Austauschmöglichkeiten und einen Willkommensgruß durch Pfarrmitglieder bei jeder Sonntagabendmesse. Derartige Möglichkeiten und Offenheit seitens der Geistlichen sei aber höchstens in Großstädten vorzufinden, was ein "Skandal" sei, befand Martin.
Konkret empfahl der Jesuit u.a., die "Geschenke" zu sehen, mit denen gläubige Homosexuelle das Pfarrleben bereichern könnten: Aufgrund eigener Erfahrungen seien sie oft besonders mitfühlend gegenüber Randgruppen, hätten viel Übung darin, anderen zu vergeben, und seien durch ihren Verbleib in der Kirche besonders standhaft. Wichtig sei weiters eine Haltung des Zuhörens - auch den Angehörigen gegenüber -, die Akzeptanz als volle Pfarrmitglieder mit Übertragung von Diensten, Entschuldigungen für durch die Kirche erfahrene Verletzungen und das Vermeiden einer Reduzierung auf das Sexualleben. "Wenn die Kirche den LGBT-Personen zuhört, würden 90 Prozent aller Homophobie und Vorurteile verschwinden", so Martins Überzeugung.
Menschen nicht als Ware sehen
Auf den von Papst Franziskus geprägten Terminus der "Wegwerfkultur" kam bei weiteren Veranstaltung des Weltfamilientreffens auch Kardinal Luis Antonio Tagle zu sprechen: "Menschen verschwinden, wenn wir sie als Ware statt als Personen betrachten", warnte der Erzbischof von Manila. Auch Eheleute sollten sich beim Anblick ihres Partners die Frage stellen: "Siehst du eine Person oder eine Ware? Ein Geschenk oder ein Problem?", appellierte der Kardinal. Ein ganzheitlicher Ansatz, den auch die Papst-Enzyklika "Laudato si" verfolge, sei jener, "der die Ökologie der Umwelt mit der Ökologie des Menschen verbindet": Beide seien miteinander verwoben, weshalb es hier keine Entscheidung nach dem Muster "Entweder - Oder" gebe.
Sorgen um die Folgen des leichten Zugangs von Pornografie für Kinder äußerten Teilnehmer eines Panels, bei dem es um Familien und Soziale Medien ging. Einer aktuellen Studie zufolge liege unter US-amerikanischen und britischen Buben das Durchschnittsalter beim Erstkontakt mit Pornografie derzeit bei elf Jahren, berichtete der US-Entwicklungspsychologe Thomas Lickona. Die "Normalisierung" von Pornografie und deren "Allzugänglichkeit" führten oft zu Depression, Promiskuität und Ehebruch, Angstzuständen, Teenager-Schwangerschaften, sexuellen Übergriffen und Dysfunktionen, warnte der Forscher. Als Gegenmaßnahme schlug er eigene "Medienpläne" in den Familien vor; das Internet sei für Kinder "kein Recht, sondern Privileg", der Umgang damit solle sich an den jeweiligen Werten in der Familie orientieren.
Beitrag zum Gemeinwohl
Dass Familienwerte dazu beitragen, "die Vorherrschaft des Egoismus und kurzfristige wirtschaftliche Ziele" zu überwinden, sagte der Wiener Banker Gordian Gudenus, der bei einem weiteren Panel die Schlüsselfunktion von Familienunternehmen für das Gemeinwohl hervorhob: Zwei von drei Unternehmen weltweit seien Familienunternehmen, die zudem weltweit 60 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigten und zu über 70 Prozent des BIP beitrügen, so der Partner der Bank Gutman. Von Natur aus würden Familien "auf lange Sicht" denken und "Strategien für zukünftige Herausforderungen" entwickeln. Die Kirche bezeichnete Gudenus als wichtige Unterstützerin der Werte von Familien und ihren Unternehmen.
Die Familie sei eine "Ressource für die Nachhaltigkeit" und ein "Liebesdienst für die Kinder und die folgenden Generationen", sagte bei demselben Panel Kurienkardinal Peter Turkson. Der Präfekt des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen bezeichnete die Arbeit als "Berufung des Menschen, Partner Gottes zu sein", wessen sich die Wirtschaft bewusst sein solle: Durch eine "Logik des Gebens", bei der sie die Talente des Einzelnen berücksichtige, wirkliche Bedürfnisse mit nachhaltigen Gütern befriedige und sich von einem "Geist des Dienstes und der Solidarität mit der Menschheitsfamilie" leiten lasse, so der ghanaische Kurienkardinal.
Quelle: kathpress